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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Januar 2008
Christina Mohr
für satt.org

Sampler with attitudes

Einfach einen Sampler zusammenschustern kann ja jeder. Es gibt aber auch Sampler/Compilations, die etwas wollen, die ein Anliegen haben - besonders gut gelungen ist das bei "new trade order", "Tonangeberei", "Disco not Disco" und "Our Psychosomatic Love" ...


Spella präsentiert:
new trade order

Spella präsentiert: new trade order

Ein Sampler mit 14 Tracks, der nix kostet und dann auch noch geschmackssicheres Material aus den Häusern Monika Enterprise (Berlin) und Rubaiyat (Heidelberg) beinhaltet? Das allein ist schon super, aber hinter „New Trade Order“ mit Musik von Designer Imposter, Figurine, Monotekktoni, Chica and the Folder, The Student Body Presents, The Messerschmitt Twins, Gudrun Gut, Milenasong und Blaktroniks steckt mehr als Spass an der Freud':

Rubaiyat wollte in Zeiten des hemmungslosen und superkapitalistischen Musik-Sponsorings ein Zeichen gegen all die Jägermeister- und Red Bull-Contests setzen, die wenig Interesse an der Förderung musikalischer Newcomer zeigen, sondern in erster Linie für die eigene Marke werben. Mitstreiter wurden für das ambitionierte Projekt gesucht, das weniger moralisieren will, sondern die Zusammenarbeit "alternativer" oder Independent-Kulturschaffender unterstützen möchte.

Der Grundgedanke zu "New Trade Order" ist genre- und disziplinenübergreifend, Rubaiyat geht es um "alternative Wirtschaft mit Kultur innerhalb des Kapitalismus", deshalb vereint der Sampler nicht nur zwei verdiente Independent-Musiklabels. Ebenfalls mit an Bord sind die Modehersteller Fairwear aus Freiburg und Fairliebt. aus Hamburg, deren Klamotten nicht von Kleinkindern aus Bangladesh hergestellt werden. Fünfter im Bunde ist das Literaturmagazin Spella. Ab Januar 2008 ist die CD über den Vertrieb Grooveattack erhältlich, Plattenläden können sie dort bei ihrer Order ohne Extrakosten mitbestellen.

Ted Gaier hat in der Zeit und Spex flammende kapitalismuskritische Texte veröffentlicht, die laut Boogie Bubbles/Rubaiyat zwar nicht der Auslöser für die vorliegende CD waren, "aber hat uns aus dem Herzen gesprochen, als wir die CD vorbereitet haben. Er hat die gleichen Fragen aufgeworfen, die uns zu dem Projekt gebracht haben, wenn er vielleicht auch ganz andere Antworten und Erkenntnisse gefunden hat."

Boogie Bubbles berichtet weiter: „Bei einem Sonic Youth-Konzert in Frankfurt Anfang der neunziger Jahre (Vorband Babes in Toyland) hing über der Bühne ein Banner, "Prinz präsentiert". Für mich und meine Freunde war das neu und wir fragten uns, was dieses Banner bei einem Sonic Youth-Auftritt zu suchen hat - steht "Prinz" für Sonic Youth, stehen Sonic Youth für "Prinz"? Warum muss das überhaupt sein, sind hier nicht tausende zahlende Besucher? Das ist lange her, und seit dieser Zeit zogen immer merkwürdigere Sponsoring /Monsterfirmen-Kooperationen in die Musikwelt ein und der Widerspruch zwischen Inhalt, Aussagen in der Musik einerseits und der Politik der Kooperationsfirmen andererseits wurde immer grösser, die Einspruchsmöglichkeiten immer kleiner. Und jetzt gibt es fast keine Trennungen mehr zwischen Musik und Unternehmen, beziehungsweise ist es wirtschaftlich individuell viel signifikanter, wie man sich zu solchen Kooperationen verhält. Ich bin selber bei meiner Arbeit für andere befreundete und kooperierende Labels mit Sponsoring / Koops auch manchmal in Verbindung mit nicht so tollen Firmen und wüsste ehrlicherweise auch nicht, wie heutzutage es Labels und Musiker ganz ohne Firmen-Koop-Berührungen anstellen sollten, ihre Einkünfte zum Ueberleben mit Musik zu bestreiten, mal abgesehen von ein paar sehr erfreulichen Ausnahmen. Ich bin also selber und mit Rubaiyat nicht ohne Widersprüche und total "pc". Wir haben schon vor der Rubaiyat-Gründung überlegt, welche Wege es geben könnte, das Thema anzupacken und an Alternativen zu arbeiten. Speziell wegen der engen Verflechtungen zwischen Musik und ultra-ausbeuterisch-produzierter Mode, die mit "Businessdeals hinter den Kulissen" noch viel subtiler an die Konsumenten gebracht wird als beim "offenen Sponsoring", haben wir uns lange mit der Antisweatshop-Bewegung beschäftigt. So entstand das Vorhaben, mit alternativen Mode-Firmen zu kooperieren. Auf der Suche nach Firmen, die Fairtrade-Mode machen, die gut aussieht und nicht nur "fair" als Verkaufslabel benutzen, (wie z.B. eine sehr erfolgreiche Firma, die in den letzten Jahren berühmt geworden ist ... ) sind wir auf "Fairwear" aus Freiburg und "Fairliebt." aus Hamburg gestossen und haben diese kontaktet. Gudrun Gut hatte Lust, mit ihrem Label Monika-Enterprise mitzumachen, die gerade einen Koop-track mit Blaktroniks gemacht hatte, und sie hatte wiederum die Idee, das Literatur-Magazin Spella ins Boot zu holen ... so entstand „new trade order“. „new trade order“ ist keine Firma, sondern zunächst nur eine CD, ein gemeinsames Projekt der beteiligten Firmen - und ein symbolischer Beitrag für mehr "Indie-Kooperationen zum Ausgleich" gegen die endlose Zahl an Monsterfirmen-Koops .“


