Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




3. Juni 2008
Christina Mohr
für satt.org

Junisampler

Der Frühsommer ist im Anmarsch, es ist höchste Zeit, die Plattenkiste für Open-Air-Allnighter zu füllen! Hier ein paar Vorschläge: acht Sampler unterschiedlichster Couleur, zum Beispiel der dritte Ed Banger-Labelsampler, ein David-Bowie-Tributealbum, Italo Disco-Perlen, geremixter Soul und Jazz von Verve und und und...


Disco Italia: Essential Italo Disco Classics 1977 - 1985

Disco Italia: Essential Italo Disco Classics 1977 - 1985 (Strut/!K7)

Irgendwann ist jeder Stil, jeder Sound, jede Mode reif für ein Revival – oder bekommt, wie im Falle von Italo Disco, nach Jahren der Schmähung endlich die Chance zur Rehabilitation. Auch wenn Madonna in den achtziger Jahren stolz ein T-Shirt mit dem Slogan „Italians do it better“ spazierentrug: Italienischer Pop genoss trotz riesiger internationaler Erfolge nie einen wirklich guten Ruf. Wenn es um Italien als Popmusiknation ging, wurden meist seichte Hitparaden-Acts wie La Bionda, Ricchi e Poveri, Al Bano & Romina Power und natürlich Eros Ramazzotti genannt und mit herablassendem Lächeln bedacht. Mit Italo Disco verhält es sich ein wenig anders, auch wenn es der Wiederentdeckung durch Chicagoer und Detroiter DJs bedurfte, dass Italo-Tracks heute in den Clubs laufen, ohne dass es sich um Ü-30-Party handeln muß. Ab Mitte der siebziger Jahre veröffentlichten pfiffige Producer wie Claudio Simonetti, Giancarlo Meo, Peter Micioni und Tullio De Piscopo reihenweise perfekt arrangierte Discosingles, die nicht nur in Italien, sondern bald in ganz Europa für durchgetanzte Nächte sorgten. Charakteristisch für den Italo-Disco-Sound (siehe auch Euro Disco) war der unbekümmerte Einsatz jeglicher derzeit verfügbarer elektronischer Instrumente, vom Synthesizer über Keyboards, Drumcomputer und Himmel voller Plastikgeigen. Die Beats waren moderat, Gitarrensaiten wurden nur ganz kurz angerissen, die Bassläufe orientierten sich an amerikanischem Discofunk à la Chic und besonders gerne experimentierte man mit „spacigen“, sphärischen Klängen – immer zwischen Trash und Genialität changierend. Bis Mitte der Achtziger hatte Italien in puncto Dancemusic die Nase ganz weit vorn, unvergessen sind Hits wie „Self Control“ von Raf (von Laura Branigan gecovert), „Dolce Vita“ von Ryan Paris, Scotchs „Disco Band“, „Hypnotic Tango“ von MyMine undundund. Italo Disco tat Gutes und Schlimmes, beeinflußte Elektropopbands wie die Pet Shop Boys, Erasure und aktuell Hot Chip, aber auch Dieter Bohlen und Modern Talking. Das renommierte britische Label Strut widmet sich nach der Bergung von No Wave-Perlen („Disco No Disco“) nun dem zu Unrecht belächelten Genre Italo Disco und beschenkt uns mit einer fantastisch-durchgeknallten Auswahl von Italo-Tracks ab 1977. Kompiler Stevie Kotey, Mitglied des DJ-Teams Chicken Lips und Labelchef von Bear Entertainment hat ganze Arbeit geleistet: Auf „Disco Italia“ bekommt man keine sattsam bekannten Achtzigerknaller (siehe oben) serviert, sondern latinbeeinflusste Songs wie „Brazilian Boy“ von Kasso und „Flor de Coca“ von Number One Ensemble, den ekstatischen Prä-House-Track „Let Me Be Your Radio“ von der Red Dragon Band oder Ulkiges wie „Wojtyla Disco Dance (Parte 1) von Freddy The Flying Dutchman & The Sistina Band. Futuristisch-visionär klingt Kanos „Now Baby Now“ (1979), mit verzerrten Vocoderstimmen und kompliziertem Rhythmus hält hier Experimental-Jazz Einzug in die Italo Disco: nur angedeutet natürlich und mit typisch italienischem Augenzwinkern.


