Amanda Palmer, Sängerin, Bühnenschauspielerin und weibliche Hälfte des Bostoner Cabaret-Punk-Duos Dresden Dolls, geht zurzeit eigene Wege: im Herbst erschien ihr Soloalbum „Who Killed Amanda Palmer?“, eine sehr persönliche Verarbeitung David Lynchs erfolgreicher TV-Serie Twin Peaks. Im Mittelpunkt von Lynchs 30-teiliger Serie, die Anfang der neunziger Jahre die Welt in Atem hielt, stand die Suche nach dem Mörder der Kleinstadtschönheit Laura Palmer. „Who Killed Amanda Palmer“ ist jedoch viel mehr als nur ein witziges Wortspiel auf CD-Länge, sondern ein akribisch durchkomponiertes Konzeptalbum, stimmig von der Covergestaltung inklusive eines fiktiven Zeitungsartikels aus dem Jahre 1965 über die faszinierende Website whokilledlaurapalmer.com bis zu den Songs, die den tragischen Tod Amanda Palmers aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Der Sound ist unverkennbar Dresden Dolls-like, wenn auch ohne Brian Vigliones energiegeladenes Schlagzeugspiel. Amanda Palmer experimentiert mit klassischen und jazzigen Elementen und gibt stimmlich alles: vom unheimlichen Fauchen bis zu eindrucksvollem Operngesang, vom Flüstern bis zum Schrei reicht ihre Bandbreite. Die Stücke sind voll dramatischer Theatralik, der Opener „Astronaut: A Short History of Nearly Nothing“ führt wie eine Lynch'sche Kameraeinstellung ins unheimliche Geschehen ein, „Runs in the Family“ ist hochenergetisch wie ein Dresden Dolls-Song, bei pianodominierten Liedern wie „The Point of it all“ oder „Ampersand“ schimmert Amanda Palmers große Liebe zu Brecht/Weill-Stücken durch. Produziert wurde das Album von Ben Folds, der sich eines Tages per E-Mail bei Amanda Palmer meldete – sie glaubte zunächst nicht, dass sich der echte Folds an sie gewandt hatte und antwortete ihm nicht, doch Folds blieb hartnäckig, bis Amanda überzeugt war und der Zusammenarbeit zustimmte. Ben Folds ist nicht der einzige prominente Mitstreiter auf diesem Album: neben Annie Clark von St. Vincent und Jared Reynolds ist bei einem Song East Bay Ray von den Dead Kennedys zu hören.
Amanda Palmer war im Oktober auf Deutschland-Tour; satt.org stellte ihr nach der Tour einige Fragen :
Titel und Inhalt Deines neuen Albums sind eine deutliche Referenz an David Lynch, seine epochale Serie „Twin Peaks“ und die (tote) Protagonistin Laura Palmer – was magst du an Lynch?
Amanda Palmer: Mir gefällt sehr, dass Lynch mit über- und unterbelichteten Filmbildern arbeitet und sein Publikum nicht mit leichtverdaulichen Häppchen füttert. Das macht ihn zu einem wirklichen kreativen Schöpfer. Und er kümmert sich einen Dreck um das Urteil anderer Leute oder Kritiker.
Wie hättest du dein Album genannt, wenn dein Nachname nicht Palmer wäre?
AP: Who Killed Amanda Viglione! *
* Amandas Dresden Dolls-Partner heißt Brian Viglione.
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Hast du Twin Peaks geschaut? Wer war Dein Lieblingscharakter?
AP: Ich mochte die Log Lady am allerliebsten!
Ich selbst war so begeistert von Twin Peaks, dass ich danach keine anderen TV-Serien mehr gucken wollte – hast du andere Lieblingsserien?
AP: Ich habe Twin Peaks nicht geschaut, als es im Fernsehen lief – ich hatte das Fernsehen aufgegeben, schon bevor die Serie ausgestrahlt wurde. Aber weil mich so viele Leute davon überzeugen wollten, dass ich mir Twin Peaks unbedingt anschauen muss, habe ich mir 1995 die Videocassetten besorgt und alle hintereinander weg angesehen. Im Moment läuft im TV nichts, was mir gefällt – außer den Simpsons. Ich liebe die Simpsons!
