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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




20. Dezember 2008
 

Gabentisch 1

3

Der dritte satt.org-Gabentisch stellt Bücher und CDs vor, die man bedenkenlos auch reiferen Herr- und Frauschaften - sprich „Eltern“ - unter den Weihnachtsbaum legen kann, ohne dass man eigene geschmackliche Vorlieben total verraten muss. Wir empfehlen weder Tickets für „Mamma Mia“ noch das neue Album von Celine Dion...

  Helmut Schmidt, Kanzler & Pianist
Helmut Schmidt, Kanzler & Pianist / Helmut Schmidt außer Dienst mit Sandra Maischberger CD + DVD, Deutsche Grammophon / Universal
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» kanzler-und-pianist.de


Helmut Schmidt, Kanzler & Pianist / Helmut Schmidt außer Dienst mit Sandra Maischberger

Altkanzler Helmut Schmidt ist anläßlich seines 90. Geburtstages (23.12.) nochmal zum gesamtdeutschen Coverboy geworden: sein kantiges Konterfei ziert – meist in schwarz/weiß - alle relevanten Blätter, der Spiegel titelte in Anlehnung an den Film mit Jack Nicholson semiwitzig „Über Schmidt“. Unbestritten ist, dass „Schmidt-Schnauze“ auch Jahrzehnte nach seiner eigentlichen Amtszeit der charismatischste und beliebteste Kanzler ist – nicht zuletzt, weil er und seine ebenfalls steinalte Gattin Loki positive Beispiele für die lebensverlängernde Wirkung konsequenten Kettenrauchens sind. Schmidt & Schmidt paffen fröhlich vor sich hin und wenn man Helmut S. für TV-Aufnahmen das Rauchen verbieten will, wird er böse und geht heim. Sehr sympathisch und irgendwie anarchisch, obwohl Herr Schmidt während seiner politisch aktiven Zeit für ultralinke Anarchisten wenig übrig hatte – Schmidts Rolle zu RAF-Tagen soll uns an dieser Stelle aber nicht interessieren, sondern vielmehr seine musikalische Ader: klassische Musik spielte in Schmidts Leben immer eine wichtige Rolle, er wird mit dem Satz zitiert, „Ohne Musik wäre mein Leben wahrscheinlich ganz anders verlaufen.“ Mit Justus Frantz verbindet ihn eine lange Freundschaft, 1984 beschließen die beiden, mit zwei weiteren Musikern Johann Sebastian Bachs Klavierkonzerte einzuspielen. Im Februar '85 ist es dann soweit, in der Hamburger Friedrich-Ebert-Halle findet das Konzert statt, das nun von der Deutschen Grammophon neu veröffentlicht wurde. Auch ohne viel von klassischer Musik zu verstehen, erkennt man, weshalb Schmidt dem Werk Bachs zu zugetan ist: schnörkellos, ohne ornamentalen Zierrat perlen die Pianos – schlicht, aber mit viel Tiefe, so, wie sich Helmut Schmidt selbst gab und gibt. Welche Parts Helmut Schmidt beim Konzert spielt, ist nicht immer ganz klar und auch nicht wirklich wichtig, Schmidt war schließlich Kanzler und kein Klaviervirtuose. Der CD, die vier Bach-Klavierkonzerte beinhaltet, liegt eine Interview-DVD bei („Helmut Schmidt außer Dienst“ im Gespräch mit Sandra Maischberger) und ein Aufkleberset (!) mit Schmidts schönsten Zitaten wie z.B. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ und „Willen braucht man. Und Zigaretten.“


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  Roy Orbison: The Soul of Rock'n'Roll
Roy Orbison: The Soul of Rock'n'Roll
Boxset mit 4 CDs + Postkarten
Columbia/SonyBMG


