Die Türen haben den Soul entdeckt – und zwar Bluessoul, Swingsoul, Bigbandsoul, Rocksoul, Funksoul, Discosoul, Lindenbergsoul und viele Varianten mehr. Das neue Album „Popo“ ist ein enormer Schritt nach vorn, oder besser, überall hin für die Türen, die von vielen Menschen wegen der beiden ersten Alben „Das Herz war Nihilismus“ und „Unterwegs mit Mother Earth“ für eine pointenabfeuernde Spaßkapelle gehalten wurden. Spaß haben und machen die zum Quintett angewachsenen Türen (neu dabei: Ex-Blumfeld-Keyboarder Michael Mühlhaus und Markus Spin am Schlagzeug) natürlich immer noch, neu sind der satte, fette Sound, der, wie schon erwähnt, dem Soul in all seinen Spielarten frönt, und die Texte, die den Türen-bewährten Sloganstatus weit hinter sich lassen. Auf „POPO“ geht es um Arbeit, beziehungsweise darum, keine mehr zu haben (“Pause machen geht nicht“, „Ehrliche Arbeit“), das Leben als Erwachsener, oder was man dafür hält (“Die Welt wird mich von meiner spiessigsten Seite kennen lernen“), Geld (“Everybody's Darlehen“), Unentschlossenheit (“Im Norden ist der Süden am Schönsten“) und – natürlich auch – Ausgehen (“Tanz den Tanz“).
Hier ein per E-Mail geführtes Interview mit Maurice Summen, Ramin Bijan und Gunther Osburg, die sich am Schluss beschweren, dass es zu kurz geraten sei … lest selbst:
CM: Wenn man die Begriffe "Türen" und "Popo" zusammen googelt, stösst man bald auf Gymnastik-Turnübungsseiten oder halbseidene Herrenwitz-Seiten …
Gunther: Wenn man „Fenster“ und „Hintern“ googlet, dann stösst man schnell auf Hausfrauenseite.de mit der Ueberschrift „Ihr Hintern war ihr Schicksal“.
Ramin: Von dem Glauben an die Steuerungsfähigkeit des „Aussen-durch-Innen“ haben wir uns schon lange verabschiedet. Das Ruder tanzt mit sich selber Boggie. Ich denke POPO fand in seiner ersten Aussprache unter touretteschen Bedingungen statt. Als unkontrolliertes Ueberschwappen von Worten und die Gruppe ist der Aufnehmer.
Maurice: Es ist doch völlig absurd, das Wort „Türen“ mit einer „Popo“-Verknüpfung zu googlen. Wer macht denn so was? Menschen unter touretteschen Bedingungen? Lasst uns doch mal googeln.
CM: Linus Volkmann schreibt in seiner Intro-Rezension, dass Eure Platte für diejenigen ist, die sich die glammige Tocotronic-Haltung "sag alles ab" nicht leisten können (wegen Textzeilen wie "Pause machen ist nicht / sonst bist du arbeitslos und pleite"). Seht Ihr das auch so?
Maurice: Uns geht es einfach schlechter als den Tocos. Also rein finanziell gesehen.
Ich finde den Dandy-Ansatz der Herren Lowtzow und Co. vollkommen nachvollziehbar, aber mit einem Leben in Armut hat ihr Album „Kapitulation“ meiner Meinung nach nicht viel zu tun. Da geht es ja eher um „Scheitern als Chance“. Arbeitslosigkeit hat ja erstmal nichts mit Scheitern zu tun.
Gunther: Das ist der Unterschied zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit: Die einen können halt alles ab- und die anderen müssen alles zusagen.
Ramin: Zwischen jedem Call liegen 30 sec.
Maurice: Und ein Popsong dauert dreieinhalb Minuten.
CM: Woher kommt die Hinwendung zum Soul? Was transportiert Soul für Euch?
M: „Hinwendung zum Soul“ finde ich persönlich etwas zu sperrig formuliert. Ich bin mit Soulmusik aufgewachsen. Aber eben auch mit Hippierock, Punk, NewWave undsoweiter.
Es gibt auch Powerpop-Elemente auf „POPO“. Oder Stadion-Rock. Soul heisst ja ins Deutsche übersetzt schlicht und einfach: Gefühl. Sollten wir jetzt etwa sagen: Ja, wir haben viel Gefühl?!
G: Wer keine Seele hat, kommt auch nicht in den Himmel.
CM: Ueberhaupt: musikalisch bezieht Ihr Euch auf Soul, Old-School-Funk, Rhythm'n'Blues, Udo Lindenberg … alles etwas älter. Wollt Ihr ein bewusstes Gegengewicht zum "modischen" Elektro setzen?
G: Das hat nichts mit Gegengewicht zu tun. Es ist vielmehr das, was man macht, wenn man als Band zusammenspielt. Man könnte diese ganzen Einflüsse ja auch in ein hippes Gewand stecken und sagen: Das ist die deutsche Gerechtigkeit! Wir sind die super Checker! Wir bringen die geilsten Einflüsse der 60er, 70er, 80er und 90er im Sound von HEUTE!!!!!
M: Rhythm & Blues sind die Grosseltern der modernen Popmusik: Soul, Rock, Punk, Schlager, Beatles, Hip-Hop undsoweiter. Es geht ja eher um Wurzeln als um Tannenbäume. Es wird übrigens im Februar das Remix-Album „Booty“ geben. So viel zum Thema: Elektro-Verweigerung.
R: Die Form ist mir ziemlich egal ….klingt sowieso alles nach Gleichspace …
CM: Der Song "Eier" klingt für mich wie Suicide ohne Selbstmordgedanken - habt Ihr an diese Band dabei gedacht?
R: Nein - an Eier.
M: Das Gestöhne im Mittelteil ist schon eine Alan Vega-Hommage. Den Song finde ich persönlich eher The Monks-mässig. Nein, eigentlich ist es eine 100%ige Türen-Nummer.
G: Für mich ist das eine Mischung aus Klaus und Klaus und NEU!
CM: Trotz der Funkbretter, die Ihr ja schon früher (auf „Unterwegs mit Mother Earth“) geboten habt, hätte man Die Türen bis vor kurzem für eine primär-Gaudiband halten können (haben viele auch vielleicht). "POPO" erweckt diesen Eindruck gar nicht mehr …
R: Ja mit dem Album „POPO“ haben wir uns von der Gaudiband-Fraktion verabschiedet.
G: Wir könnten jetzt zu einem längeren Exkurs über Produktionsbedingungen ausholen, aber nur soviel: Es macht einen grossen Unterschied, ob man etwas an einem Computer komponiert oder in einem Proberaum.
CM: Es wird garantiert Superpunk-Vergleiche geben (wegen Soulmusic und der Texte) - ist das ok für Euch oder wollt Ihr Euch von anderen Bands distanzieren?
M: Ist uns schnuppe. Wem Vergleiche helfen, der soll vergleichen.
G: In der Biologie würde man vielleicht von Konvergenz sprechen.
R: Wie das wars schon?
M: Komm, wir gehen ins Internetcafe - einen ordentlichen Job suchen.
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