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The Cure: 4:13 Dream Ein neues Album von The Cure – das dreizehnte* in mehr als dreißig Jahren Bandhistorie – ist das noch immer ein Ereignis oder sollte man den gnädigen Mantel des Schweigens über „4 : 13 Dream“ legen? Das ist zum Glück nicht nötig, denn die neue! Cure! Platte! ist richtig gut geworden, deckt stilistisch fast alle Schaffensperioden der Band um Robert Smith ab und setzt die Hörer emotionalen Wechselbädern zwischen dunkelgrauer Melancholie („The Scream“), unbeholfener Fröhlichkeit („Sleep When I'm Dead“) und punkrockiger Juvenilität („Freakshow“) aus. The Cure gelingt es, ihren grandiosen Jammersound ohne Qualitätsverluste in die Jetztzeit zu übertragen, wobei es unwahrscheinlich ist, dass sich Mr. Smith irgendwelche Gedanken darüber macht, ob der musikalische und modische Stil der Band zeitgemäß ist oder nicht. Smiths' Gitarre schlägt feinziselierte Arabesken, die so charakteristisch für den Cure-Sound sind und beim verträumten „Sirensong“, dem glamrockigen „The Real Snow White“ und dem verspielten „This. Here And Now. With You“ besonders gut zur Geltung kommen. Der Opener „Underneath the Stars“ hätte auch gut auf „Disintegration“ gepaßt: elegisch, depressiv und düster leiert der Song aus den Boxen, Robert Smith quengelt und klagt über zeitliche Dimensionen wie (Zitat) „13 billion years“, die mal wieder klar machen, dass das Leben eine ziemliche Zumutung ist. Doch wie wir alle wissen, ist Fat Bob Smith im Grunde seines Herzens eine romantische Frohnatur, die nur durch seltsame Fügungen zur Galionsfigur aller Grufties wurde, weshalb mit „The Only One“, „The Reasons Why“ und „Switch“ euphorische, melodische Popsongs an Bord sind, die an Hits wie „Just Like Heaven“ und „In Between Days“ erinnern. Im nächsten Jahr wird Mr. Smith 50 und verspricht schon jetzt, in 2009 ein wesentlich düstereres und traurigeres Werk zu veröffentlichen als „4 : 13 Dream“. Wir warten freudig-gelassen ab... ◊ ◊ ◊
Los Campesinos: We are Beautiful, We are Doomed Gerade mal ein knappes halbes Jahr ist es her, seit Los Campesinos! mit ihrem Debütalbum „Hold On Now, Youngster...“ die Indie-Welt auf Trab brachten. Doch die siebenköpfige Band aus Wales neigt nicht zum Müßiggang – wie man ihrer trubeligen Musik unschwer anmerkt – und ging postwendend nach der Promotiontour zum Erstlingsalbum in ein Studio in Seattle, um neue Tracks für eine EP aufzunehmen. Aus den geplanten fünf Songs wurden zehn, die man allesamt so gut fand, dass mit der Unterstützung ihres Labels Wichita und des Produzenten John Goodmanson (Blonde Redhead, Sleater-Kinney, Bikini Kill, Wedding Present) gleich ein neues komplettes Album eingetütet wurde. Los Campesinos! verweisen nachdrücklich darauf, dass „We Are Beautiful, We Are Doomed“ kein halbherziges Nachklapp- oder B-Seitenprodukt ist, was sich nach den ersten Sekunden bestätigt: ungestüm, energiegeladen und punkrockig, dabei immer liebenswert und mit poppigen, kreativen Melodien ausgestattet sind die wirbeligen Tracks. Flirrende Gitarren, weirde Folk-Violinen und zauberhafter Boy-Girl-Gesang sind die Hauptelemente des Campesinos!-Sounds, der trotz aller Hyperaktivität nie nervt, sondern zum Tanzen einlädt. Die Songs tragen wie auf dem Debütalbum wieder abgedrehte originelle Titel wie zum Beispiel „It's Never That Easy, Though, Is It? (Song for the Other Kurt)“ und „The End of the Asterisk“. ◊ ◊ ◊
Psapp: The Camel's Back Juhu, Psapp sind wieder da! Der Albumtitel „The Camel's Back“ spielt allerdings nicht auf die Heimkehr eines höckerigen Huftiers an, sondern auf das englische Sprichwort „The straw that broke the camel's back“, was in der deutschen Entsprechung so viel bedeutet wie „der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt“. Das deutsch-britische Duo Carim Clasmann und Galia Durant will mit diesem Titel auf die ihnen etwas unheimlich gewordene Popularität ihres Projekts verweisen (unter anderem bekamen Psapp drei BMI-Awards für die Titelmusik der Serie „Grey's Anatomy“), zum anderen hatten Psapp das Gefühl, ihre Musik „entschlacken“ zu