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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




28. Oktober 2008
Ronald Klein
und Christina Mohr
für satt.org

play LOUD!


Dass wir bei satt.org keine großen Hardrock-Fans sind, läßt sich kaum verheimlichen: wir ignorieren fröhlich das neue Album von Metallica und lassen AC/DC gute alte Männer in kurzen Hosen sein. Wir verehren frickeligen Elektro, hochkomplizierte Funk-Jazz-Experimente und schütteln unser Haar höchstens zu The Fall, weil man dabei nicht so schnell die Brille verliert. Das heisst aber noch lange nicht, dass wir keine E-Gitarren mögen und sowas – hier eine Auswahl Platten, die unbedingt LAUT gehört werden müssen. Achtung: Brillen mit Gummiband befestigen!


  Motörhead: Motorizer
Motörhead: Motorizer
Steamhammer/SPV


Motörhead: Motorizer

Lemmy Kilmister und co. machen das zweite Dutzend voll und legen die 24. Studioscheibe hin. Zu Motörhead verbietet es sich förmlich, viele Worte zu verlieren: Die Band gilt als Institution. Ihren charakteristischen Sound lieben Metaller, Punks und der unangepasste Mittelstand gleichermaßen. Lemmy selbst hingegen eröffnet traditionell die Konzerte mit „We are Motorhead and we play Rock’n’Roll“. Und das trifft es. Nicht mehr und nicht weniger. Kritiker bemängeln, dass jede Platte gleich klinge, was eingefleischte Fans als infame Lüge zurückweisen. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Schließlich etablierten die drei Briten eine eigentümliche Klangästhetik mit verzerrter Bassgitarre und Lemmys whiskyversoffener, gurgelnder Stimme, die in der Liveversion von „We are the Road Crew“ auf dem Album „No Sleep Til Hammersmith“ ihren Höhepunkt findet. Gleichwohl sind die Riffs und Harmonien im Rock’n’Roll begrenzt und die großen Experimente oder Ausbrüche blieben in der über 30-jährigen Karriere ausgespart. So fügt sich dann auch „Motorizer“ bruchlos in den Backkatalog: Elf schnörkellose Tracks. „Runaround Man“ erweist sich mit eingängiger Hookline als würdiger Opener, während „When the Eagle Screams“ mit Doublebass extrem druckvoll und wirklich heavy daherkommt. Diesbezüglich setzen die Jungs bei „Buried Alive“ noch einen drauf und beweisen damit, dass überforderte CD-Verkäufer doch nicht alles falsch machen, wenn sie Motörhead im Fach „Hard’n’Heavy“ einsortieren. Auch lyrisch bleibt alles beim Alten und neben den obligatorischen Themen Sex, Drugs & Roggnroll enthält das Album mit „Heroes“ auch einen Anti-Kriegssong. Den großen Überflieger legen Motörhead mit ihrem aktuellen Album nicht hin. Aber den Fan erwarten elf solide, meist zügige Midtempo-Nummern, die auf der nächsten Tour druckvoll aus den Boxen schallen. Denn Motörhead gelten nach wie vor als lauteste Band der Welt. Und selbst wenn die Dezibelrekorde inzwischen durch den Nachwuchs gebrochen wurden – so bleiben Lemmy und Mannen eben die krachigsten Rock’n’Roller der Herzen. Darauf einen guten Bourbon. Ohne Eis und Soda. Pur. So wie eben Motörhead. (Ronald Klein)


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  The Clash Live At Shea Stadium
The Clash Live At Shea Stadium
CD + 24-seitiges Booklet
SonyBMG
» theclash.com


The Clash Live At Shea Stadium

1982 befanden sich The Clash auf dem Höhepunkt ihres Ruhms: mit der Single „Should I Stay Or Should I Go“ hatten sie endlich die für britische Bands so schwierigen US-amerikanischen Charts erobert. Punk war zwar schon tot, aber es sah ganz danach aus, als würden The Clash als eine der wenigen relevanten Überlebenden dieser Epoche die Kurve kriegen und eine erfolgreiche Radical-Rockband werden. Am 13. Oktober '82 fand im New Yorker Shea Stadium ein denkwürdiges Konzert statt: David Johansen (Ex-Sänger der New York Dolls), The Clash und The Who traten on one bill hintereinander vor 50.000 Besuchern auf. The Clash hatten exakt 50 Minuten Zeit, um ihre wichtigsten Songs zu spielen, darunter „London Calling“, das Equals-Cover „Police on my Back“, „Guns of Brixton“, „The Magnificent Seven“ und „Rock the Casbah“. Die jetzt erst veröffentlichten Liveaufnahmen präsentieren The Clash als ungeheuer tighte Rockband, die schnell und hart ist und wenig Raum für Feinheiten läßt. Das ist schade bei Songs wie „Casbah“ und „Brixton“, angesichts der Kürze des Auftritts aber nachvollziehbar: The Clash lassen ein dichtes, hochenergetisches Punkrock-Trommelfeuer auf das Publikum los, der Jubel ist frenetisch (vor allem beim Hit „Should I Stay...“), nach dem Gig geben sich Celebrities wie David Bowie und Andy Warhol die Backstage-Klinke in die Hand. Doch The Clash suchten stets den Kontakt zu ihren Fans, nicht zu den Stars: Der Fotograf Bob Gruen, der gemeinsam mit dem Filmemacher Don Letts den Shea-Stadium-Auftritt in ikonographischen Bildern festhielt, schreibt in den Linernotes zur CD, „It was important for the band to be in touch with their fans but at Shea the stage was high with a security zone that kept them right back. I was surprised when The Clash broke up a few weeks later but I understood why. They didn't want to be so big that they couldn't reach the people.“ Die Frage stellt sich, was wohl aus The Clash geworden wäre, if they didn't hit America?


