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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




8. September 2008
Thomas Backs
und Christina Mohr
für satt.org

Short Cuts-Logo
September 2008, erster Teil:


 
Dirty Pretty Things:
Romance at Short Notice

Vertigo/ Universal
» dirtyprettythingsband.com
» myspace


Dirty Pretty Things: Romance at Short Notice

„What became of the likely lads?“ Bei Carl Barat fällt die Antwort leicht. Wer sein musikalisches Wirken seit dem Ende der Libertines verfolgt hat, kann den Kopf der Dirty Pretty Things vor allem für seine Willensstärke bewundern. Zwei Jahre nach dem Debüt „Waterloo to Anywhere“, das spontan entstand und mit rockigen Ohrwürmern wie „Deadwood“ und „Doctors and Dealers“ positiv überraschte, liegt nun mit „Romance at Short Notice“ ein Nachfolger vor, für den sich die Band mehr Zeit ließ und sich nach Los Angeles in die Studios von Nik Leman zurück gezogen hat. Musikalische Weiterentwicklung wird zwar versprochen, ist aber nur ansatzweise zu erkennen. „Romance at Short Notice“ hat letztlich das gleiche Problem wie sein Vorgänger: Mit der Single „Tired of England“, die eine Hymne auf das Leben in Barats Heimat ist („The lonely nights up town/ don`t let them bring you down“), dem Opener „Buzzards & Crows“ oder den eher ruhigen „Plastik Hearts“ (mit La-La-La-Refrain) und „This is where the truth begins“ (so auch der ursprüngliche geplante Album-Titel) lässt Carl Barat durchschimmern, dass er als Songwriter einiges auf Lager hat, wenn er wie ein neuer Ray Davies oder Damon Albarn klingt. Als Gesamtwerk kann das Album aber wieder nicht überzeugen. Manches ist durchschnittlicher Pubrock (wie „Kicks of Consumption“ oder „Chinese Dogs“), ein Song wie „Hippy`s son“ mit herausgebrüllten Lyrics wie „I am a father`s son/ I kick your teeth in and run“ ist sogar eher nervig. Nacheinander gehört geben „Waterloo to Anywhere“ und „Romance at Short Notice“ Anlass zur Hoffnung: Wir dürfen gespannt sein auf Album Nummer drei. Wenn Barat die gesundheitlichen Probleme überwindet, die zuletzt in den britischen Medien vermeldet wurden.

Live sind die Dirty Pretty Things ein Tipp. Wenn Pete Doherty mit den Babyshambles in diesen Tagen auch in Deutschland eine Tour durch größere Hallen für den Dezember 2008 ankündigt, sei Libertines-Fans eher die nächste DPT-Tour durch kleine Clubs empfohlen, die es hoffentlich wieder geben wird. (Thomas Backs)


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  The Levellers: Letters from the Underground
The Levellers:
Letters from the Underground

Skycap/ Rough Trade
» thelevellers.co.uk
» onthefiddle.de
» myspace

The Levellers live 2008:
13. November: Musikzentrum, Hannover


The Levellers: Letters from the Underground

Die Grebos, die Crusties und die Goths: Es gab Zeiten, da waren die Levellers aus Brighton auch auf dem europäischen Festland die Band, für die sich Musikliebhaber aus vielen Lagern begeistern konnten. Kein Wunder, auf endlosen Tourneen gehörten sie mit ihrer Mischung aus Folk, Punk und Rock und Alben wie „A weapon called the world“ (1990) oder „Levelling the land“ (1991) für viele zu den Highlights der Festivalsaison. Klar, heute haben The Levellers im deutschsprachigen Raum nicht mehr die Rolle der frühen 90er Jahre, auf den britischen Inseln ist die Fangemeinde aber nach wie vor groß. Mit „Letters from the Underground“ gibt es pünktlich zum 20-jährigen Bandjubiläum nach dreieinhalb Jahren wieder ein neues Studioalbum, auf dem der typische Folkpunk mit Fiddle, Banjo und Mandoline zu hören ist, der The Levellers bekannt gemacht hat. Musikalisch klingt das Ganze wie der klassische Sound ihrer Anfangstage, die politischen und gesellschaftskritischen Lyrics von Mark Chadwick und Simon Friend werden die Fans erfreuen. Darfur („The Cholera Well“), Videoüberwachung durch CCTV („Heart of the Country“) und Schulmassaker in den USA („Burn America Burn“) gehören zu den Themen der Songs. Stephen Boakes ist mit seinem Didgeridoo vor allem live ein Erlebnis. Auf „Letters from the Underground“ ist sein Instrument nur im Intro der Single „Before the end“ zu hören, die ab dem 15. September erhältlich sein wird. Der melodische Track über zwei gebrochene Herzen mit dem eingängigen Refrain „Just one kiss to build a dream upon“ könnte auch bei der nächsten Deutschland-Tour zu den Highlights gehören. Die ist für Anfang 2009 angekündigt. (Thomas Backs)


