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Juli 2007
Uwe Staab
für satt.org

Was heißt nochmal „Untergrund“?


Icke & Er:
Mach Et Einfach

(Four Music/SonyBMG)

Icke & Er: Mach Et Einfach
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Mitte bis Ende 2006 spielte sich in Deutschland eine bis dahin beispiellose Karriere ab: zwei Berliner, die sich als „Icke & Er“ bezeichnen, stellen einen selbst produzierten Song samt Video auf ihre MySpace-Seite. Nach kurzer Zeit zählt „Rischtisch jeil“ mehr als 10.000 Klicks und findet sich bei YouTube mit noch mal so vielen. Die Plattenindustrie wird aufmerksam, schließlich nimmt Four Music „Icke & Er“ unter Vertrag, „Rischtisch jeil“ erscheint im Oktober 2006 als Single. Am 22. Juli 2007 erschien ihr Album, getreu dem eigenen Motto „Mach Et einfach“ betitelt.

Obwohl als Phänomen für Medien extrem interessant, halten es Icke & Er, was Untergrundmentalität angeht, mehr als nur ein bisschen real. Snippet und Remixes ist kostenlos auf der Seite zu hören, das Alki-Liebeslied „Girlfriend Nr. 4“ gibt’s mittlerweile zum kostenlosen Download. Den großen Medien wird der Kontakt grundsätzlich verweigert, während man aber jederzeit auf MySpace Nachrichten schreiben oder Comments hinterlassen darf, die gegebenenfalls auch beantwortet werden. Und aufgetreten wird im immer gleichen Outfit mit Sonnenbrille und angeklebtem Schnurrbart. Auch wenn hier ein gutes Stück Selbstinszenierung dabei ist: Die Musik steht im Vordergrund, und gut spürbar auch der Spaß daran. Es gibt Liebe für die Fans, und von Kohle wird überhaupt nur im Zusammenhang mit den Plattenfirmen geredet. Die beiden machen mit Lust und Laune einfach das, was Spaß macht.

Icke & Er
Icke & Er
Foto: David Goltz

Und das äußert sich auch in ihrer Musik: das Album liefert 18 Tracks inklusive Skits die neben „Ickes“ geistigen Ergüssen in breitestem Berliner Dialekt vor allem Abwechslungsreichtum bieten. Die Ode an ihre Heimatstadt „Berlin“ kommt mit einem Volksmusik-Instrumental daher, die gleichzeitig mit dem Album erschienene Single „Keen Hawaii“ bietet eher rockigen Sound, und „Berliner Girls“ hat reichlich Ragga-Flavor. Im Gegensatz zu den eher klamaukig anmutenden Internet-Singles „Rischtisch jeil“ und „Heavy juti“ alles sauber produzierte Beats, wie man sie nicht unbedingt erwartet hätte. Und es wird auch nicht nur Party gemacht: „Der Untergang“ und „S.V.B.“ (Spring vom Balkon) sind Ickes erste Gehversuche auf düsteren Beats, und „Tachchen Tschüs“ ist stimmungsmäßig wohl der seit langem treffendste Track über das Ende einer Beziehung.

Und dennoch: das Icke & Er-Projekt ist durch seinen selfmade-Charakter zwar extrem sympathisch, die tatsächliche Qualität ist aber fraglich. Das Album lebt von „Er“s Beats, die die musikalische Abwechslung ausmachen. „Icke“’s Rapskillz sind dagegen mehr als zweifelhaft. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Wer sauber durchgerappt bevorzugt, ist hier leider an der falschen Adresse.

Spaß macht’s, und für manchen (mich eingeschlossen) haben die beiden Kultstatus. Für jeden, der der Sache nicht aufgeschlossen gegenüber steht, degradieren sie sich aber selbst zu dem „Quatschprojekt“, das sie eigentlich nicht sein wollen. Wer nicht darauf gewartet hat, dass jemand den eng gewordenen HipHop-Rahmen sprengt, dürfte seine Schwierigkeiten haben.

FAZIT: auf jeden Fall reinhören, schmunzeln und lachen, und dann entscheiden. „Icke & Er“ polarisieren extrem. Es findet sich genug Material im Internet.



» www.ickeunder.de
» myspace.com/ickeer
» wikipedia.org/wiki/Icke_&_Er