Roy Orbison: The Soul of Rock'n'Roll

Roy Orbison (1936 – 1988) war der tragische Held des Rock'n'Roll: rein optisch nicht wirklich zum Teen-Star geeignet, aber mit engelsgleicher Tenorstimme und unvergleichlichem Kompositionstalent gesegnet, begann der aus Texas stammende Orbison Ende der fünfziger Jahre, erste Platten aufzunehmen. Orbison wurde sehr schnell sehr erfolgreich, Hits wie „Only the Lonely“, „Ooby Dooby“, „Running Scared“ und vor allem die 64'er-Single „Oh, Pretty Woman“ katapultierten ihn und seine Band Teen Kings in den Rock'n'Roll-Olymp. Sein Privatleben hingegen wurde von Tragödien erschüttert: seine erste Frau Claudette verunglückte 1966 tödlich mit dem Motorrad, zwei Jahre später starben seine Söhne Anthony und Roy jr. beim Brand seines Ferienhauses. Klang Orbison schon vor diesen Schicksalsschlägen melancholischer als viele seiner Kollegen, wurde er Ende der Sechziger endgültig zum Schmerzensmann des Popgeschäfts. Doch das Blatt wendete sich für Orbison: er heiratete erneut und arbeitete unverdrossen weiter, wenn sein musikalischer Stern auch ab Mitte der siebziger Jahre sank. In konservative Anzüge gehüllte Oldschool-Rock'n'Roller waren in Zeiten des Glam- und Bombastrock nicht mehr gefragt. In den Achtzigern sollte Orbison zu neuen Ehren kommen, Bands wie The Cramps nehmen seine Songs auf; David Lynch erwies Orbison 1985 im Film „Blue Velvet“ seine Referenz: unvergessen die Szene, in der Dennis Hopper „In Dreams“ schmettert und dabei von Tränen überwältigt wird. 1988 feiert Orbison mit „You got it“ ein fulminantes Comeback, außerdem gründen sich die Traveling Wilburys, eine All-Star-Supergroup mit Bob Dylan, Tom Petty, Jeff Lynne, George Harrison und Roy Orbison – den gigantischen Erfolg der Wilburys erlebte Orbison nicht mehr, er starb im Dezember '88 an einer Herzattacke. Mit dem Boxset „The Soul of Rock'nRoll“ erfährt Roy Orbison eine angemessene Würdigung: vier CDs mit über hundert Songs liefern einen umfassenden Überblick seines Schaffens, einige unveröffentlichte Tracks und Demoaufnahmen machen die Zusammenstellung zu weit mehr als einer reinen Greatest-Hits-Sammlung. Dem BoxSet liegt außerdem ein Päckchen mit von Roy Orbison gezeichneten Postkarten bei.


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  Roll Your Moneymaker. Early Black Rock'n'Roll 1948 – 1958
Roll Your Moneymaker. Early Black Rock'n'Roll 1948 – 1958
Trikont
» trikont.de


Roll Your Moneymaker. Early Black Rock'n'Roll 1948 – 1958

Dass der weiße Mann den Rock'n'Roll von seinen schwarzen Brüdern und Schwestern geklaut hat, dürfte hinlänglich bekannt sein. Das mit Gold nicht aufzuwiegende Münchner Label Trikont hat zum besseren Verständnis die Compilation „Roll Your Moneymaker“ veröffentlicht, zusammengestellt vom Journalisten und Rock-Experten Jonathan Fischer. Die 24 ausgewählten Songs zeigen, wie Blues, Gospel, Country, Jazz und Doo-Wop vor gut sechzig Jahren von schwarzen Musikern und Musikerinnen zu der aufrührerischen Mixtur namens Rock'n'Roll verarbeitet wurden – lange bevor ein gewisser Elvis Presley die Sun-Studios betrat. „Roll Your Moneymaker“ präsentiert antike Aufnahmen bekannter Künstler wie Ike Turner, Howlin' Wolf, Etta James, Bo Diddley, Slim Harpo,und Chuck Berry, fördert aber auch vergessene Schätze wie den rauhen Gospelstomper „Jericho“ von Sister Rosetta Tharpe und die Urversion von „Got My Mojo Working“ (Ann Cole and the Suburbians) zutage. Man kann mit diesem Album wunderbar auf Spurensuche gehen: so manches Riff, das man beispielsweise Jimi Hendrix zuschrieb, findet sich schon in Johnny „Guitar“ Watsons durchgedreht-futuristischem Track „Space Guitar“ oder oder oder...


