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Das ist immer die erste Frage. Also, wenn sie jetzt überhaupt nicht originell sein wollen, müssten Sie fragen: Alles wieder offen – was war denn vorher geschlossen? Wir wollen lieber nach vorne schauen und fragen: Ist das eine Losung für das Publikum oder die Band selbst? Die Antwort zerfällt in zwei Teile. Ich finde einmal ist es der klassische, richtige und elegante Weg, ein Album nach einem der Stücke zu benennen. Es bot sich in diesem Zusammenhang kein anderes Stück an, das als Titel hätte funktionieren können. Ich wollte das Album nicht Nagorny Karabach oder Ich warte nennen. Und Alles wieder offen lässt sich, ähnlich wie Ende Neu, durchaus auch programmatisch lesen, programmatisch für die Situation der Band. Dies ist die erste Platte in unserer ganzen 27jährigen Karriere, die wir tatsächlich selber als Plattenfirma herausbringen. Wir lehnen uns damit sehr weit aus dem Fenster. Für uns heißt das: Wir haben immer noch einen Plattenvertrag mit Mute Records, heutzutage EMI, die gerade von einer Investorengruppe übernommen wurden. Und die Spitze mit einem Investmentbanker, einem Real Estate-Menschen und einem Versicherungshändler ausgetauscht haben. Keiner von denen hat irgendeinen musikalischen Background. Da weiß man gleich, wo es hingeht. Aber wir haben ein Stillhalteabkommen mit Mute Records. Vertraglich sind wir immer noch verpflichtet, dort eine Platte zu machen. Die ist schon im Kasten, entwickelt und geplant. Und mit dieser Arbeitsweise haben wir jetzt zwei komplett verschiedene Alben abgeschlossen. Für uns ist damit die Situation: Jetzt ist alles wieder offen. Wir versuchen es jetzt einmal selber. Sonst würden wir uns hinterher, 2023 oder weiß ich wann, Vorwürfe machen: Hätten wir es doch wenigstens mal versucht. Wir versuchen es jetzt. Wenn das schief geht, dann war es das auch mit Neubauten. Dann ist für uns jegliche ökonomische Basis verloren gegangen, und wir sind nicht mehr in der Lage, weiterzuarbeiten. Tatsächlich ist es so: Zu jedem anderen Neubauten-Album kann ich groß erklären, was für großartige Materialien wir diesmal ausgegraben, was für Installationen wir gebaut haben, was für Instrumente diesmal der musikalischen Verwendung zugeführt wurden. Das kann ich hier nicht. Da das ganze Konzept, das dem Album zugrunde liegt, ein ökonomisches und produktionstechnisches ist. Es ist die dritte Phase in unserer neubauten.org-Subskriptionsgeschichte, das dritte Mal, dass wir auf diese Art und Weise arbeiten. Und es ist das erste Mal, dass wir das alles selber machen, es jetzt ganz durchziehen. Sozusagen die Independent hoch zwei-Nummer. Independent, bevor es zur musikalischen Richtung wurde. Damit beschreibt sich das Konzept des Albums. Der ganze Rest, wie diese Platte klingt, was ich da singe und so weiter, ist nicht geplant, hat kein Konzept in dem Sinne. Es ist einfach eine Sammlung von Stücken, die in diesem Zeitraum entstanden sind. Es gibt natürlich schon bestimmte Gründe, warum die genau so sind. Aber ich kann jetzt nicht sagen: Diesmal wollten wir diese oder jene Dimension im Kosmos ausloten. Was Alles wieder offen zugrunde liegt, ist sozusagen ein außermusikalisches Konzept. Diese EMI-Schubladenplatte, klingt die dann anders? Hätten die Stücke darauf auch Platz auf Alles wieder offen? Das kann ich nicht beurteilen. Unsere Plattenfirmen haben nie großartigen Einfluss auf die Musik selbst genommen. Wer so was erzählt, muss wirklich in ganz, ganz schlechten Verträgen drinstecken. Das wäre auch bei Einstürzende Neubauten vollkommen fehl am Platz. Wenn man einen Vertrag eingeht, dann weiß man ja doch wenigstens, in welche Richtung es geht, ohne nachträgliche Änderung. Tatsächlich gibt