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19. Oktober 2008
 

  Spillsbury: Auf zum Atem
Spillsbury: Auf zum Atem
Raboisen Records 2008
» myspace.com/spillsbury
» myspace.com/raboisen

Spillsbury live:
25.10.08: Leipzig
07.11.08: Bielefeld


Spillsbury:
Auf zum Atem

Spillsbury sind wieder da! Das Hamburger Duo hat tief Luft geholt und zehn Power-Electro-Tracks aufgenommen, die in puncto Unmittelbarkeit und Dringlichkeit ihresgleichen suchen: „Auf zum Atem“, betitelt nach einem Simpsons-Zitat, zeigt, daß Zoe Meißner und Tobias Asche auch auf ihrem dritten Album weder mild noch müde geworden sind. Einsamkeit, Entfremdung, Verunsicherung, gesellschaftliche Mißstände sind die inhaltlichen Haupttriebfedern; Gitarre, Bass und elektronische Gewitter sorgen für den passenden musikalischen Rahmen: schnell, wütend, in-your-face.

Zoe Meißner und Tobias Asche standen satt.org Rede und Antwort:

◊ ◊ ◊

Liest man Artikel über Spillsbury, wird oft auf die angeblich erfolglose zweite Platte verwiesen - hattet Ihr denn selber das Gefühl, dass es nach Eurem Debüt nicht richtig weiterging? Oder wird das jetzt im Nachhinein geschrieben und setzt sich fort, weil jeder vom anderen abschreibt?

Zoe: Ein bisschen erstaunt es mich schon, wie schrecklich jetzt auf einmal jeder das zweite Album schon immer gefunden haben will. Es stimmt, auf den ersten Blick passen unsere beiden ersten Alben nicht zusammen. Wenn man sich aber etwas reinhört, kann man jedoch so einige Gemeinsamkeiten entdecken. Ich fürchte, die Mühe haben sich die meisten nicht gemacht und sind einfach mit einer Masse geschwommen, die außer „gut“ und „schlecht“ nichts anderes kennt. Gegenmeinungen nehme ich gerne per E-Mail entgegen ;-)

Tobi: Wir waren uns bei der Produktion zu 2 bewußt, daß wir damit nicht nur auf Gefallen stossen würden, und das dann als aktzeptable Perspektive aktzeptiert.

Eure Auftritte und Platten sind irrsinnig energiegeladen - wie haltet Ihr den Energie- und Zornpegel?

Zoe: Zeitung lesen, Nachrichten gucken, dann das eigene Leben betrachten. Aber natürlich gehen wir nicht permanent laut schreiend und aggressiv durchs Leben. Die Musik ist ein Ventil, auf das wir all das konzentrieren.

Tobi: Ein Album ist ja auch immer ein Konzentrat aus - im Fall von "Auf zum Atem"- aus fast drei Jahren Leben. Da man, oder zumindest ich dazu tendiere, schlechte Erreignisse länger zu speichern als gute, kommt da schon einiges zusammen.

Habt Ihr das Gefühl, dass man mit deutschen Texten anders wahrgenommen wird als mit englischsprachigen? Liefert man sich hierzulande mehr aus (als wenn man sich hinter englischen Texten versteckt)?

Tobi: Ganz bestimmt kommen deutsche Texte aus offensichtlichen Gründen erstmal direkter an. Hinter Texten aller Sprachen stecken ja gerne mal Plattitüden, die wegen des Klangs hingenommen werden. Der zweite Blick auf die Aussage des Textes kommt meistens gar nicht zustande, schätze ich mal. Bei deutschen Texten kann man sich nicht hinter wohlklingenden Floskeln verstecken, ohne schnell aufzufliegen. Außerdem dürfte die Chance in der Muttersprache am höchsten sein, auch tatsächlich das auszudrücken, was man ausdrücken will.

Welcher Track vom neuen Album drückt am besten aus, wofür Spillsbury stehen?

Tobi: "Lass mich", weil der für mich die Unabhängigkeit der Band ausdrückt, keine Erwartungen erfüllen zu müssen und Musik machen zu können, die mindestens uns selbst gefällt!

Songs wie "Hubschrauber" wirken klaustrophobisch, paranoid: drückt der Song Eure momentane Stimmung aus?

Tobi: Nicht generell, man sollte aber nicht vergessen, dass vieles was heute noch paranoid erscheint in Zukunft Realität sein kann. Der gläserne Bürger von heute war noch vor wenigen Jahren ein Fall für Paranoiker oder Verschwörungstheoretiker/-praktiker. Aufgebauschte Angst kann da ganz flott einiges möglich machen.

"Es ist egal" - habt Ihr diesen Track schon live gespielt? Wie wirkt es auf Euch, wenn das Publikum unisono "das letzte was ich in meinem leben tu ist sterben" singt?


* Der Text geht so: „Das Letzte was ich tu in meinem Leben ist Sterben“

Zoe: Bestimmt komisch, denn du hast zwei Worte vertauscht! ;-) *
Nein im Ernst, wann immer Leute aus dem Publikum unsere Songs mitsingen, ist das ein wahnsinnig bewegendes Gefühl. Ob dieser Satz im speziellen noch mal eine Schippe drauflegt, werden wir dann hoffentlich sehen, wenn wir bald wieder live spielen.

