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Oktober 2007
Christina Mohr
für satt.org

Bum Khun Cha Youth:
Alarm! Hanns-Martin ist verschwunden
(Brokensilence/Tumbleweed)

Bum Khun Cha Youth: Alarm! Hanns-Martin ist verschwunden

Bum Khun Cha Youth, bestehend aus Intro-Redakteur und Buchautor Linus Volkmann und Ulrich Nachtigall, gibt es schon seit zwölf Jahren, ihr erstes „richtiges“ Album erscheint aber erst jetzt. Es gibt keine BKCY-Homepage oder -myspace-Seite, Bandinfos muß man über die hübsch gemachte Fanpage zusammensuchen. Das klingt alles nicht nach einer aufstrebenden Jungsrockband, die die Charts im Sturm erobern will oder zu Stoner-Stadionrockern werden möchte. Nein, bei BKCY ist irgendwie alles ganz anders. Sie verwirren zunächst durch Niedlichkeit: der im Kinderbuchstyle gezeichnete Coverboy hält ein Schild hoch, „Alarm! Hanns-Martin ist verschwunden“ - Hanns-Martin? War das nicht dieser Schleyer, der vor dreißig Jahren im Kofferraum … genau. BKCY nehmen das Wagnis auf sich, Pop und Politik zu verbinden und es hat einen ganz speziellen, ja, bizarren Reiz, wenn Volkmanns zarte Stimme zu eleganten Synthiebeats fordert: „Sag mal leise / sag mal laut / was zu denken sich sonst keiner traut / We all thank you, R.A.F.!“ Wenn man sich diese Zeilen in der Clubsituation mitgesungen und mitgetanzt vorstellt, möchte man sofort losjubeln ob dieser Löwenherzigkeit der BKCY. Die restlichen elf Songs auf „Alarm! …“ pendeln zwischen den Polen Privatheit (= Liebesglück und -unglück) und Politik (R.A.F.-Aufarbeitung in diesem unserem Lande) und Entgrenzung (Tanz, Drogen, Irrsinn, zum Beispiel bei „Eichhörnchen im Erdnußfieber“, „Manege frei“, „Macht auf der Bühne Licht“). Bum Khun Cha Youth lieben poppigen Elektrosound, den sie selber im „Spannungsfeld zwischen Digitalism und Blümchen“ verorten, einfacher macht man es sich, wenn man ältere Depeche-Mode- und Pet-Shop-Boys-Platten hört – also nur die besten Vorbilder, bitteschön! Wenn man den BKCY-Klassiker „Wann hast du eigentlich aufgehört, mich zu lieben, Schatz!“ hört, begreift man, dass auch der unschönen Lage des Verlassenwordenen noch etwas Glam entlockt werden kann. Und in der Album-Totale erkennt man, dass Pop und Politik ein sehr possierliches, ja, schönes Paar sein können. Dass das funktioniert, schaffen aber nur Volkmann und Nachtigall. Nicht nachmachen!

Lest hier ein erhellendes Interview mit Linus Volkmann:

CM: Wie kamt ihr auf den Namen Bum Khun Cha Youth? Ist ja nicht unbedingt ein Name, den das Publikum problemlos in Richtung Bühne skandieren kann …

Linus Volkmann: Ich habe in den 90er für ein beschissenes Stadtmagazin ("AZ") geschrieben. Da machte ich die Kolumne der regionalen Bands. Es ging um Darmstadt, wo ich auch wohnte. Und irgendwann war ich es (wie Zeitungsaustragen) leid, immer mühevoll den örtlichen Folkbands News zu entlocken und erfand eine Band. Bum Khun Cha Youth. Angelehnt an den ersten Südkoreaner in der Bundesliga Bum Khun Cha. Damals gab es Bands, die Blocher Youth oder Hrubesch Youth heissen. Ich dachte, das ist eine günstige Chronologie. Irgendwann wollten lokale Veranstalter was mit der Band machen, die immer in dem Heft war. Und dann habe ich mit meinem schon damals heiss geliebten Freund Uli und noch anderen so Gitarren-Dilettantismus aufgeführt. Das war ein Erfolg, vor allem weil Darmstadt sonst eben nur Folk-Rock hatte. Und so kam schnell der Rattenschwanz an Popkarriere nach. Wir haben unter anderem eine Single bei Thees Uhlmann im Keller eingespielt. Aber nie veröffentlicht, weil sie so nach Metal klang und auf meiner Stimme kein Harmonizer-Effekt lag. Sowas hatten die Eltern nicht.

CM: Ist das Album eher Werkschau oder Best-of?

