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1. Dezember 2008
Uwe Staab
für satt.org

  Bushido & Lars Amend: Bushido. Biografie
Bushido & Lars Amend:
Bushido. Biografie

riva Verlag 2008
geb., 432 S., € 19,90
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Bushido: Psychogramm eines Phänomens

Seit Wochen hält sich die Biographie des vielleicht umstrittensten Rappers Deutschlands in den Bestsellerlisten, der Einstieg gelang sogar von null auf eins. Sie bedient Fans und Interessierte und zeigt sich als offenes und gleichzeitig inszeniertes Selbstportrait.

„Dichtung und Wahrheit“ hat Goethe seine Biographie genannt, und in mehrfacher Hinsicht wäre es ein passender Titel für Bushidos Biografie. Nicht nur, weil hinter dem Rapper nun der Mensch in den Vordergrund rückt, sondern auch wegen des gewissen Beigeschmacks der berechneten Selbstdarstellung. Im Gegensatz zum Starportrait „Ich will mein Lied zurück“ seines früheren Label-Kollegen Sido ist Bushidos Lebensgeschichte als Selbstöffnung präsentiert. Auch wenn hier mit Lars Amend, Bushidos Presseberater, ebenfalls ein Journalist mitverfasst hat, vermitteln Ich-Erzähler und (sicher kalkulierte) Offenheit einen direkteren Zugang. Inhaltlich zeigt sich Bushido von seiner besten Seite: Werte wie Ehre, Loyalität und Ehrlichkeit sind ihm wichtig, sein roher Umgang mit Frauen rührt „lediglich“ von einem gebrochenen Herzen und einer allzu fürsorglichen Mutter her. Häufig und geradezu gerne gibt er es zu, wenn ihm die Tränen kamen, oder wenn ihm etwas wirklich wichtig war. Die Treue seiner Freunde und Musikkollegen geht ihm über alles. Die Liebe zur Musik wird offenbar stillschweigend vorausgesetzt, häufig ist stattdessen vom Erfolg die Rede. Dem Erwerb eines Brilliantarmbandes für schlappe 305.000 SFr ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Das ist Straßenmentalität, wie sie spätestens jetzt im Buche steht. Und das in netter Verbindung mit Drogengeschichten von Kokain, Marijuana und Zauberpilzen. Da dürfen Schlägereien und fieser Sex nicht fehlen, und natürlich tun sie das auch nicht. Unter den Anekdoten ist auch die berühmte Schlägerei in Linz, für die Bushido eine Weile hinter Gittern saß. Schnell stellt sich das Gefühl ein, man sitze mit dem erfahrenen „Bu“ am Tresen und er lässt in über-stabiler Selbstgewissheit eine Geschichte nach der anderen vom Stapel. Es beginnt bei seiner Kindheit, aber die zeitliche Reihenfolge ist bald aufgegeben und wird von Anekdoten oder einem arabischen Märchen unterbrochen, „Dichtung und Wahrheit“ eben. Die obligatorischen Stationen seines öffentlichen Lebens wie seine Freundschaft mit Fler, der Streit mit AggroBerlin, die Zeit mit Eko-Fresh, werden ausführlicher erwähnt und sehr persönlich dargelegt. Dazu intime Infos über seine erste Liebe und Frauen („Tourschlampen“), Streit und Versöhnung mit dem Vater (der hatte die Familie verlassen, als Bushido sechs war) und ein paar Gedanken über Gott und die Welt. Die Vertragsunterzeichnung bei Universal oder seine Freundschaft zu einer berühmt-berüchtigten arabischen Familie (die inzwischen Gerüchte um Schutzgeld im deutschen Hip Hop gefördert hat) werden als Profilzeichnung dazu gegeben. Mit sichtlich bemühter Rationalität werden so manche Ereignisse analysiert, am Ende kommt dabei meistens heraus, dass die Anderen keinen Plan hatten, „Opfer“ sind oder waren oder eigentlich froh sein können, ihn getroffen zu haben. Das Kapitel, in dem Bushido seine Begegnungen mit US-Rap-Größen wie Snoop Dogg, Lloyd Banks oder dem Wu-Tang Clan zum Besten gibt, ist wegen deren geschilderter Arroganz mit „Amerika: Das Land der unbegrenzten Opfer“ überschrieben. Die Aufmachung des Textes erinnert durch viele Absätze und fettgedruckte Schlagzeilen, die nicht nur über, sondern auch in den Text gesetzt werden, an eine Mischung aus Zeitungsartikel, Interview und Lesebuch. Für alle Altersgruppen ansprechend sind auch die kleinen gezeichneten Totenköpfe, Pistolen und Schlagringe, mit denen Namen und Schimpfwörter zensiert sind. Und dank einer sehr authentischen Sprache (abgetippte Tonbänder?) gibt es genug Gelegenheit, diese kleinen Kunstwerke zu bewundern.

