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20. Oktober 2008
Christoph Happel
für satt.org

  50 Jahre Elvis in Deutschland
50 Jahre Elvis in Deutschland
Doppel-CD, SonyBMG


50 Jahre Elvis in Deutschland

“50 Jahre Elvis in Deutschland”, so heisst die “neue” Elvis-CD, die mir mit der Aufforderung, darüber zu schreiben ins Haus geflattert kommt. Elvis-CDs sind immer gut, aber für den Elvis-Fan, der bereits so ziemlich alles besitzt, was dieser aussergewöhnliche Mann und seine Entourage jemals an Songs veröffentlicht haben, ist der -zigtausendste Kompilationssilberling mit allen wichtigen Titeln seiner Karriere nun kein Ereignis mehr, das ihm Freudentränen in die Augen treiben könnte. Zusammenstellungen von Elvis-Songs mit immer neueren und zeitgemässeren Covern werden ständig veröffentlicht, um die Tonträgerverkäufe hoch zu halten oder am besten noch zu steigern. So sah ich der Ankunft der vorliegenden Kompi auch gelassen entgegen. Allerdings merkte ich recht schnell, nachdem mich das Werk erreicht hatte, dass ich weitaus mehr in den Händen hielt als eben beschrieben. Veröffentlicht zum 50. Jahrestag des ersten Kontakts Elvis' mit deutschem Boden, denn am 1. Oktober 1958 ging der King in Bremerhaven von Bord eines amerikanischen Truppentransporters, um in “unserem Ländle” seinen Militärdienst abzuleisten. Und an die kurze Phase seines Lebens, die er hier verbrachte, soll diese CD-Box erinnern. Nachdem jahrelang der Zeitraum seiner Anwesenheit in Deutschland vorwiegend ignoriert wurde, ist man seit knapp zehn Jahren dabei, den Elvis-Kult, mit dem Memphis seinen Ruf als Touristenmetropole sichert und mit dem von Seiten der Familie und der Stadt schon so mancher Dollar verdient wurde, auch hier zu uns in die deutsche Provinz zu übertragen. Ganz besonders, nachdem im mittelhessischen Kurstädtchen Bad Nauheim unter anderem im Zuge der Krankenkassenreformen die Kurgäste mehr und mehr ausblieben, versucht es sich jetzt in jedem Sommer eine Woche im August als Elvis-Metropole zu präsentieren. Der Fan sagt sich natürlich: “besser als gar nichts“, jedoch beginnt die Sache dort bereits kitschigste Ausmasse anzunehmen, wie sie bisher nur von deutsch-amerikanischen Freundschaftsfesten aus der Zeit des Kalten Krieges bekannt war. Bad Nauheim ächzt unter drittklassigen Impersonatoren, die Elvis kaum ähnlich sehen, sich ungeachtet dessen nicht zu schade sind, mit den Hüften zu wackeln und Lieder des King aus tiefster Seele zu schmettern. Dazu der Auftrieb an deutschen Rednecks mit Cadillacs und dazu die unvermeidliche Fanmasse, für die Elvis eine jeweils ganz eigene Bedeutung hat, die meist mit seiner Musik oder seinem Style oder Image nichts zu tun hat und denen lediglich eine quasi religiöse Verehrung gemein ist, mit der sie Mr. Presley zu einer Art Halbgott machen. Und darunter finden sich Muttchen, die garantiert niemals einen Petticoat trugen, restriktive ältere Herren - kurz: Spiesser, die auf einmal ihre rebellische Ader entdeckt haben wollen und schliesslich ganz junge Menschen, die niemals rebelliert haben und denen man die Wahl von Elvis als Idol schon gar nicht abnehmen will - hey Jungs, bleibt bei den New Kids möchte man da sagen, tut es aber nicht, denn dieser Lynchmob ist gefährlich. Kurz und gut, richtige Fans, die den unkonventionellen Rock und Roller, der sich gegen seine eigene viel zu enge Welt auflehnte und den gediegenen Südstaatengentleman, zu dem Elvis sich in späteren Jahren immer mehr entwickelte, verehren, sind da fast schon nicht mehr zulässig. Vorsicht, rate ich, geht niemals zu einer Elvis-Gedenkveranstaltung und habt auch nur einen Tropfen Rock und Roll im Blut, die in Deutschland ansässige religiöse Rechte mit ihrem Anhang, ja, auch wir haben eine solche, wird euch das schon austreiben.

Aber zurück zur CD, die sich irgendwo zwar an das Publikum richtet, das zu Elvis-Gedenkveranstaltungen rennt, aber auch für Vollblutrockundroller interessant ist. Auf zwei Tonträgern mit insgesamt 39 Titeln bekommt man einen Überblick über die gesamte Schaffensphase von Elvis. Die erste der beiden Scheiben, sie trägt den Namen “From Memphis to Germany” beginnt mit den frühen Singles wie “Heartbreak Hotel”, “Jailhouse Rock”, usw. und endet zu Beginn der deutschen Phase. Die zweite heisst “Back from Germany” und beleuchtet den Rest der Karriere mit Titeln die er seit seiner Rückkehr aus good old Germany aufgenommen hat und endet mit einer bemüht originellen Neuabmischung von “A little less Conversation” die inzwischen ziemlich weit vom Original entfernt ist.

