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Dezember 2007
Robert Mießner
für satt.org

Statistik ist für Statisten
Joe Lally "Nothing Is Underrated"

Joe Lally: Nothing Is Underrated

Quietschvergnügte Blender und Grinser werden an Joe Lally verzweifeln. Er hat hörbar kein Problem damit, als Protestkünstler bezeichnet zu werden. Lally verfügt über die entsprechende Stimmlage und bürstet seine Musik gerne gegen den Strich. Kein Wunder, er hat seit 1987 Bass bei Fugazi gespielt, jener New Yorker Band, die gerne herhalten musste, wo immer eine Demo zu beschallen war. Vielleicht öfter, als es ihnen genutzt hat. Fugazi waren eine ernsthafte Angelegenheit, ihre Musik dabei zum Glück kein machohafter Parolenpunk. Das Quartett teilte das Schicksal derer, die irgendwann nicht mehr dieselbe Platte endlos recyceln wollen: Sie irritierten innerhalb ihrer eigenen Szene. Das muss man nicht bedauern, im Grunde war es wohl gar Teil ihrer Intentionen. Punk und Hardcore können engstirniger und vernagelter sein, als sich vorstellen lässt. Das nun ist zu bedauern.

Joe Lally
Joe Lally (Foto: Antonia Tricarico)

Fugazi befinden sich seit mehreren Jahren in der Baby- und Projektepause. Auch Joe Lally ist mittlerweile Vater geworden. Wer nur mal so reinhören möchte, könnte bei seinem zweiten Soloalbum meinen, hier habe die Familiengründung die Weltsicht abgemildert. Nothing Is Underrated hebt mit Day Is Born noch recht kommod an, klingt erst mal nach dem fürchterlichen Etikett, das Fugazi gerne angeheftet wird, lässt an Alternative Rock denken. Wenn da nicht der Rhythmus, das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug wäre. So viel Jazz auf einer Indie-Veröffentlichung ist selten. Das Schöne ist: Er wird sogar noch mehr. Scavenger’s Garden dann explodiert regelrecht. Lally hat sich eine illustre Schar von Begleitern ins Studio eingeladen: Seine Fugazi-Kompagnons Guy Picciotto und Ian MacKaye wie Eddie Janny (Rites Of Spring) spielen flirrende, schnarrende und gelegentlich sägende Gitarren. MacKaye saß auch an den Reglern. Keyboarder Sam Krulewitsch bedient ansonsten bei Capillary Action die Tasten. Gleich vier Leute sitzen auf dem Schlagzeugthron: Ben Azzara (The Capitol City Dusters, DCIC), Andy Gale (Haram), Ricardo Lagomasino (Capillary Action) und Devin Ocampo (Medications). Nicht gleichzeitig, keine Sorge. Die Songs, die ihnen dabei geglückt sind, beginnen zumeist mit einsam-elegischen Bassfiguren, die dann von schon mal delikat-dissonanten Geräuschen akzentuiert werden. Diese Platte überfällt nicht von vorne, sie hakt sich langsam fest. Sie verlangt nach einem Luxusgut, sie will Zeit.

Es gibt Kritiker, die an Lallys Songs eine gewisse Pädagogenattitüde bemängeln. Ansichtssache, man kann den Mann, der jüngst mit Vic Chessnut auf Tour war, genauso gut auf sympathische Art altmodisch finden. So, wenn er auf Mistaken Identity zu dräuenden und unweltlichen Klängen betont, kein aus Statistik gespeistes Profil abgeben zu wollen. Das ist im übrigen der Punkt, an dem sich altmodisch von konservativ scheidet. Der Akt des Neinsagens kann ein sehr subtiler sein. Was seine Haltbarkeit ungeahnt verlängert.