» rubaiyat.de
» spella.de
» fairwear.de
» fairliebt.com
» monika-enterprise.de



Tonangeberei.
Songs für jedes Alter ab 3
(Trikont)

Tonangeberei. Songs für jedes Alter ab 3

Wer (kleine) Kinder zu Hause hat, kennt das Problem: Kinder wollen singen und tanzen, aber nicht unbedingt zu John Coltrane oder Babyshambles. Was tun? Eine der „beliebten“ und millionenfach gekauften Kindermusik-CDs des selbst ernannten Kinderfreunds Ralf Zuckowski besorgen? Oma anrufen und fragen, wie die zweite Strophe von „Hänschen klein“ geht? Glotze an und hoffen, dass bei „Spongebob“ die Cramps als Hintergrundmusik laufen? Bernadette la Hengst, Mutter einer dreineinhalbjährigen Tochter, entschloss sich, zu handeln: sie stellte den famosen Sampler „Tonangeberei. Songs für jedes Alter ab 3“ zusammen – darauf sind bekannte Songs wie „Ich bin nackt“ von Stereo Total, „Regen“ von den Lassie Singers und Katzes „Wir machen Lärm“, aber auch neu aufgenommene Stücke von Knarf Rellöm With The Shi Sha Shellöm, Chicks on Speed & Ted Gaier, Rocko Schamoni (sehr cool: sein „HipHop Daddy“) und viele mehr. Hier erzählt Frau Hengst, wie es zur Tonangeberei kam:

CM: Gab es Bands/Künstler, die NICHT auf den Sampler wollten - wenn ja, wer und warum?

BLH: Nein, eigentlich wollten alle, die ich gefragt habe, dabei sein, bei ein paar hat es aus rechtlichen/finanziellen oder zeitlichen Gründen nicht geklappt. Ansonsten waren alle sehr aufgeschlossen, beziehungsweise habe ich nur die gefragt, bei denen mir schon vorher klar war, daß sie mitmachen würden.

CM: Was waren die Kriterien für die Aufnahme auf den Sampler?

BLH: Ich hatte Weihnachten 2006 für ein paar Kinder von Freunden eine CD zusammengestellt, mit unter anderem Trio, Andreas Dorau und so NDW-Zeug, aber auch einem alten Lied von Die Braut haut ins Auge (was wir damals für eine Sesamstraßen-Compilation aufgenommen hatten), und da wurde mir bewusst, daß es noch viel mehr Lieder von aktuellen Bands gibt und geben muss, die sowohl den Kindern als auch den Eltern gefallen müssten. Also habe ich mich hingesetzt und erstmal Lieder rausgesucht, die es schon gibt, um eine Kindercompilation zusammenzustellen. Dann hab' ich einige Freunde und Bekannte gefragt, von denen ich gerne ein Lied haben wollte, und so wurde ich innerhalb von kürzester Zeit vollgeballert mit mp3s von bereits veröffentlichten, aber auch unveröffentlichten Stücken. Sehr schön, so eine Internet- Musikkonversation! Eigentlich war die einzige Vorgabe, daß es sowohl mir als auch Ella (meiner dreieinhalbjährigen Tochter) gefallen muss.