müssen: die Songs der letzten beiden Alben „The Only Thing I Ever Wanted“ und „Tiger, My Friend“ wurden mit allen nur erdenklichen Gerätschaften eingespielt, vom Eierschneider bis zur platzenden Milchtüte (dieses Geräusch stand übrigens Pate für den Bandnamen) wurde alles eingesetzt, was Töne von sich gab. Einen popjournalistischen Begriff für Psapps Musik gab es auch bald: Toytronic wurden Psapps verspielte Experimente genannt. Nun muss man nicht befürchten, dass Psapp alle Utensilien auf den Dachboden verbannt und die Katzen ausgesperrt haben, um fortan reduzierten Minimalelektro zu machen. Verspielt und experimentierfreudig sind Psapp auf ihrem neuen Album noch immer, die Konzentration liegt jedoch auf den Kompositionen, den Songs: der Titeltrack ist eine zauberhafte Spieldosen-Ballade, das Instrumental „Marshrat“ klingt wie ein Zeichentrickfilm-Score, beim Opener “I want That“ und dem melancholischen, von Geigen untermalten „Screws“ fällt auf, was für eine tolle Jazz-Stimme Galia Durant besitzt (und die sie glücklicherweise prominent einsetzt). „Fix It“ basiert auf hypnotischen Discobeats, illustriert von Orgelklängen und harmonischem Gesang, „Mister Ant“ und „Homicide“ sind übermütig swingende Punkpop-Songs mit Jazzeinflüssen, altmodisch und very british, als hätten The Cure und Carmel ca. 1984 eine gemeinsame Platte aufgenommen. Die neue Klarheit steht Psapp sehr gut – und hier und da erklingt schließlich noch immer eine Kindertrompete, eine Ratsche oder etwas völlig Undefinierbares... ◊ ◊ ◊
Tilly And The Wall: O Tilly And The Wall sind ein fünfköpfiges MusikerInnenkollektiv aus Omaha/Nebraska... Omaha? Natürlich, Conor Oberst/Bright Eyes-Hometown und ja, man kennt sich, Tillys Neely und Jamie spielten in Conors erster Band, bevor diese zu Bright Eyes wurde. Doch es wäre mehr als ungerecht, reduzierte man Tilly And The Wall einzig auf die Bekanntschaft mit Mr. Oberst: 2001 gegründet, veröffentlichte das Quartett 2004 das Debütalbum „Wild Like Children“ (übrigens auf Obersts Label Team Love) und spielte sich aus dem Stand in die Herzen der Indiefans. Tourneen mit Rilo Kiley, Of Montreal, The Go! Team und – wer hätte es gedacht – Bright Eyes untermauerten ihren Ruf als enthusiastische, mitreißende Liveband. Tilly And The Walls Musik zu beschreiben ist nicht ganz einfach, am ehesten könnte man sie als Mix aus Folkpop und Kinderzimmer-Wave bezeichnen, wobei diese Worte schon beim Hinschreiben unpassend erscheinen. Vielleicht so: Tilly And The Wall verwenden kein Schlagzeug, sondern Jamies Stepptanz wird elektronisch modifziert als Percussion eingesetzt. Kianna und Neely singen und hören sich mal wie eine Girlgroup aus den Sixties an („Alligator Skin“), dann wieder scheinen sie auf den psychedelisch-progrockigen Spuren Grace Slicks zu wandeln („Cacophony“). Wenn sie „Fuck you!“ schreien, klingt es wie „I Love You“. Glöckchen und Rasseln sind neben Gitarren und Keyboards gleichberechtigt. Tilly And The Wall schreiben Folksongs, wie sie The Mamas And The Papas nicht hinbekommen haben („Poor Man's Ice Cream“) und pflanzen Mariachi-Trompeten mitten in ein experimentelles Rockstück mit kühnen Tempowechseln („I Found You“). Die Refrains sind meist jubilierend und hymnisch („Bloodflower“). Tilly And The Wall machen aus Tapdance, einer Gitarre und entfesseltem Gesang einen wilden Psychobilly-Rock'n'Roll-Song („Too Excited“). „Beat Control“ ist Miami-Disco-Folk. Klingt verwirrend? Ist es auch, aber höchst bezaubernd. ◊ ◊ ◊