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  Michael Jackson: King of Pop. German Edition
Michael Jackson:
King of Pop. German Edition

2 CDs, SonyBMG
» michaeljackson.de


Michael Jackson: King of Pop

Wegen der Feierlichkeiten rund um Madonnas 50. Geburtstag ging beinahe unter, dass auch Michael Jackson im August ein halbes Jahrhundert alt geworden ist. Da der “King of Pop” in den vergangenen Jahren hauptsächlich wegen unschöner Gerichtsverhandlungen und fortschreitender Selbstverstümmelung in den Medien zu finden war und nicht wegen neuer Plattenaufnahmen, nimmt es nicht wunder, dass sein Geburtstag für weniger Aufruhr und Excitement sorgte als Madonnas Jubelfeier – andere Stars wie Prince, Paul Weller, Jello Biafra wurden im Übrigen auch 1958 geboren und machten davon kaum Aufhebens. Egal. Jackos Label SonyBMG hatte die wenig originelle, aber nachvollziehbare Idee, anläßlich des runden Geburtstags des früheren Goldesels ein Greatest-Hits-Album herauszubringen. Der Clou: für die deutsche Ausgabe durften die Leser der Bild-Zeitung (of all papers...) abstimmen, welche Songs auf die beiden CDs gepreßt werden sollten. Das Ergebnis ist – nun ja – erwartbar und wäre wahrscheinlich auch ohne Beteiligung von Bild ähnlich ausgefallen: “Billie Jean” eröffnet den 30-Titel-Reigen, mit “Rock With You” hört's auf. Dazu gibt es den “Thriller Megamix” von Jason Nevin, tatsächlich eine unveröffentlichte Aufnahme (“Got the Hots”) und Bonusmaterial in Form von “exklusiven News”. Mit einer neuen Platte von Michael Jackson ist in diesem Jahrhundert wohl kaum mehr zu rechnen, bleibt also nur, sein “Vermächtnis” zu goutieren.


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  Monkey: Journey to the West
Monkey:
Journey to the West

XL Recordings/Beggars Group
» gorillaz.com


Monkey: Journey to the West

Ex-Blur-Sänger Damon Albarn und Jamie Hewlett, Masterminds der Gorillaz, sind wirklich mutig: ihr neues Projekt Monkey ist – eine Oper. 2005 reisten Albarn und Hewlett nach China und trafen dort den renommierten Regisseur Chen Shi-Zeng, der sie in die Geheimnisse “Monkey”-Saga einweihte. Das Epos um einen Affen, der sich auf eine Reise begibt, vielen Versuchungen erliegt und von den Göttern wieder auf den Pfad des richtigen Lebens zurückgeführt wird, hat in China ungefähr die gleiche Bedeutung wie hierzulande Grimm's Märchen. Jedes chinesische Kind kennt die Geschichte, die als Zeichentrickserie auch im europäischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Albarn und Hewlett hatten als Kinder die “Monkey”-Serie ebenfalls gesehen und waren von den tiefgehenden Erklärungen Shi-Zengs mehr als beeindruckt. Die beiden begannen, sich mit chinesischer Literatur, Mandarintexten und vor allem mit der klassischen Musik Chinas zu beschäftigen. Bald stand der Entschluß fest, “Monkey” als Bühnenwerk zu realisieren: “Journey to the West” wurde im Juni 2007 beim Manchester International Festival aufgeführt und soll bald auf große Welttournee gehen. “Journey to the West” ist kein Popalbum im üblichen Sinne, sondern ein ambitionierter Beitrag zum interkulturellen Austausch.