es dann aber doch so viele unkontrollierbare Kleinigkeiten und Unwägbarkeiten, die einem in diesem Zusammenhang wirklich das Leben schwer machen. Ich erinnere mich an Perpetuum Mobile. Da war allein die Tatsache, dass, wer genau hinguckte, auf dem Cover, in dem Instrument, dass wir da bespielen, eine halbe, durchgeschnittene Pepsiflasche erkennen konnte. Das geht nicht. Ich habe kein Problem damit, aber das kann man nicht. Wir mussten das dann pixellieren, wie einen Pornofilm. Ist doch albern. Darf ich keine Campbell-Suppendose von Andy Warhol mehr fotografieren? Muss ich die auch pixellieren? Ist doch unglaublich. Also, da gibt es viele, viele Limitationen, die einem nicht genehm sind. Eventuell doch ein Blick zurück: Was sagen Sie den Leuten im Publikum, die auf den kommenden Konzerten unbedingt Steh auf Berlin hören wollen? Das ist noch nie passiert. Steh auf Berlin war damals sozusagen ein populärer Witz. Neubautenintern und auf späteren Kompilationen hieß es Krieg in den Städten. Steh auf Berlin war in der Zeit von Häuserkampf und so weiter eine Anspielung auf Ideal, Ich steh auf Berlin. Und da machten wir Steh auf Berlin daraus. If there’s a good pun I can’t help it. Wenn es ein gutes Wortspiel ergibt, dann lass ich mich drauf ein, das kann ich nicht verhindern. Lassen Sie uns über Alles wieder offen reden. Zumindest als Ausgangspunkt. Machen wir. Nagorny Karabach - waren Sie da? Nee. This is the Nagorny Karabach of my mind. Es bot sich aus mehreren Richtungen an. Einmal: Wenn man eine Umfrage in unserer Fangemeinde machen würde, würde garantiert Armenia von 1983, 82 die Nummer Eins werden. Insofern hat die armenische Exklave innerhalb Aserbaidschans einen gewissen Neubauten-Bezug. Außerdem liebe ich armenische Musik, das unbesehen. Der Song selbst hat aber gar nichts mit Armenien zu tun. Ich lebe seit sieben Jahren nicht mehr in Berlin. Und es ist das erste Mal in meinem Leben, ich bin Westberliner, dass ich den Blick von außen auf die Stadt habe. Das ist es, was sich da niederschlägt, das ist Nagorny Karabach. Das Bild der Exklave in Berlin. Deshalb auch die Zeile: "Ob die andre Stadt mich lieb hat …?" Mein Übersetzer Matthew Partridge hat sofort gemerkt, dass mit der Zeile etwas nicht stimmt. Weil das natürlich Marlene Dietrich ist: "Jetzt gehe ich allein / durch eine fremde Stadt / und ich weiß nicht, / ob sie mich lieb hat." Er hat gleich gemerkt: Das ist nicht typisch Neubauten, das ist nicht Blixa. Der würde doch nie sagen: lieb haben. Wir waren auch überrascht und wollten nachfragen. Also, ich verrate so pro Interview nur ein Detail. Ich will ja nicht allen alles ganz genau erklären. Aber vorhin war ein Journalist da, der hat’s gewusst. Der hat sofort gesagt: Das ist doch Friedrich Hollaender. Das habe ich auch gedacht. Aber angeblich ist es gar nicht so. Jedenfalls hat mein Übersetzer dann recherchiert und meinte, es ist gar nicht von Hollaender. Jetzt weiß ich es noch weniger. Dieser clevere Mensch war wiederum der Meinung, es sei von Hollaender[I]. Jetzt bin ich auch wieder der Meinung, dass es von ihm stammt. Aber dieses alleine in einer großen Stadt, das ist ein bisschen der Blick von außerhalb auf Berlin, die Stadt, aus der ich komme, den ich so vorher nie wirklich hatte. Deshalb sage ich Nagorny Karabach of my mind, die Enklave in einem umschlossenen Anderen. Übrigens, das Stück ist komplett live aufgenommen. Das merkt man nicht, live spielen wir immer, aber das ist live vor Publikum entstanden. Hätten wir jetzt nicht gedacht … …es war ein erstaunlich diszipliniertes Publikum … …das auf den Text geachtet hat und sich gefragt hat: Wo kommt das her? Ich war nie in Nagorny Karabach und weiß nicht, ob es da Pflaumenbäume mit Raben