Die zweite bedarf keiner weiteren Erwähnung, die erste aber enthält einige Songs ( “GI Blues”, “Frankfort Special”, “Tonight Is Alright For Love”), die mit hier, also seinem Aufenthalt als Soldat zusammenhängen und die zumeist extra für den Elvis Film “ G.I Blues” oder “Café Europa”, wie der Streifen bei uns hiess, geschrieben wurden, anhand dessen die Militärzeit des Kings dem amerikanischen Publikum nahe gebracht werden sollte und der viel über das amerikanische Verständnis von deutscher Gemütlichkeit zeigt. Man könnte den Film extrem kitschig nennen, allerdings ist er liebevoll gemacht, zeigt lauter nette deutsche Bürger, die sich über die GI's freuen und anhand der Militärszenen zeigt er eine gemeinsame Verbundenheit im Kampf gegen die kommunistischen Horden des Ostens, von denen Kleindeutschland damals angeblich noch massiv bedroht wurde. Gemeinsamkeiten zwischen USA und Tschörmany überbrücken alles.

Für all diejenigen, die “Café Europa” irgendwann einmal sehen sollten oder bereits gesehen haben: Elvis ist nach Abschluss seines aktiven Dienstes Hals über Kopf in die Staaten abgereist. Die Crew, die mit der Herstellung des Filmes beauftragt war, hat zwar Originalspielstätten besucht und dort gedreht, Elvis jedoch wurde später in einem Studio in Memphis aufgenommen und hineingeschnitten. Die Szene also, in der der King mit seinen Kameraden vor dem Frankfurter Hauptbahnhof antritt und salutiert, ist nichts ein Fake, Elvis war nie dort gewesen. Ach ja, Mittelhessen mit Friedberg (Elvis` Dienstort, wo er unter anderem als Meldefahrer in der Spearhead Division seinen Dienst versah) und Bad Nauheim als Exil-Graceland muss er, so ist es zumindest überliefert, als grausam provinziell empfunden haben und wann immer es ihm seine Dienstzeiten erlaubten, ist er in Europa herumgereist. Amüsiert hat er sich des öfteren in München, Paris und wo auch immer, aber eben nicht in der Wetterau. Eigentlich schade, Bad Nauheim hat durchaus Stil, für einen 24-jährigen aber war das Kurortflair und die Ruhe, die wegen der herzkranken Kurgäste offiziell verordnet wurde, eher nichts.

Ach ja, zusätzlich zu den eben genannten Stücken gibt es noch eine wundervolle Version von “Muss i denn” in der Elvis teils deutsch und teils englisch singt, genannt “Wooden Heart” sowie einen Song namens “Fool“, der eine englische Version von “La Paloma” sein soll und vom deutschen Big-Band- Kapellmeister James Last speziell für Elvis umgearbeitet worden sein soll. Toller Song, aber an “La Paloma” erinnert er mich zumindest nicht.

Fazit: Die CD lohnt sich für Elvis-Neueinsteiger wegen der insgesamt guten Songauswahl, sowie für Leute, die sich mit der deutschen Phase des Kings auseinandersetzen wollen. Ein liebevoll aufgemachtes und reich bebildertes Booklet mit Fotografien u. a. von Wohnhaus in Friedberg, Kasernen etc. und Filmszenen rundet das Ganze ab. Und wer je den Weg nach Nauheim finden sollte, wie schon gesagt, am besten nicht im August, sollte einen Abstecher in in die Goethestrasse 14 machen und einen Blick auf besagtes Exil-Graceland werfen. Es ist zwar nur ein Haus, in dem inzwischen andere Menschen leben und wahrscheinlich leiden - tja , der Fantourismus, aber wer auch nur einen Hauch Phantasie hat, für den wird die Szenerie lebendig.

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GG Elvis & the TCP Band: A Punk Elvis Tribute
GG Elvis & the TCP Band:
A Punk Elvis Tribute

» ggelvis.com


A Punk Elvis Tribute

Ja was ist denn das? Das Album einer Band, die offenbar die schmutzige und ordinäre Seite von GG Allin mit dem Charme des King verbinden will. So schaut es jedenfalls auf den ersten Blick aus. Könnte interessant sein, dachte ich mir und legte das Ding in den Schacht meines Players. Vom Ergebnis war ich aber einigermassen enttäuscht, haben doch diese fünf All American Boys mit ihrem All American Humor einfach einen Haufen bekannter Lieder des Kings genommen und schnörkellos in höherer Geschwindigkeit eingespielt. Lässt sich schon ertragen und vielleicht ist das Album auch etwas für Fans von No/FX und Konsorten, für alle anderen eher nicht zu empfehlen. Ich für meinen Teil, ich gestehe, bin ganz grosser Elvis Fan, halte mich dann doch eher an das Original. Songs werden nicht zwangsläufig besser, wenn man sie einfach nur lieblos runterfetzt. Ach ja, ein aufwändiges Booklet ist beigelegt und detailreich hergerichtet, von jedem der fünf Bandmitglieder gibt es ein eigenes grosses Foto, auf dem es mit aufgedrückter Gummiperücke und Goldrandsonnenbrille elviesk posen kann. Und was kann man daraus schliessen? Ganz klar, die Typen sind ganz offensichtlich so meilenweit von Elvis entfernt wie nur irgendjemand. Und von GG haben sie auch nicht viel. Tja, der Amihumor... 2 Gnadenpunkte für den Bandnamen.