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  The Faint: Fasciinatiion
The Faint:
Fasciinatiion

blank.wav / Cooperative


The Faint: Fasciinatiion

Ist “Fasciinatiion” das Album, das man nach vier Jahren Pause machen wollte? The Faint aus Omaha/Nebraska standen seit ihrem Debütalbum und vor allem seit “Wet From Birth” von 2004 für hochenergetischen, pulsierenden Disco-Wave, Livekonzerte der Band endeten meist mit der totalen Verausgabung aller Beteiligten. Sänger Todd Baechle (heißt jetzt Fink: er heiratete unlängst Orenda Fink von Azure Ray) gilt als beispielhaft charismatischer Bühnenzauberer. “Fasciinatiion” klingt ganz anders als das, was man von The Faint kannte – und enttäuscht leider. Dass sich eine Band ab und zu häuten, neu erfinden muss, ist klar. Schade ist nur, wenn die Neuerfindung auf Kosten des zwingenden, glamourösen Sounds geht, für den The Faint zu recht so geliebt wurden. Die zehn Tracks auf “Fasciinatiion” lassen sich mit etwas Mühe als Verbeugung vor Elektropopheroen wie Kraftwerk oder auch Depeche Mode begreifen, klingen aber meist seltsam billig und schlapp. Elektronische Beats spielen eine größere Rolle als früher, werden vorwiegend mit hochfrequenten Ein-Ton-Synthieakkorden kombiniert und hören sich an wie eine französische Euro-Disco-Truppe aus den späten achtziger Jahren. Die Lyrics spiegeln Todd Finks Beschäftigung mit philosophischen Strömungen wie dem Futurismus, skizzieren Zukunftsszenarien (“The Geeks Were Right”) oder sind aus der Sicht eines Kindes geschrieben (“A Battle Hymn for Children”). Hätte interessant werden können, wirkt aber unausgegoren und ziellos.


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  Herman Dune: Next Year in Zion
Herman Dune:
Next Year in Zion

CitySlang
» hermandune.com
» myspace


Herman Dune: Next Year in Zion

David-Ivar Herman Dune ist schon viel herumgekommen: geboren in Stockholm, aufgewachsen in Paris, viele Besuche beim Großvater in Washington, der dort als Diplomat beschäftigt war. David-Ivar begann schon im zarten Alter von elf Jahren, seine ersten Songs zu schreiben und hat sich eine gewisse kindlich-naive Herangehensweise bis heute bewahrt. Gemeinsam mit seinem “Bruder”, dem Perkussionisten Neman Herman Dune (die beiden tun gerne so, als seien sie verwandt, sind aber “nur” Freunde”) veröffentlicht er in regelmäßigen Abständen bezaubernd minimalistische DIY-Folk-Alben und gibt so viele Livekonzerte, dass man zuweilen denken könnte, die Herman Dunes seien geklont. Auf der neuen Platte “Next Year in Zion” huldigen Herman Dune wieder freundlich ihren großen Vorbildern Bob Dylan und Jonathan Richman, sowohl textlich als auch musikalisch. Wobei man gerechterweise anmerken muß, dass Herman Dune dem sonnig-philanthropischen Folkpopentwurf Richmans näher sind als dem granteligen Sozialskeptiker und Eigenbrötler Dylan. Die meisten Songs auf “Next Year in Zion” sind Liebeslieder: David-Ivar singt seiner (echten oder imaginären) Freundin Schlaf- und Mutmachlieder, so heißt es mal “don't you worry about a thing / try to think about me” oder – in “My Baby is afraid of sharks” - “My baby is afraid of thunder / but when I take her in my arms / my baby is not afraid of thunder anymore”. Schön zu wissen, dass es in all dem Chaos da draußen einen bärtigen Langhaarzausel namens David-Ivar Herman Dune gibt, der einen zudeckt, eine Tasse Tee ans Bett bringt und einen Gute-Nacht-Kuß auf die Stirn drückt. Alles wird gut mit Herman Dune, vielleicht schon nächstes Jahr in Zion.