gibt. Für die erste Zeile fange ich ja meistens mit einer Keimzelle an, und die ist hier tatsächlich das Wort Nagorny Karabach. Wegen des Gefühls, wie es über die Zunge kommt, wie Rimski-Korsakow. Und dann müssen sich nach und nach Zeilen festsetzen, kristallisieren, und das passiert im ständigen Wechselspiel mit der Entwicklung der Musik. Das erste, was sich dabei festsetzte, war "Ich steig den Berg herunter". Viel mehr hatte ich für die ersten Monate nicht. Eigentlich nur den Pseudochorus "In der Enklave meiner Wahl / in der ich mich verberg’ / in Nagorny Karabach", und "Ich steig den Berg herunter". Alleine die Tatsache, dass das auftauchte, hat einen B-Teil im Stück verursacht, der vorher nicht da war. Ich habe das Glück, mit einer Band zusammenzuarbeiten, die es mir ermöglicht, zu schreiben. Dass ich in der Lage bin, mit Musikern zu arbeiten, die es mir gestatten, in einer ständigen Parallelentwicklung, einem Dialog zwischen Musik und Text zu schreiben. Deswegen, weil ich immer singe, von Anfang an, meistens improvisiere, und am Ende dann die Ideen, die Fragmente und das alles verdichte. Wenn ich nicht diesen Mechanismus hätte, diese Band, die es mir gestattet, laut zu denken, dann würde ich nie ankommen. Ich kann mich nicht an einen Schreibtisch setzen und mir ein Stück denken. Das ist die große Ausnahme. Die Welt ist geschrieben. Dürfen die anderen in die Texte eingreifen? Ich bin für jeden Faktencheck, jeden grammatikalischen Check absolut offen. Ich kriege schon Kommentare zurück, dass es besser ist, "verberg’" als "versteck" zu sagen. Das kommt alles an, und ist auch alles in diesem Verdichtungsprozess vorhanden. Das bedeutet, wir haben zum Ende hin eine große Tafel: Jede Spalte ist ein Musiker, jede Zeile ein Stück. Und da steht, was noch zu tun ist. Alles, was erledigt ist, wird schwarz überklebt. Am Ende bleibt immer eine einzige Spalte übrig, das bin ich. Da steht dann Text, Vocals. Das kann ich dann auch erst mit dem Rücken zur Wand, wenn ich muss. Und dann erledige, vollstrecke ich eins nach dem anderen. Dann dauert es, diesmal noch mal den ganzen Monat Juli. Immer singen, singen, zurückgehen, Kritik einstecken, wieder singen, neu ausdrucken, editieren, singen, singen, singen. Dann weggehen. Engineer sucht aus, zurückkommen. Hören. Und dann habe ich `ne Weile darüber nachgedacht und gesagt: Das müssen wir umdrehen. Wieder neu singen. Dann mischen, nächste Nummer. Dieser Endprozess ist für mich Psychoanalyse. Das ist wirklich Disteln aus der Seele ziehen, aber sie dabei immer noch richtig umdrehen. Mit jedem Stück, das ich erledigt habe, insgesamt haben wir hier vierzehn oder fünfzehn, fällt mir wieder Ballast, fällt mir wieder ein Gewicht ab. Am Anfang, da möchte man mich nicht kennen. Nach zehn Stücken dann entwickelt sich eine gewisse Leichtigkeit: Ich bin über den Berg, wir haben eine Platte. Und dann kommt das nächste Stück. Super - und so weiter. Am Ende war ich erschöpft. Und glücklich. Um noch mal auf den Berg zurückzukommen. Einige der Stücke auf der neuen Platte haben religiöse Anklänge … …Platzhalter. Ich bediene mich freimütig im Metaphernschatz der Weltmythologien. Habe ich immer getan, diesmal vielleicht etwas mehr, etwas offener. In der Endphase habe ich einfach gesagt: Jetzt lasse ich alles zu. Ist mir egal, was irgend jemand denkt. Manchmal unterwerfe ich die textliche Arbeit einem gewissen Konzept, in dem Sinne, dass ich versuche, es in die erste Person Plural zu bringen, einem unsichtbaren Gegenüber treu zu bleiben. Das habe ich diesmal nicht gemacht. Habe mir gesagt, das kommt jetzt so raus, wie es raus kommen will. Wenn es Ich Ich Ich heißt, und es ist zu 80 Prozent Ich Ich Ich, dann ist es Ich Ich Ich. Vielleicht