» strut-records.com/discoitalia/
» amazon



Cover

This Is DJs Choice Vol. I (Unique Records)

Wurde bei satt.org schon erwähnt, dass Soul die schönste Musik der Welt ist? Auf die Gefahr der Wiederholung möchten wir diese Aussage nochmals unterstreichen und auf das Album „This Is DJs Choice“ hinweisen, das anläßlich des 20jährigen Labeljubiläums von Unique Records erscheint. Die Schweizer DJs Soulinus & Pun, die die erste Ausgabe von „DJs Choice“ zusammengestellt haben, sind seit einigen Jahren zusammen unterwegs und haben schon mit Kraak & Smaak, Rob Birch (Stereo MCs), DJ Quantic und vielen anderen unvergessliche Soulnächte veranstaltet. Auf ihrer Compilation präsentieren sie dreizehn Tracks, die durch die übergreifende Klammer Soul vereint sind, aber auch Ausflüge in Richtung Jazz, Latin, Afro, Elektro und Funk wagen. Das fantastische Eddie Roberts Quartet wartet mit einer lebensfrohen Palmwein-Nummer auf („Lack of Afro“), Soulgrößen wie Flevans und Glen Anthony Henry feiern den Sound der Siebziger, lässiger Barjazz kommt von Deeno The Dusty Button („4 O'Clock in the Morning“), bei Radio Citizens „Last Exit“ verbinden sich Neo-Soul und smoothe, elektronische Loungeklänge. Dieser Track ist bisher unveröffentlicht, ebenso wie der kraftvolle, leidenschaftliche Song „You're Losing Me“ der Sweet Vandals aus Spanien, deren Debütalbum im vergangenen Jahr viele Lorbeeren einheimste. Klasse Album, das sehr viel Lust auf DJ-Sets von Soulinus & Pun und weitere „DJs Choice“-Compilations macht.


»
» myspace.com/soulinus
» myspace.com/djpunone
» amazon



Weitere Sampler in aller Kürze:

Cover

Life Beyond Mars – Bowie Covered (!K7/rapster)

Nach dem Prince-Tributesampler „Controversy“ erfreut uns das Label rapster nun mit einem David-Bowie-Coveralbum. „Life Beyond Mars“ versammelt so unterschiedliche Künstler und Bands wie Au Revoir Simone, Kelley Polar, Joakim und Carl Craig und verhilft zu zweierlei Einsichten: erstens sind Bowies Kompositionen so elegant und zeitlos, dass man sie mit Fug und Recht als „klassisch“ bezeichnen kann; zweitens tut besonders den älteren Bowie-Tracks mit ihren Siebzigerjahre-Arrangements das Entstauben und Aufpeppen richtig gut. Meine Lieblingscover sind Matthew Dears spröde Version von „Sound & Vision“ (so reduziert, dass ich mich zum ersten Mal auf die Lyrics konzentrieren konnte) und Susuma Yokotas quirlige Interpretation von „Golden Years“. Die rapster-Reihe zeigt erneut, dass Cover- und Tributealben sehr gut funktionieren können, wenn man die richtigen Leute zusammenbringt.


» amazon



Cover

Various, The In-Kraut Vol. 3. Hip Shaking Grooves Made in Germany 1967 - 1974 (Marina Records)

Wer bestimmt, wer zur In-Crowd gehört? Meist irgendein Türsteher, neudeutsch Selektor genannt. Marina Records aus Hamburg haben den inzwischen dritten Teil ihrer In-Kraut-Reihe selektiert beziehungsweise kompiliert und erstaunliche Fundstücke zutage gefördert. Die 20 Tracks zwischen Big-Band-Sound, Easy Listening und niedlich durchgedrehte Psychedelik-Experimente zeichnen ein knallig buntes Bild vom Deutschland der Swinging Sixties, das musikalisch doch einiges mehr zu bieten hatte als Schlager von Roy Black und Chris Howland. Filmkomponist Peter Thomas ist dabei, Ambros Seelos und Katja Ebstein (!) mit einer Coverversion von „A Hard Day's Night“ (!!). Überhaupt Cover: In den Sechzigern und Siebzigern waren „Interpretationen“ internationaler Hits groß in Mode. In-Kraut 3 präsentiert außer den oben genannten die spätere Rocksängerin Inga (Rumpf) mit „The Beat Goes On“, und „Fever“ in der Version von Certain Lions & Tigers.