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  The Little Ones: Morning Tide
The Little Ones:
Morning Tide

Heavenly / cooperative
» myspace


The Little Ones: Morning Tide

Wenn erwachsene Männer eine Band gründen und diese “The Little Ones” nennen, ist Skepsis angebracht: Niedlichkeitsalarm! Auch das verspielt-märchenhafte Cover des Albums “Morning Tide” läßt zunächst auf allzu starkes Kokettieren mit Kindlichkeit und Naivität schließen. Tatsächlich spielt das Quintett aus Los Angeles keinen Grindcore oder Hatemetal, sondern sonnendurchfluteten, positiven Folkpop in der Tradition der Beach Boys, Zombies und irgendwie auch der Beatles. Die elf Songs bestricken durch hinreißende Melodien so sehr, daß man an keiner Stelle meckern könnte, das sei aber alles ein bißchen zu schön und nett: The Little Ones bauen Kathedralen aus Surfgitarren und psychedelischen Orgeln, der Gesang (entweder Leadsänger und Gitarrist Edward Reyes allein oder im Gesamtkonzert mit seinen vier Kollegen) schraubt sich in jubilierende Höhen; die Kompositionen erinnern an die Hochzeit des britischen Pop in den frühen achtziger Jahren und an amerikanische Folkhits der Sechziger gleichermaßen. Songs wie der Titeltrack, “Rise & Shine” oder “Waiting for a Sign” wirken enorm stimmungsaufhellend und entsprechen dem von Keyboader Lee LaDouceur aufgestellten Ideal: “I think that we've always been of the belief that music is fundamentally entertainment, and so it needs to offer both optimism and joy. That's how we approach writing a Little Ones Song. It's got to make you smile. Those are the rules.” Regeln erfüllt! Und wessen Herz sich bei Stücken wie “Ordinary Song” und “Everybody's Up to Something” nicht mit Wärme, Honig und Butterblumen füllt, muß eben bis ans Lebensende Grindcore hören.


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  Calexico: Carried to Dust
Calexico:
Carried to Dust

CitySlang
» casadecalexico.com

Calexico live:
Berlin, 9.10.08
Köln, 10.10.08
München, 16.10.08
Frankfurt, 19.10.08
Dresden, 22.10.08
Hamburg, 23.10.08