David Bowie: iSelect „For this CD Compilation I've selected twelve of my songs that I don't seem to tire of. Few of them are well known but many of them still get sung at my concerts. Usually by me. I`ll start off with the hit...“ Eine schöne Idee: der Star sucht selbst die Songs für einen Sampler aus, der nicht unbedingt ein Greatest Hits-Album sein muss. David Bowie präsentiert auf „iSelect“ die Stücke, die ihm im Lauf seiner über vierzig Jahre andauernden Karriere noch nicht langweilig geworden sind und begründet im Booklet ausführlich seine Auswahl. Bowie liebt theatralische Balladen wie „The Bewlay Brothers“ vom „Hunky Dory“-Album und „Lady Grinning Soul“ aus „Aladdin Sane“, aber es gibt auch den rauhere Songs zu hören: der Thin White Duke wählte „Hang on to Yourself“ vom legendären Konzert in Santa Monica 1972, das kürzlich erstmals auf CD veröffentlicht wurde. Ebenfalls bisher unveröffentlicht ist „Some Are“, eine Bowie/Brian Eno-Komposition aus der Berlin/“Low“-Phase. Dass „Loving the Alien“ auf „iSelect“ zu finden ist, mag überraschen (schließlich ist es nicht gerade eine Sternstunde Bowie'schen Schaffens), aber dieser Song versinnbildlicht wie kaum ein anderer Bowies „außerirdisches“ Image, das er seit den frühen Sechzigern mit Alter Egos wie Ziggy Stardust oder Aladdin Sane pflegt. Ach ja, der Hit, mit dem „iSelect“ beginnt, ist „Life on Mars?“, laut Bowies Linernotes der „easieste“ Song seiner Musikerlaufbahn.... Tracklisting: Life on Mars?, Sweet Thing/Candidate/Sweet Thing (Reprise), The Bewlay Brothers, Lady Grinning Soul, Win, Some Are, Teenage Wildlife, Repetition, Fantastic Voyage, Loving the Alien, Time Will Crawl, Intro/Hang on to Yourself ◊ ◊ ◊
Baby Genius Was in diesem Jahr musikalisch aus der Schweiz kommt, das macht Freunden schrammlig-schönen Indierocks Spaß: Navel aus Erschwil bei Basel zeigten im Frühjahr mit ihrem Debüt-Album „Frozen Souls“, dass ihnen zeitgenössische Musik aus Seattle deutlich näher liegt als eidgenössische Volksweisen. Ivo Amarilli aus Luzern ist 20 und gehört zur gleichen Generation wie Navel; als Baby Genius legt er nun ebenfalls ein Debüt vor, das respektlos und rotzig rockt und oft wie in eine musikalische Zeitreise in die frühen 1990er Jahre klingt, als Indierock aus den USA das große Ding war. Baby Genius liefert hier mit Songs wie „Couldn`t love you“ (lyrischer Auszug: I was listening to Norah Jones/ but I couldn`t love you/ I was talking to my plants at home/ but I really really couldn`t love you) und „Dance” schnörkellose Rocker, die viel Freude machen. Mit „Champs Elysées” und „Just wanted to know” wird dann auch mal lässig und gitarrenlastig geswingt, „Needed to feel” schaltet einen Gang runter und ist fast schon eine Ballade. Bekannt geworden ist Baby Genius vor allem über Youtube und durch einen Schweizer Radiosender. In Amarillis' Heimat soll es schon Leute geben, denen der Baby Genius-Hype auf den Zeiger geht - doch gute Songs hat der Mann allemal. (Thomas Backs) ◊ ◊ ◊
Tiger Lou: A Partial Print Rasmus Kellerman meldet sich zurück. Als Tiger Lou veröffentlicht der 28-jährige Schwede mit „A Partial Print“ sein drittes Album, dessen zehn Songs in Berlin geschrieben und dort in den Matching Heads-Studios mit Rolf Klinth aufgenommen und produziert worden sind. Kellerman macht dort weiter, wo er mit „The Loyal“ (2005) begonnen hatte: Melancholischer Gitarrenpop mit gedämpften Synthesizer-Sounds, das ist sein Ding. Melodievernarrt sind Tracks wie „So demure“ und „Odessa“, mit der beinahe groovigen Singleauskopplung „Crushed by a crowd” hebt sich ein hitverdächtiger Song ein wenig aus diesem atmosphärisch dichten Werk ab. Denn: „A Partial Print“ ist sehr komplex und vielschichtig, erschließt sich keineswegs beim ersten Hören. Für das Intro wurde mit „The more you give the less you have to carry“ eines dieser Werke gleich in zwei Songtitel geteilt, auch wenn die Tracks nahtlos ineinander übergehen. Ein passender Startpunkt für den Ausflug in Kellermans verträumte Soundwelten bildet das Doppel allemal, der Rahmen schließt sich mit dem acht Minuten langen Titelstück am Albumende. Bemerkenswert ist der klare Sound von „A Partial Print“, das Sean Beavan in Los Angeles abgemischt hat. Gearbeitet hat Beavan auch schon für Nine Inch Nails und Marylin Manson. Bei den Aufnahmen hat Kellerman fast alle Instrumente selbst gespielt, am Schlagzeug saß Pontus Levahn. Der wird auch bei der kommenden Tour dabei sein, genau wie Mathias Johansson (Gitarre), Erik Welén (Bass) und Johnny Karlsson (Gitarre/ Keyboard). Erhältlich ist das dritte Tiger Lou-Album übrigens auch in einer Deluxe-Version mit Remix-CD. (Thomas Backs) ◊ ◊ ◊
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