"Grau" wirkt im Vergleich mit den anderen Songs wie eine cheesy NDW-Hommage - ist das Absicht? Bedeutet Euch die NDW überhaupt etwas oder nerven Euch Verweise darauf?

Zoe: Huch, nein das ist keine Absicht! Ich finde die NDW auch echt überbewertet, zumindest die kommerziellen, sinnfreien Sachen, die wir heute im Allgemeinen mit „Neue Deutsche Welle“ meinen. Der Ursprung liegt doch weiter zurück und auch nicht in Deutschland. Stile wie New Wave, Postpunk, Synthpop, damit lass ich mich von mir aus gerne vergleichen. „Deutsch“ ist für mich keine Musikrichtung.

Habt Ihr Vorbilder?

Zoe: Niemand konkretes. Ein bisschen hiervon und ein bisschen davon, musikalisch sowie persönlich. Man will ja auch kein Abklatsch sein. ;-)

Stören Euch Vergleiche mit Mia.? Oder mit anderen Acts?

Zoe: Wenn man ein Stück Musik nur mit Worten beschreiben darf, kommen zwangsläufig Vergleiche mit anderen Bands, das stört uns auch nicht. Wer uns heute allerdings noch mit Mia. vergleicht hat meiner Meinung nach die letzten Jahre geschlafen oder woanders abgeschrieben.

Was ist Eure erste musikalische Erinnerung – haben die Plattensammlungen Eurer Eltern Eindruck auf Euch gemacht oder gab es da keine Berührungspunkte?

Zoe: Sehr viel Eindruck, ja. Bei uns lief zuhause viel New Wave / 80er Kram, Avantgarde, und ganz viel David Bowie. Meine Mutter ist selbst Musikerin und hat mir schon im Krankenhaus nach meiner Geburt die Kopfhörer aufgesetzt. Die erste Musik, die ich in meinem Leben gehört hab, war das Album „The Hurting“ von Tears for Fears.

Tobi: Ich hab früher auch immer die Platten meiner Mutter ausgeliehen und intensiv gehört. Favoriten dabei: Jean Michel Jarre, The Walker Brothers, Mike Oldfield, Bruce Springsteen und die Beatles.

Was läßt Euch immer weiter machen?

Zoe: Hat man denn eine Wahl? Oder um aus dem Stehgreif Kettcar zu zitieren („Landungsbrücken raus“): „Aufstehen, atmen, anziehen und hingehen. Zurückkommen, essen und einsehen zum Schluss: Dass man weitermachen muss.“

Tobi: Man hat ja sonst nix zu tun ;) Die Frage sollte sein, was müsste passieren, damit man aufhört. Auch da fiele mir nix ein! Es macht einfach viel zu viel Spaß mit drei Tönen und einem Wort als Idee anzufangen und irgendwann ist ein neuer Track fertig!

Wenn Ihr mit einem Wort beschreiben solltet, wofür Spillsbury steht - welches wäre das?

Tobi: Für mich ist Spillsbury die Unabhängigkeit vom eigenen Musikschubladendenken. Meine ehemaligen Bands waren alle spitze, aber folgten einem selbstgewählten Stil. Davon sind wir mit Spillsbury frei, wir können alles machen, was wir wollen, auch wenn dann mal ein Album wie 2 dabei rauskommt ;)

Wie arbeitet Ihr? Entstehen Tracks eher im Studio, arbeitet Ihr jede/r allein für sich oder immer gemeinsam?

Zoe: In einem richtigen Studio waren wir diesmal gar nicht, sondern haben alles an unseren eigenen Rechnern zuhause und mit unserem eigenen Equipment entwickelt, aufgenommen und produziert. Unsere Arbeitsweise beim Songschreiben ist unterschiedlich, vieles machen wir zusammen, aber wenn es mal hakt, geben wir uns auch schon mal „Hausaufgaben“ auf. Und dann hat noch jeder sein Spezialgebiet, bei dem wir versuchen, dem anderen so wenig wie möglich reinzureden: Tobi macht die Texte und ich den Gesang.

Tobi: Durch die Wunder der Technik müssen wir auch nicht immer zusammenhocken, um einen neuen Song zu produzieren, sondern können uns auch per E-Mail Teile zuschicken und weiter verbauen. Sehr angenehm...

Ist die Duo-Bandform für Euch ideal oder wäre es Euch manchmal angenehmer, wenn noch andere Musiker dabei wären (als "Puffer", falls es mal Stress zwischen Euch gibt)?

Zoe: Bei zwei Leuten ist es schon manchmal schwer, auf demokratischem Weg Entscheidungen zu treffen, wohingegen man bei dreien Gefahr läuft, überstimmt zu werden. Und einem allein fehlt der ergänzende und reflektierende Part. Nein, zwei sind ideal.
Und Stress gibt es höchstens, wenn wir lange Zeit ununterbrochen aufeinander hocken, zum Beispiel auf Tour. Deshalb haben wir mittlerweile für live noch einen Schlagzeuger dabei, der ist ein hervorragender „Puffer“. ;-)

Vielen Dank für Eure Antworten!

Zoe und Tobi: Wir danken auch!