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  Bob Dylan: Chronicles. Volume 1
Bob Dylan: Chronicles
Übersetzt von Kathrin Passig und Gerhard Henschel
KiWi Taschenbuch
320 Seiten, € 8,95
» bobdylan.com


Bob Dylan: Chronicles. Volume 1

Bücher über Bob Dylan füllen ganze Bibliotheken – der Meister selbst hielt sich in punkto Autobiographie bisher vornehm grantelnd zurück. Bis zum Jahre 2004: damals erschien bei Simon & Schuster die bis dato unvorstellbare Sensation, „Chronicles Vol. 1“, der erste Band Bob Dylans selbst und eigenhändig verfaßter Memoiren. Inzwischen liegt das Werk bei KiWi in der Übersetzung von Bachmann-Preisträgerin Kathrin Passig und Dylan-Aficionado Gerhard Henschel vor: in fünf Kapiteln, die nach Dylan-Songs „Oh Mercy“ oder „River of Ice“ heißen, rekapituliert Robert Zimmermann seinen musikalischen Werdegang, erklärt seine leidenschaftliche Hingabe an den uramerikanischen Folksong und seine grundsätzliche Skepsis den modernen Zeiten gegenüber. Wir begleiten Dylan bei ersten Auftritten im Café Wha' in Greenwich Village, sind bei Verhandlungen mit Plattenbossen und Promotern dabei – Dylan ist nicht nur ein begnadeter Chronist, sondern versteht es wie die Beatpoeten Jack Kerouac und Allen Ginsberg, ein Bild Amerikas zu skizzieren, das sich von Hollywood'esken Hochglanzpanoramen frappant unterscheidet. Dylan interessiert sich für alles: für die architektonischen Besonderheiten im Stadtbild von New Orleans, für Herman Melvilles Romane und für am Straßenrand kauernde Katzen und pflegt dabei eine bildreiche, drastische Sprache: „Die Folkszene war ein Paradies gewesen, das ich jetzt verlassen mußte wie Adam den Garten Eden. Sie war einfach zu perfekt. In ein paar Jahren würde es Scheiße regnen...“ Man darf auf die nächsten „Chronicles“ gespannt sein!


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  Frieder Butzmann: Musik im Grossen und Ganzen
Frieder Butzmann: Musik im Grossen und Ganzen Martin Schmitz Verlag,
Broschur, 272 S., € 18,80
» martin-schmitz-verlag.de
» friederbutzmann.de


Frieder Butzmann: Musik im Grossen und Ganzen

Dass Frieder Butzmann nicht nur ein kühner Experimental- und Avantgardekünstler ist, der mit Throbbing Gristle/Genesis P.Orridge zusammenarbeitete, sondern auch ein großer Scherzbold sein kann, weiß man nicht erst seit Hörspielaufnahmen wie der „Wau Wau Theorie“ von 1995. Sein Lexikon „Musik im Grossen und Ganzen“ spielt wenig verschleiert auf ein bekanntes Nachschlagewerk zur Musik in Geschichte und Gegenwart an (ähem), und beinhaltet 255 Einträge, z.B. über Komponisten wie John Cage und musikalische Fachbegriffe wie „Loop“ oder „Pataakustik“ - alles in Butzmann-Sprech und Butzmann-Erläuterung. Völlig subjektiv und mit absurdem Humor erweitert Klangforscher Butzmann unsere Vorstellung dessen, was Musik ist und sein kann, wo Musik beginnt und wo sie aufhört. (Dazu bitte die Stichworte „Generalbasszeitalter“, „Komische Musik“ oder auch „Fetisch“ nachschlagen.) Butzmann erfindet neue Begriffe, referiert über Dieter Thomas Heck oder entwickelt einen Zeitstrahl seiner eigenen musikalischen Entwicklung. Zeichnungen wie der dreitastige Flügel von Thomas Kapielski oder die vom Autor selbst visualisierte Aufführung von Mauricio Kagels Orchestermaschine runden die Einträge ab und machen „Musik im Grossen und Ganzen“ zu einem großen Spaß für die ganze Familie.


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