Reiz und Gefahr dieses Buches liegen darin, dass Bushido seine persönlichen Schlüsse meistens als völlig klar darstellt, bei der Schilderung der Umstände aber doch bemüht ist, Details zu erzählen. Man muss sich als Leser nicht den Urteilen unseres Helden unterwerfen und kann ganz gut erkennen, ob ihn tatsächlich jeder in die Pfanne hauen wollte, wie er es erzählt. Ob Fans allerdings in der Lage sind, die Dichtung von der Wahrheit zu subtrahieren, wage ich zu bezweifeln. Hinter der Geschichte des erfolgreichen Eigen-Fans erscheint dann nämlich plötzlich die eines irritierten jungen Menschen, der ein aktives Innenleben zu haben scheint, das gelegentlich ins Psychotische abrutscht (für eine Weile hatte er Angst, U-Bahn zu fahren...). Mit großem Wahrheitsanspruch macht sich Bushido mit seiner Biographie härter und schwächer zu gleich. Die sehr explizit geschilderten „krassen“ Aktionen (Frauen, Party etc.) sind gepaart mit Einblicken in die Gedanken- und Gefühlswelt des Rappers. Das Ziel der beiden Autoren ist es, das Bild des gefühlvollen harten Ehrenmannes zu zeichnen, wodurch der Stil manchmal ins kitschige und gewollte abrutscht. Seifenoper für Gangster. Und der „Gute Junge“ kommt immer gut dabei weg. Die Biografie bietet alles, was man sich von ihr verspricht: Ghettoromantik, Aufsteigergeschichten, gebrochene Herzen, Stories und Gepose, persönliche und brisante Details. Gleichzeitig geben sich eine Art von Ehrlichkeit und Image-Gefeile die Hand.

Der Stern schreibt, die letzte Kulturbastion, der Buchmarkt, sei nun auch dahin. Viel mehr ist dieses Buch ein Beweis dafür, dass die Marke Bushido funktioniert. Und an die ist nun mal mit einer gigantische Zielgruppe gekoppelt. Wie schon häufig festgestellt wurde, ist der Hauptwert dieser Marke ihr Identifikationspotenzial. Man kann sich wieder Gedanken über das ganze Werk dieses Mannes machen und, wie auch schon oft geschehen, die Frage aufwerfen, warum er überhaupt so erfolgreich ist. Dass der Buchmarkt nun davon berührt ist, ist eine Veränderung, aber kein Wunder.

Empfehlen kann man das Buch wohl niemandem. Vielleicht den Eltern der Kids oder jedem sozial interessierten. Bushido als Phänomen ist ein Erzeugnis unserer Zeit und Teil des Diskurses. Seine Sicht der Gesellschaft ist begründet und er gibt in seiner Biografie leider mehr als ein Beispiel für diese Gründe. Sich seine Ansagen zu geben,hat fast Studiencharakter. Sozial-Studie nämlich. Und ein bisschen scheint es so, als ob das Absicht ist.