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  Abe Vigoda: Skeleton
Abe Vigoda: Skeleton
Bella Union
» bellaunion.com
» myspace


Abe Vigoda: Skeleton

Das Presseinfo preist Abe Vigoda als „the new LA punk secret weapon“, aber diese Beschreibung greift zu kurz für die vierköpfige Band, die sich nach einem jüdisch-amerikanischen Schauspieler benannte, der seit vielen Jahrzehnten die Öffentlichkeit mit falschen Todesnachrichten foppt. Abe Vigodas Debütalbum „Skeleton“ ist im Punk im Geiste, weniger in der Ausführung: Surf-, Psychedelik- und Garagensounds werden ineinander verwoben, mal mit Psychobilly-Akzenten, mal mit afrikanischen Percussions oder Reggae-artiger Rhythmik. Tempi/Takte verschieben sich, die Instrumente preschen entweder gemeinsam nach vorne und verursachen einen enormen rush, oder plingern aneinander vorbei, es hallt und poltert, schwingt und schlingert: aufrechtes Stehen ist beim Durchhören von „Skeleton“ ein wahrer Kraftakt. Die vierzehn Tracks hinterlassen eine seltsame Faszination – als hätte man Paul Simons Album „Graceland“ mit My Bloody Valentine und obskuren Surfbands verquirlt. Groß.


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  Little Man Tate: Nothing Worth Having Comes Easy
Little Man Tate: Nothing Worth Having Comes Easy
Skint Records
» littlemantate.co.uk
» skint.net


Little Man Tate: Nothing Worth Having Comes Easy

Der Albumtitel sagt alles: das, was man sich dolle wünscht, wollen andere auch haben, und man muß sich ganz schön strecken, wenn man an die süßen Früchte drankommen will. Besonders, wenn man „Little Man Tate“ heißt und irgendwie ein bißchen im Schatten größerer beziehungsweise mehr gehypter Brit-Rockbands wie den Kaiser Chiefs steht. Little Man Tate aus Sheffield sind jedenfalls echte Working-Class-Kids, die ihre Pint so lieben wie das Fußballspiel am Samstag: LMT erfinden den Rock'n'Roll nicht neu, die dreizehn Songs ihres neuen Albums gehen dank Nummer-Sicher-Produktion sofort ins Ohr, das Schlagzeug drischt fröhlich nach vorne, die Gitarren frönen guten alten Pubrock-Traditionen und hier und da sorgt ein geschickt gesetzter Break für Dramatik und Luftholen gleichermaßen. Refrains lauten oft nur „naa-na-na-na-naaa“, die Lyrics drehen sich um wütende Ex-Boyfriends, Mädchen, die wie Audrey Hepburn aussehen und in „Joined by an iPod“ wird es sogar richtig schlüpfrig. „Nothing Worth Having Comes Easy“ wird wahrscheinlich nie auf „die wichtigsten Alben des Jahrhunderts“-Listen landen, macht aber mehr Spaß als überambitionierte und deswegen umso ärmlicher wirkende Aufnahmen großmäuliger Angeber, deren Band mit „O“ anfängt und „S“ aufhört...