» www.marinarecords.com
» amazon



Cover

Ed Rec Vol. III (Ed Banger)

Das Pariser Label Ed Banger hat sich binnen kurzer Zeit im Elektroclash- und Techhousebereich unverzichtbar gemacht – Busy P. (alias Pedro Winter), Manager von Daft Punk und Justice, gründete Ed Banger vor fünf Jahren und brettert der Welt seitdem in schöner Regelmäßigkeit Dancefloorbreaker von Acts wie Mr Oizo, Sebastian, Mr. Flash und anderen um die Ohren. Der mittlerweile dritte Banger-Labelsampler präsentiert anstrengenden Mackerrock und durchgedreht-hysterischen Electroclash, im Kontrast dazu regelrecht lieblich klingende, smarte Discopoptracks von Uffie („Robot Oeuf“) und DJ Mehdi („Pocket Piano“). Wichtigste Botschaft von Ed Banger: nicht alles so ernst nehmen und den Hintern auf die Tanzfläche schwingen!


» www.edbangerrecords.com
» amazon



Cover

Verve Remixed 4 (Verve/Universalt)

Kontrastprogramm: das renommierte Jazzlabel Verve hat mal wieder seine Archive geöffnet, damit zeitgenössische Musiker und Remixer klassische Soul-, Rhythm'n'Blues- und Jazzsongs von Ella Fitzgerald, James Brown, Anita O`Day, Roy Ayers, Nina Simone und anderen der elektronischen Modernisierung unterziehen können. Die ersten drei Verve Remixed-Compilations waren große Verkaufserfolge und es gibt keinen Grund, weshalb der vierte Teil nicht auch hunderttausende Fans begeistern sollte: Das Cinematic Orchestra faßt Ellas „I Get A Kick Out Of You“ mit sanften Samthandschuhen an, Kenny Dope verleiht des Godfathers' „There Was A Time“ noch mehr Drive und Psapp widmen sich mit Begeisterung den Bossa-Klängen von Astrud Gilbertos „Bim Bom“. Man merkt den jungen Mixern die Hochachtung vor den großen Namen an, die Zurschaustellung eigener Remix-Skills bleibt im Hintergrund, Songs und Stimmen der Interpreten stehen definitiv im Mittelpunkt. Behutsame und rundum gelungene Aufpolierung klassischer Standards – keine schnöde Kaffeebarbeschallung.


» www.vervemusicgroup.com
» amazon



Cover

Echokammer Werkschau (Echokammer)

Echokammer aus München ist das Zuhause von Electronicat, Dis*ka, den Moulinettes, Les Dickinsons , Hans Platzgumer und Blacken the Black. Mittlerweile ist genügend Material vorhanden, um die 22-Track-Compilation Echokammer Werkschau unters Volk zu bringen: Queen of Japan bringen uns eine sehr ulkige Folk-Dancehall-Synthie-Coverversion von „Holidays in the Sun“, Jason Arigato covert Bowies „Heroes“ (schon wieder Bowie! siehe oben...), Mosh Mosh suchen „So many men“ und es gibt ein Wiederhören mit dem „Gringo“ der Moulinettes.


» www.echokammer.de
» amazon



One Year & A Day - A Sound Exposure Vol.2

One Year & A Day - A Sound Exposure Vol.2 (Equinox)

Nach dem Minialbum „One Year & A Day – The 5Inch-Files“ entschloss sich DJ Scientist, sein Label Equinox etwas größer und umfassender zu präsentieren: Der Labelsampler „One Year & A Day – A Sound Exposure“ präsentiert 14 Tracks von Acts wie The Peddlers, Geste, Deadpan Darling und Scientist selbst. Equinox sprengt alle Grenzen, Elektronik fungiert hier nicht als beengender Genrebegriff, sondern als Sammelbecken für Experimente in Dub, HipHop, Folk, Psychedelik und Singer/Songwriter-Sounds. Höchst anspruchsvoll, nicht leicht verdaulich: it frees your mind!


» www.e-q-x.net
» amazon