Ist es nicht seltsam, sich selbst als Leiche zu sehen (auf dem Cover des Albums und auf Postern)? Macht dich das nicht paranoid?
AP: Oh nein, im Gegenteil: es wirkt sehr friedlich auf mich.
Würdest du dich als morbid oder „dunklen Charakter“ bezeichnen?
AP: Kein bisschen. Ich bin ziemlich lebendig und lebenslustig!
Was inspiriert dich zum Songschreiben? Schreibst du zuerst die Lyrics oder die Musik?
AP: Ich bin häufig sehr frustriert und schreibe dann Stücke darüber. Die besten Songs entstehen als Paket: Musik und Lyrics verzahnen sich miteinander, Akkorde und Refrains kommen dann wie von selbst!
Wie war es, mit Ben Folds zu arbeiten?
AP: Es war wunderbar! Er ist wirklich ein Genie: er hat während unserer Zusammenarbeit alles gegeben und leidenschaftlich den Prozeß vorangetrieben. Wir haben uns gegenseitig fantastisch ergänzt.
Welcher Song war am Schwierigsten? Und welcher ging dir am leichtesten von der Hand?
AP: "Guitar Hero" war am Anspruchsvollsten und dauerte am längsten. Ganz leicht war "What's the Use of Wond'rin": der Song war an einem Nachmittag aufgenommen und gemixt!
Der Song "Strength through music" – ist er als zynische „Annäherung“ ans Dritte Reich gemeint?
AP: Ja genau – ich bin froh, dass du ihn so verstehst.
Wie bist du mit East Bay Ray von den Dead Kennedys zusammengekommen? Kannte er deine Musik?
AP: Er ist mit einem Techniker befreundet, mit dem ich zusammengearbeitet habe. Wir wurden schnell gegenseitig Fans voneinander....
Kannst du dir deine Musik ohne ihre Präsentation auf der Bühne vorstellen? Oder ohne ein durchgehendes ästhetisches Konzept?
AP: Überhaupt nicht. Für mich gehören Musik und Performance immer untrennbar zusammen. Es fällt mir total schwer, einen Song zu schreiben und mir nicht gleichzeitig vorzustellen, wie es sein wird, diesen Song auf der Bühne zu präsentieren. Musik ohne Performance ist für mich ungefähr so, als würde ich ein Bild malen, es aber nicht ausstellen wollen, damit es keiner ansehen kann.
Wie war es für dich, ohne Brian live aufzutreten? Hast du ihn vermißt?
AP: Natürlich vermisse ich ihn. Gleichzeitig vermisse ich ihn nicht. Unsere Zusammenarbeit ist ein endloses Abwägen der „fürs und widers“ - ich war froh, eine kleine Pause von den Dresden Dolls zu machen. Dresden Dolls sind für uns beide sehr anstrengend.
Du warst gerade auf Deutschland-Tournee: magst du das deutsche Publikum? Fühlst du eine besondere Verbindung, weil Ihr ja schließlich die Stadt Dresden als Teil des Bandnamens tragt?
AP: Ich liebe das deutsche Publikum und die Deutschen überhaupt: Ich habe ja insgesamt über ein Jahr in Köln und in Regensburg gelebt, von daher ist mir Deutschland sehr vertraut. Mir gefällt es hier sehr gut, warum genau, ist schwer zu erklären. Dazu müßte ich tief in meine Vergangenheit zurückgehen, was jetzt leider zu lange dauern würde. Aber ich empfinde es als sehr schlüssig, dass die Deutschen sich mit meiner Musik genau so verbunden fühlen wie ich mich mit Deutschland.
Wirst du ein weiteres Soloalbum aufnehmen oder wirst du mit Brian als Dresden Dolls weitermachen?
AP: Da bin ich mir noch nicht sicher. Frag' bitte in einem Jahr nochmal nach!