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  The Wave Pictures: Instant Coffee Baby
The Wave Pictures:
Instant Coffee Baby

Moshi Moshi Records
» thewavepictures.com
» myspace
» moshimoshimusic.com


The Wave Pictures: Instant Coffee Baby

Die britische Band The Wave Pictures macht es den geneigten Hörern leicht, sie sich als rundum sympathische Typen vorzustellen: Sänger David Tattersall und Bassist Franic Rozycki wuchsen in einem Kaff namens Wymeswold in der Nähe von Loughborough/Leicestershire auf – The Wave Pictures können also nicht auf eine coole, streetwise Sozialisierung im Süden Londons zurückblicken, die sie zwangsläufig zu dem machte, was sie heute sind. Tattersall und Rozycki mußten sich mühsam alle Platten und Codes selbst zusammensuchen, und hört man ihr entzückendes Album „Instant Coffee Baby“ (also nicht etwa „Crack Baby“ oder „Highball Baby“), wird schnell klar, dass Bands wie Orange Juice, die Violent Femmes (vor allem), The Smiths und Jonathan Richman dabei halfen, die Jugend auf dem Lande mit Würde durchzustehen. „Twisted Love Songs“ nennt die zum Trio angewachsene Band ihre Musik selbst, und man ertappt sich dabei, wie man die Anlage aufreißt, um rumpelig-ruppige und gleichzeitig höchst emotionale Straßenmusik-Lieder wie „Red Wine Teeth“, „January and December“ und „Avocado Baby“ auf der Luft-Wandergitarre mitzuschrammeln. Live bestimmt noch besser als auf Platte, deswegen sei an dieser Stelle mit Nachdruck auf TWP's Deutschlandkonzerte im November verwiesen.

The Wave Pictures Live: ; 15.11.08 München, Babalu; 16.11.08 Köln, Tsunami Club; 17.11.08 Kiel, Blauer Engel; 18.11.08 Leipzig, Panam; 19.11.08 Berlin, Schokoladen; 20.11.08 Wetzlar, Franzis; 21.11.08 Freiburg, Swamp; 22.11.08 A-Innsbruck, Weekender; 24.11.08 Kassel, Salon Elitaer; 25.11.08 Dresden, Beatpol; 27.11.08 L-Luxemburg, D:Qliq; 28.11.08 Saarbrücken, Sparte 4


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  The Alps: III
The Alps: III
Type Records
» typerecords.com
» myspace


The Alps: III

Auch The Alps aus San Francisco sind ein Trio, das sich aber nicht schrammeligem Indie-Pop verschrieben hat, sondern das Genre Psychedelic-Rock neu definiert: Jefre Cantu-Ledesma, Alexis Georgopoulos und Scott Hewicker (Ex-Trolls-Mitglied) lieben Krautrockbands wie Popol Vuh, Neu!, Kraan und Amon Düül; aber auch die Filmmusiken Ennio Morricones. Auf ihrem dritten Album „III“, das ohne Worte auskommt und sich ausschließlich auf die Kraft der Musik verläßt, erreichen The Alps schwindelnde sonische Höhen: das treffend betitelte „Hallucinations“ ist eine achtminütige, ausufernde, elegische Mezcal-Hymne, mit verzerrten Gitarren und verzögertem Rhythmus. Spooky Stimmen von outer space schweben über den dräuenden Sounds, es ist ein An- und Abschwellen, dass es eine wahre Freude ist. The Alps können und wollen aber auch anders: schon im nächsten Track („Cloud One“) trifft eine Folkgitarre auf orientalische Sitar-Klänge, „Labyrinths“ könnte man sich als Untermalung eines Siebzigerjahre-Softpornos vorstellen und bei „Pink Light“ drehen alle Instrumente, inklusive der spiraligen Bläsersätze komplett durch. Vom Genuss bewusstseinserweiternder Drogen wird abgeraten - „III“ schafft es ganz allein, dass man Farben hört und Töne sieht.


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  Vessels: White Fields and Open Devices
Vessels: White Fields
and Open Devices

Cuckundoo Records
» vesselsband.com
» myspace
» cuckundoorecords.com


Vessels: White Fields and Open Devices

Schon das Cover verwirrt: „White Fields and Open Devices“, Debütalbum der fünfköpfigen Band Vessels aus Leeds sieht auf den ersten Blick aus wie ein japanisches Landschaftsgemälde. Aber was sind das für Dinger, die aus dem rechts oben hingemalten Zeppelin fallen? Kleine Zeppeline oder Bömbchen? Und der Doppeldecker links – flüchtet der Pilot oder kommt er zur Rettung? Rettung von wem und wovon? Mit der Interpretation des Covermotivs kann man sich also lange genug beschäftigen, am besten legt man dazu die im Cover befindliche CD in den Player, vielleicht verschafft sie Aufklärung: Vessels klingen, als würden Kyuss oder Prong unter den sogenannten Emos neue Fangruppen suchen. Oder wie Zauberlehrlinge von Mogwai und Tortoise. Post-Progrock, mit Elektro- und Folkeinflüssen, flirrende Gitarren, dramatische Laut-Leise-Effekte, zarte Pianointros, die in donnernde Soundgewitter münden, hardrockiges Schlagzeug und verhangene Vocals á la Sigur Rós – Quadrophonanlage required.


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