werde ich für Nagorny Karabach noch geohrfeigt werden, dachte ich mir, aber warten wir ab. Ich bin kein religiöser Mensch. Meine Frau ist Atheistin und bezeichnet mich als Agnostiker, obwohl ich nicht genau weiß, wie sie es meint. Auf jeden Fall bin ich überzeugter Zweifler. Trotzdem ist mir klar, wovon ich rede, wenn ich Religiöses zitiere, kenne ich die Zusammenhänge. Ich bin übrigens der Sohn eines Zimmermanns. Der seinen erstgeborenen Sohn Christian getauft hat, voll wissentlich. Die Wellen [daraus das Zitat, satt.org] ist eigentlich eine Art große Endszene im Theater, ähnlich einem Caspar David Friedrich-Bild. Man sieht den Helden von hinten, wie er am Ozean steht. Die Männer am Kreidefelsen …[II] …das einerseits. Es gibt ja noch den einzelnen, den mit dem Wanderstab[III]. Darauf ließe sich der ganze Text legen: "Was soll ich jetzt mit euch, ihr Wellen?" Wie er dann ganz langsam ins Meer hinein geht, die Brecher, die Wellen müssen kommen. "Bleibst Du jetzt hier, oder was?" Wenn man nun Caspar David Friedrich christliche Motivik unterstellen könnte, dann kann man sie mir hier auch unterstellen. Er hat ja die verfallenden Kirchen, das Kreuz auf dem Berg und vieles mehr. Aber sehr viel weiter würde ich nicht gehen. Ich finde, mein Kollege Nick Cave hat mehr über Religion und Christentum zu sagen als ich. Über ihren Ausstieg aus den Bad Seeds kursieren verschiedene Versionen. Ich habe vor vier Jahren geheiratet und hatte für zwanzig Jahre zwei Bands. Das ist ein ziemliches Arbeitspensum. Wahrscheinlich hätte ich meine Ehe gefährdet, hätte ich versucht, beide Projekte unter einen Hut zu kriegen. Auch von meiner Seite gibt es verschiedene Versionen, aber das ist eine. Mit Sicherheit aber gibt es kein Zerwürfnis zwischen mir und Nick. Wir hatten neulich Barbecue bei mir im Haus. Zurück zu neuen Platte. Neben den "klassischen" Neubauten-Instrumenten hören wir Hammondorgel, Vibraphon, Piano. Kann Tradition subversiv sein? Als wir angefangen haben, hatten wir keine Instrumente. Wir hatten ja keinen pekuniären Hintergrund. Nachdem wir dieses Subskriptionsmodell starteten, haben wir im Wedding einen Ort gemietet, den wir zu unserem Domizil, unserem Studio, unserem Proberaum umgebaut haben. Seit den Supporteralben Nr. 1 und 2 haben wir da drin gearbeitet. Das ist auch etwas Neues. In der Neubauten-Version 2 gab es nie einen Proberaum. Wir haben immer nur kurz vor der Tour alles bei Freunden aufgebaut und geübt. Wenn man jetzt aber einen Raum hat, dann kann man natürlich auch eine Hammondorgel kaufen. Wenn man keinen Raum hat, ist eine Hammondorgel ein sehr, sehr unpraktisches Instrument. Das war tatsächlich das erste, was wir taten, als wir den Raum hatten. Ich sagte mir, jetzt kaufe ich die altmodischsten und schwer hantierbarsten Instrumente überhaupt. Nämlich ein Vibraphon, eine Hammondorgel und ein Fender Rhodes Piano. Inzwischen habe ich auch noch einen Flügel hineingestellt. Das ist wie eine Familie gründen, dafür braucht man erst mal ein Haus. Wir sind auch nie so rangegangen, dass wir uns gesagt hätten, es gibt Dinge, die wir nicht benutzen dürfen. Es ist richtig festzustellen, dass dieses Album auf Neubauten-typischem Territorium entstanden ist. Es gibt keine neuen Instrumente, nichts, was wir uns da neu ausgedacht haben. Es ist alles das für Neubauten relativ herkömmliche Instrumentarium, das wir seit langem mit uns herumschleppen. Deswegen gibt es da vielleicht eine gewisse Homogenität, und vielleicht auch eine gewisse Raffinesse. Weil das die Dinge sind, die wir kennen, bei denen wir wissen, wie wir mit ihnen umgehen müssen, wie man aus ihnen herauskitzelt, was man haben will. Ich verrate mal einen ganz einfachen Trick, wenn Sie in die Gelegenheit kommen, selber Interviews geben zu müssen: Erzähl’ immer nur das, was du erzählen willst. Ganz egal, was die Frage ist. Deswegen haue ich manchmal die Leute aus ihrem Konzept. Weil ich bei einem Thema alles mögliche beantworte, was sie später fragen wollen oder gar nicht fragen wollten. Die Frage ist nur Überleitung. Bisschen überleiten, und dann fange ich an, zu erzählen. So isses. Eigentlich eine traumhafte Konstellation … …das kommt dann in meinem Handbuch zum Interviewgeben, für junge, angehende Prominente. 