LV: Beides ist letztlich nicht falsch. Die Stücke sind alle einen langen Weg gegangen. Aber eigentlich ist es einfach nur unser Debüt, für das wir halt elf Jahre gebraucht haben.

CM: Das Covermotiv erinnert an die Zeichnungen, die früher immer auf den Schneider-Jugendbüchern drauf waren - ist das Absicht?

LV: Natürlich. Die Verbindung von Schleyer und Hanni & Nanni ist auf den ersten Blick ja sehr einschmeichelnd. Aber das knirscht ja auch. Und ist in seiner Obszönität kaum auszuhalten. Kann man doch mal bringen.

CM: Warum findet ihr myspace doof (ich auch, vor allem wegen der hässlichen Optik, aber es interessiert mich doch sehr, wenn eine Band da nicht hin will!)

LV: Die Optik ist uns nicht so wichtig und ich finde den Kram an sich auch ganz gut, weil man Zugriff auf alles und jeden hat. Aber dieser Spirit, der darum erschaffen wurde … Diese Add-Kultur und diese Verzweiflung, die jedem Profil inne wohnt, finden wir so elend. Alle sind da mit ihrem Bauchladen. Und hoffen, dass sie jemand entdeckt, anerkennt beziehungsweise dass ihre Zahlen hoch gehen. Aber wofür? "Ich bin auch ein geiler Typ, bitte seht mich doch. Ich winke mit allem, was ich habe." Die tun mir alle so leid. Wir finden, dass wenn du es wirklich drauf hast, brauchst du keine so verwässerte Eigenwerbungsplattform wie die Gelben Seiten oder den Sperrmüll. Das ist doch kein Ausdruck von Punk, sondern von Bedürftigkeit.

CM: Manche Songs klingen ein bisschen so, als hätte Jens Friebe (noch) seine Finger drin - gibt es Stücke, die gemeinsam entstanden sind?

LV: Uli, der musikalische Mastermind von BKCY, hat sich von Jens immer mal Tipps oder Akkorde geben lassen. Und Jens war auch immer mal bei uns in Köln oder wir bei ihm in Berlin. Meist haben wir haben dann aber Schnaps getrunken und Drogen genommen, konkret Musik im Musikmach-Sinn haben wir nie zusammen gemacht.

CM: Thomas Venkers Presseinfo erklärt für mich die RAF-Thematik auf "Alarm!.." noch nicht ganz schlüssig - kannst du das kompakter erklären?

LV: Ja. Wir finden es immer noch absolut adäquat, Deutschland zu verachten und sind weder mit der bürgerlichen noch mit der linken Aufarbeitung der RAF zufrieden.

CM: Wieviel ist ironisch gemeint und wieviel ist ernst?

LV: Ironie ist natürlich ein Vehikel für alles und jeden. Wir meinen vieles aber erschreckend ernst, gerade auch dahingehend, wie touchy man als Männer untereinander sein muss und wie erschütternd egal uns die Gefühle der Ponto-Familie sind. Privat sind wir auch mitunter sehr bitter. Irre, oder?

CM: Kann Pop & Politik als Kombination überhaupt gutgehen?

LV: Als Musikredakteur sehe ich natürlich, wo da der Status Quo ist und wo vor allem auch die Grenzen sind. Aber mir persönlich haben politische Posen und konkrete Forderungen in Pop immer was gebracht. Solche Platten sind wichtig gewesen. Dass man damit nicht den Staat zersetzt - geschenkt. Aber in der direkten Kommunikation mit dem Hörer kann das doch was wert sein. "Meat is murder" hat viele (sicher viele auch nur kurzzeitig) in Berührung mit fleischloser Ernährung gebracht. In all diesen Prediger-Nischen geht nämlich doch genau das, was man mit so einer absoluten Absage an Pop und Politik immer kaputt reden will. Wollen wir aber sicher nicht.

CM: Welcher Song drückt für am besten aus, was bkcy ist?

LV: Der Song von unserer zweiten Single "Ist gar nicht so einfach" (nicht auf dem Album/Anm. cm). Da geht es darum, Unzulänglichkeiten zu spüren und zu benennen. Solche, die andere vielleicht gar nicht mal kennen. Wir aber schon. Schwäche zeigen in Kunst ist die grösste und aufregendste Macht, die mir bekannt ist.

CM: Wen hättet ihr gern als Vorband?

LV: Einen Streichelzoo

CM: Und für wen würdet ihr gern eröffnen?

LV: Nevio

CM: Wie bekommst du all deine Jobs unter einen Hut?

LV: Durch Stress.