CM: Das Lieblingslied Deiner Tochter:

BLH: Das schwankt zwischen "Ich bin nackt" von Stereo Total, "Ich bin kein Baby mehr" (von mir, allerdings auch, weil sie da selber mitgesungen hat) und "HipHop Daddy" von Rocko Schamoni. Na ja, eigentlich mag sie alle Lieder, wenn ein anderes Kind zu Besuch kommt, hören wir es immer und spielen Kinderdisco.

CM: Was hören Kinder heutzutage denn so? (Also die Kleinen, nicht die Teenies)

BLH: Es gibt halt viel Mist, das ist ja auch der Grund für mich, so eine Compilation zusammenzustellen. Im Fernsehen läuft sehr viel Disney-Scheiß mit schlimmer Musik, und dann gibt es einige Bands, die Musik für Kinder machen, das ist ein ziemlich professionalisiertes Musikgenre, wie ich mittlerweile festgestellt habe, und dort ist natürlich guter Humor und musikalischer Geschmack genauso dünn gesät wie im Rest der „Erwachsenen“- Musikwelt. Mich stört vor allem die Anbiederung an das, was man für kindgerecht hält, also, wenn zum Beispiel abgehalfterte Rocker so tun als wären sie lustige Clowns, das halte ich einfach nicht aus. Aber wenn's nichts anderes gibt, müssen die Kinder das ja gut finden.
Ich will Kinder nicht zum guten Geschmack umerziehen, aber ich möchte ihnen trotzdem etwas anbieten, was sie sonst in der mainstreamigen Welt nicht sehen und hören. Sesamstraße und die Sendung mit der Maus sind natürlich immer noch Klassiker, auch musikalisch teilweise unschlagbar. Und seit ein paar Monaten läuft bei uns zu Hause Ritter Rost, ein Musical mit sehr amüsanten Songs. Und dann hören Kinder natürlich auch dieselbe Musik, die ihre Eltern hören, woran ich ja mit „Tonangeberei“ anknüpfen wollte.

CM: Es gibt ja englischsprachige Vorläufer (zum Beispiel Songs for the Young at Heart) - kanntest du diese Platte und wolltest du ein deutschsprachiges Pendant machen?

BLH: Ja, ich kannte die Platte, aber meine Tochter hat sich bisher noch nicht so dafür interessiert, wahrscheinlich auch, weil es englisch ist. Aber die Herangehensweise ist eine ähnliche, Musiker, die selber Kinder haben, nehmen eine Platte auf, bei der sie sich nicht regressiv verstellen, sondern benutzen ihren musikalischen Stil, um ihn an Kinder heranzutragen. Soweit ich mich erinnere, ist es eine musikalisch erzählte Geschichte, es klingt wie aus einem Guss und ist alles extra dafür aufgenommen. Es gibt auch eine schöne Compilation mit dem Titel "Childish music", die bei Staubgold rausgekommen ist, auf der sind viele internationale MusikerInnen vertreten, meistens mit Instrumentalmusik, oft gespielt auf Spielzeuginstrumenten, mit Geräuschen, Badewannengeblubber und so was. Die mag ich auch sehr gerne, aber ich glaube, die CD funktioniert eher für kleinere Kinder. Meine Idee war, Songs zum Mitsingen mit Geschichten zu sammeln, mal zum Tanzen, mal verstörend absurd, mal tauchen Kinder auf, die singen oder sprechen, und wenn die Erwachsenen singen, tun sie nicht so, als wären sie 30 Jahre jünger, dennoch haben die Texte alle eine kindliche Haltung.

CM: "Früher" hatten Kinder-, Jugendlichen- und Erwachsenenmusik nichts miteinander zu tun. Ist das heute anders? Verschwimmen die Grenzen, bzw. gibt es keine Generation Gaps mehr?

