The Notwist:
The Devil, You + Me
(CitySlang/Universal)
Endlich ist es da, das neue Album von The Notwist! Die Band mit dem liebevollen Beinamen „Wunder von Weilheim“, 1998 mit „Shrink“ viel versprechend von der tiefsten bayerischen Provinz aus durchgestartet, hatte 2002 mit ihrem Epoche machenden Werk „Neon Golden“ dafür gesorgt, dass deutscher Indie-Pop (soll man Indietronic oder New German Art Rock sagen?) auf die Höhe der Zeit gelangte und auch international Respekt erntete. Bands wie Lali Puna, das Tied & Tickled Trio oder das hauseigene Teilprojekt Console aus dem gleichen „Nest“ folgten nach und sorgten beim Label Hausmusik gemeinsam mit den Meistern des melancholischen Elektro-Songwritings für einen regelrechten Boom deutscher Independent-Musik.
Nach diesem Hype hat sich die Band für ihr neues Album sechs Jahre Zeit gelassen. Es war Platz für Nebenprojekte (u.a. Filmmusiken) und Eigenes (Sänger Micha Acher wurde Mr John Soda, Mecki Messerschmidt schied aus, Soundtüftler Console wandelt auf Solopfaden) und das geht in Ordnung. Schließlich musste nichts mehr neu erfunden werden, sondern viel mehr das musikalische Erfolgsrezept weiterentwickelt werden und das braucht Zeit. Und so erklingt schon mit dem ersten Track „Good Lies“ der vertraute Notwist-Sound in neuer Qualität: Ozeanische Weite und hämmernde Gitarren bilden das erweiterte Klangfundament der Songs – The Notwist klingen mehr noch als früher nach existenzieller Universalität, nach weiter Welt, ohne ihre typische intime Emotionalität zu verlieren. Das Lied könnte man als eine Art programmatisches Manifest des Notwist-Stils interepretieren: Ein Plädoyer für die tröstlichen Illusionen der Musik, der Kunst, der Träume: „Let’s just imitate the real untill we find a better one.“ (Und ich weiß nicht warum, aber plötzlich bekommt man schon bei diesem Lied Lust, die guten alten Art- und Krautrockplatten aus den Siebzigern rauszukramen und wieder mal auf ihre Gegenwartstauglichkeit durchzuhören – obwohl an den Notwist-Songs beileibe absolut nichts „retro“ klingt. Vielleicht ist es einfach die Liga, in der hier gespielt wird?)
The Notwist Foto: Jon Bergmann |
Wo auf „Neon Golden“ noch ein filigranes Streichquartett hier und da die Songs ergänzte, startet der zweite neue Track („Where in the world“) nun mit einem ganzen Symphonieorchester und erzeugt im Kontrast mit Achers wie stets halb flüsterndem Gesang eine herzschlagschöne, sehnsuchtsvolle Unruhe. Natürlich tauchen die elektronischen Rhythmus-Frickeleien ebenso wie die Folk- und Klassikanklänge wieder auf, aber dichter noch als früher, treibender. Das Schöne am Eklektizismus von The Notwist ist ja, das noch die unterschiedlichsten musikalischen Elemente im Dienste der Songidee mit schlafwandlerischer Sicherheit organisch ineinander fließen, als gehörten sie schon immer zusammen. Und spätestens beim dritten Lied („Gloomy“) geht endgültig die Notwist-Sonne auf und man begreift, dass niemand sich hier selbst neu erfinden will oder musste, sondern in aller Ruhe weiter gewachsen und gereift ist. Dennoch klingt hier nichts etabliert, saturiert und abgehangen, im Gegenteil, immer wieder bemächtigt sich die schon erwähnte hämmernde Unruhe der Songs („Alphabet“, „Sleep“, „Boneless“) und erzählt von einer Suche, die noch lange nicht zuende ist. Nicht alles auf diesem Album klingt neu, doch jeder Song klingt einzigartig, hervorragend, eindringlich, anrührend und bis ins letzte Detail liebevoll und very sophisticated komponiert und arrangiert. „The Devil, You + Me“ schafft es, zärtlich und gewaltig zugleich zu klingen; komplex und dennoch absolut lässig. Auf diesem Level spielt in Europa derzeit kaum eine Band.
Dass sich beim ersten Anhören zunächst kein Ohrwurm aus den elf Songs herausschält, erweist sich als Vorteil: So bekommt man Lust, sich alles öfter und genauer anzuhören und das lohnt sich, denn so entfaltet sich die Komplexität der mitunter fast zarten Songs in ganzer Schönheit. Der Titelsong „The Devil, You + Me“ klingt wie ein nachdenklich warmer Liebessong, ein tröstliches Nachhausekommen nach einer großen und anstrengenden Reise. Hier zeigt sich einmal mehr die Stärke des Nowtwist-Songwritings, denn obwohl ihr Markenzeichen die raffinierten und aufwändigen Sound-Arrangement sind, liegt darunter immer eine solide, melodiöse Liedstruktur – diese Songs würden auch nur mit Gitarre und Stimme vorgetragen funktionieren. Im Erzeugen von Stimmungen und Gefühlen mit musikalischen Mitteln jedoch sind The Notwist mit ihren Songs wahre Meister auf der Höhe der Zeit und - nicht nur, was die deutsche Szene angeht - eine erstaunliche und bewundernswerte Ausnahme. Wenn man ihre neue Platte hört, kann man schnell zu der Überzeugung gelangen, es hier mit postmodernen Klassikern zu tun zu haben. Will sagen: „The Devil, You + Me“ kann auch all jene überzeugen, die noch nicht von The Notwist begeistert sind. Prädikat: First class music, betörend gut.
» www.notwist.com
» myspace.com/thenotwistnow
» www.cityslang.com