2008 im Ratgeber-Verlag. Wir wollten noch nach Let’s do it a Dada fragen. Das ist ein interessantes Thema für ein Online-Feuilleton. Lassen Sie uns mit dem Teil anfangen, der online auch am interessantesten ist. Wenn Sie unter Dada nachschauen, bei Wikipedia oder sonst irgendwas, werden Sie immer wieder mit der Legende konfrontiert, dass Dada beim zufälligen Aufschlagen eines Wörterbuchs entstanden, ein Eintrag wäre wie Dada: Stammeln eines Kindes. Glauben Sie das? Können Sie sich ein Wörterbuch vorstellen, in dem das tatsächlich steht? Es hat diesen Eintrag nie gegeben. Und vor ein paar Jahren ging eine Meldung durch die natürlich einschlägige Presse, aber ich glaube, mich zu erinnern, es in der taz gelesen zu haben, da war das Faksimile abgedruckt[IV]. Dada heißt etwas ganz anderes. Das interessante ist: Wir sitzen jetzt 2007 hier – es hat sich an der Legende, am Mythos Dada gleich Steckenpferd, gleich Stammeln eines Kindes nichts geändert. Die Wahrheit ist einfach wieder verschütt gegangen und die Legende hat sie überwuchert. Deswegen dachte ich, ich setze mal ein Stück in die Welt, in dem ich sage: "Just you and me my darling / We know what it really means / Let’s do it, let’s do it, let’s do it a Dada!" Sie können gerne Frau Professor Hanne Bergius, Das Lachen Dadas, in Halle anrufen. Sie weiß es auch, sie hat die Meldung auch gelesen. Ich erwarte eigentlich, dass sie jetzt mit Telefonanrufen bombardiert wird, weil ich das jedem Journalisten erzähle. Ich möchte sehen, ob man mit einem Stück wie diesem ein Gegengewicht darstellen und diese Annahme revidieren kann. Den Rest des Stücks aufzufüllen, das hatte einmal mehr mit Berlin zu tun, war Faktencheck. Ich erwarte von jedem gebildeten jungen Menschen der westlichen Welt, dass er irgendwann mal Dada super fand. Das ist bei mir auch nicht anders gewesen. Aber der Witz liegt tatsächlich darin, dass das Stück eine Zeitbombe ist. Mal gucken, ob es geht, ob ich genug Kraft entwickeln kann, dass dieser Herkunftsmythos hinterfragt, diese Meldung von vor Jahren ausgegraben wird. Vielleicht ist sie auch noch im Netz zu finden. Wir schauen nach. Vielleicht habe ich das aber auch gefälscht, kann sein. Ist trotzdem eine gute Geschichte. Der Song ist auch klasse. Wer will, kann sogar danach tanzen. Aber dafür ist er musikalisch recht raffiniert, weil er andauernd zwischen Dur und Moll wechselt. Ich find’ das raffiniert. Gibt’s ja gar nicht mehr. Noch wat? Tatsächlich noch eine rückwärtsgewandte Frage: 27 Jahre Neubauten, und immer noch sieht man junge Punks mit dem Neubauten-Zeichen rumlaufen. Das Avantgarde-Symbol – befreit das oder engt es ein? Ach, gewisse Erwartungen schränken natürlich immer ein. Aber wir sind schon eine ganze Weile unterwegs in diesem Business, auch unterwegs, um Erwartungen zu enttäuschen. Ich sehe mich, sehe die Band immer noch als Unterhaltungskünstler. Wenn ich irgend etwas nie wollte, dann ist es langweilen. Und die größte Langeweile für mich ist Provokation. Blixa Bargeld, herzlichen Dank für das Gespräch. [I] In Programmen und Plattentexten steht zu Wenn ich mir was wünschen dürfte: Text und Musik: Friedrich Hollaender. |
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