Giant Sand: proVISIONS
Giant Sand:
proVISIONS

YepRoc/Cargo
» giantsand.com


Calexico | Giant Sand

Wenn Calexico und Giant Sand neue Alben herausbringen, lassen Besprechungen mit halbwitzigen Wortspielen wie “die Wüste lebt” nicht lange auf sich warten – wir wollen an dieser Stelle versuchen, ohne diese Formulierung auszukommen. Ist es Zufall oder geheime Abmachung, dass “Carried to Dust” und “proVISIONS” zum gleichen Zeitpunkt erscheinen? Darüber kann nur spekuliert werden, geschickt ist es allemal, denn so läßt sich wunderbar vergleichen, in welche Richtungen sich die ehemaligen Bandkollegen John Convertino und Joey Burns (Calexico) und Howe Gelb (Giant Sand) entwickelt haben. Gelbs Bandprojekt Giant Sand, ursprünglich “Giant Sandworm” besteht seit nunmehr einem knappen Vierteljahrhundert, mit wechselnden Mitstreitern arbeitet er an seiner staubigen (nicht angestaubten!), rauen und rohen Version sogenannter Americana. In den frühen Nullerjahren spalteten sich Burns und Convertino von Giant Sand ab, um Calexico zu gründen – und um ungleich erfolgreicher zu werden als die Ursprungsband. Das neue, fünfte Album “Carried to Dust” unterstreicht einmal mehr, dass Calexico mit ihrer Musik ganz bei sich sind, einen eigenen Stil gefunden haben, der zwar die Ecken und Kanten der Anfangstage eingebüßt hat und dennoch ganz unverwechselbar ist. Harmonisch greifen die Elemente Country, Folk, Mariachi und Latin ineinander, mexikanische Trompeten sind für Calexico ebenso charakteristisch wie das mit Besen gestrichene Schlagzeug, Geigen und Westerngitarren. Calexicos Musik wirkt cineastisch, dementsprechend häufig werden ihre Songs in Filmen eingesetzt, wie kürzlich von Wim Wenders, oder in “I'm Not There”. Die Verbindung zum Film zeigt sich auch noch auf andere Weise: Joey Burns erzählt, dass “Carried to Dust” während des Hollywood-Drehbuchschreiberstreiks im Winter 2007 entstand – die Figur des Schreibers/Autors durchzieht das Album, das Geschichtenerzählen erhält eine neue, wichtige Bedeutung. Davon kann man sich bei den “erzählerischen” Stücken wie “Victor Jara's Hands”, “The News About Williams”, “Writer's Minor Holiday” und der düsteren Entfremdungsstory “Man Made Lake” überzeugen; mindestens so wichtig wie die Lyrics sind die Melodien: mit “Two Silver Trees” ist Calexico eins ihrer schönsten Lieder gelungen, Wehmut und Hoffnung reichen sich hier die Hände (und das relativ kitschfrei). “Slowness”, ein anrührendes Duett Burns' mit Pieta Brown reiht sich bruchlos in die Tradition der Countryballade ein (remember Gram Parsons & Emmylou Harris), bei “Inspiracion” und “El Gatillo” sind die mexikanischen Musiker Amparo Sanchez und Jario Zavala zu hören, weitere Gäste sind Sam Beam von Iron & Wine und Douglas McCombs (Eleventh Dream Day).

Weniger anheimelnd, dafür erdiger und dunkler raunt uns Howe Gelb mit seiner Lee Hazlewood-Stimme dreizehn On-the-Road-Moritaten ins Ohr. Jangly Gitarren, das wie eine wackere Dampflok vorwärtstreibende Drumming und die GastsängerInnen Isobel Campbell, Neko Case und M. Ward sind die Grundelemente des schlüssigen Sand-Sounds, der sogar Spielraum für Jazz- und Noisexperimente läßt, wie man am Ende des Albums feststellen kann (“Saturated Beyond Repair” mit grandios schrägen Bläsern und “World's End State Park”). “Can Do” hingegen klingt so betont stilecht-countryesk, dass man damit rechnen muß, einem bärbeißigen Scherz Howe Gelbs aufzusitzen, die Coverversion von “The Desperate Kingdom of Love” ist eine liebevolle Verbeugung vor PJ Harvey, mit der Gelb gut befreundet ist. “Increment of Love” verbreitet wie “Pitch & Sway” mythisch-mystische Atmosphäre, gäbe es ein Sequel zu “Dead Man Walking”, diese Songs gehörten auf den Soundtrack. “Muck Machine” klimpert, pluckert und dräut, die weiblichen Vocals sorgen im Zusammenklang mit Gelbs knarzigem Organ für eine spooky Stimmung, “The New Romance of Falling”, auch wieder ein Duett, ist ein sprödes, von Leonard Cohen inspiriertes Liebeslied, das zum Schluß in übermütiges Pfeifen und Gitarrendaddeln ausbricht. Giant Sand klingen auf dieser Platte wie befreit, die überladenen Klangkaskaden der neunziger Jahre hat Gelb zugunsten eines reduzierteren, stringenteren Sounds aufgegeben.
“proVISIONS” entstand zum Teil in Dänemark, wo Gelb mit seiner Familie zeitweise wohnt und in Tucson/Arizona – die Frage nach “authentischem Wüstensound” stellt sich also nicht. Die Wüste, ähem, lebt überall auf der Welt.