BLH: Na ja, es liegt natürlich daran, daß die Generation der heutigen Eltern normalerweise nicht mehr nur Klassik oder Volksmusik hört (obwohl es das natürlich auch immer noch gibt). Der Grund für diese Compilation ist ja auch, daß diese Elterngeneration (ich einbegriffen) die eigene Lieblingsmusik an ihre Kinder weiter trägt und nicht einsieht, wieso man sich den ganzen Tag mit Benjamin Blümchen-Liedern oder Rolf Zuckowski und seinen Freunden rumärgern soll. Aber auch „früher“ in den 60ern und 70ern gab es ja Alternativen zu den herkömmlichen Kinderliedern, zum Beispiel die ganzen Gripstheatersachen sind aus der antiautoritären Bewegung heraus entstanden, in den Texten wurde die Welt politisch hinterfragt, die Geschlechterrollen, die Familienkonstruktionen, etc. Auch musikalisch war das der Zeit angemessen, aber irgendwann wurde diese Haltung dann anscheinend uncool und verschwand.
Ich selber hatte leider keine Hippieeltern, dafür gab es die Sesamstraße und Pippi Langstrumpf, was ja auch nicht das Schlechteste ist, aber musikalisch musste ich als Jugendliche alles selber kennenlernen und erforschen. Das stelle ich mir für die heutigen Jugendlichen von Eltern mit einem exquisiten Musikgeschmack und einem übergreifenden kulturellen Interesse schwierig vor. Wie soll man sich da abgrenzen und seinen eigenen Stil finden? Auf der anderen Seite rast die Zeit so wahnsinnig schnell, daß ich mir gar nicht vorstellen kann, welche Musik wir und unsere Kinder in zehn Jahren hören werden, außerdem bin ich als Musikerin ja auch ein verschwindend kleiner Anteil vom Rest der Bevölkerung, deren kulturelles Interesse eher gering ist, wie mir scheint.

CM: Schickst du Rolf Zuckowski ein Exemplar der "Tonangeberei"?

BLH: Ach, ich möchte mich gar nicht so in dieser professionellen Kindermusikwelt aufhalten oder austauschen. Ich mag nicht, was er macht, aber ich muss es ja auch nicht mögen, und solange es zu solchen Songs noch Alternativen gibt, mit denen Kinder an Musik herangeführt werden, mache ich mir um die musikalische Zukunft unserer Kinder nicht so viel Sorgen. Es ist ein bisschen so wie mit den Prinzessinnenkleidern, die Mädchen ab drei und ihre Eltern so in den Wahnsin treiben. Solange noch andere Alternativen angeboten und genutzt werden, also zum Beispiel im Schlamm zelten, Bücher lesen oder ein Regal zusammen bauen, kann der Prinzessinnenkult nicht so schlimm sein. Anders gesagt, ich hoffe, daß „Tonangeberei“ sich so gut verkauft, daß wir nächstes Jahr den zweiten Teil herausbringen können, damit ist doch schon was gewonnen...


» www.trikont.de



Zwei weitere empfehlenswerte Sampler in aller Kürze:

Disco not Disco. Post Punk, Electro & Leftfield Disco Classics 1974 – 1986

Disco not Disco.
Post Punk, Electro & Leftfield
Disco Classics 1974 – 1986
(Strut/!K7)

!K7 relauncht das renommierte UK-Label Strut, das von 1999 – 2003 für aussergewöhnliche Zusammenstellungen von Dancemusic-Samplern stand. Anfang 2008 wird Strut mit neuen Alben starten, erstes Erzeugnis ist der Sampler „Disco not Disco“, der mit zum 14 Teil geremixten Tracks lang verschollene Klänge wieder zutage fördert. Hört man Tracks wie James White & The Blacks „Contort Yourself“, Konks „Your Life“ oder „Los Ninos Del Parque“ - alle aus den späten Siebzigern und frühen Achtzigern – weiss man, in welchen Gärten The Rapture oder LCD Soundsystem plündern. Kuriositäten vom Yellow Magic Orchestra, Kazino, Isotope, Shriekback oder das grossartige „Mind Your Own Business“ von Delta 5 klingen auch heute noch, gute 25 Jahre nach ihren Erstveröffentlichungen so unverschämt slick und sharp, dass man sofort die Tanzfläche stürmen will.


Sweet Home Rec., Our Psychosomatic Love

Sweet Home Rec.,
Our Psychosomatic Love
(Sweet Home Records)

Das Label Sweet Home Records wohnt und arbeitet in Hohenstein-Ernstthal in Sachsen – das klingt wenig glammy, steht aber für ein ungemein sympathisches und engagiertes Programm: auf Sweet Home erscheinen Bombee +, Angel Aguirre, Black Sea, Calaveras, Playfellow und viele mehr, die auf der schick gestalteten Labelcompilation „Our Psychosomatic Love“ versammelt sind. Einige der Tracks sind exklusiv nur für den Sampler aufgenommen worden, so dass man hier gut und gerne von Raritäten, ach was sage ich, Goldschätzen reden kann.


» www.sweethomerecords.com
» www.poor-dog.com