Sky Saxon und The Seeds + Redondo Beat
Live, Das Bett, Frankfurt am Main, 15.11.2008
An einem Samstag im November war es mal wieder so weit, dass der geneigte Musikfreund in Frankfurt am Main konzerttechnisch ein besonders seltenes Schmankerl genießen durfte: Die schon so oft totgeglaubten und doch immer wieder auferstandenen Seeds aus Kalifornien, die Band um Mastermind Sky Saxon, weilte in der Stadt und begeisterte das Publikum mit ihrem psychedelischen Garagensound. Um genau zu sein, eigentlich Sky Saxon alleine, denn die Mitmusiker wirkten im Vergleich mit seiner haschgeschwängerten Verwirrtheit erstaunlich jung und agil, ganz so als wären sie zeitlebens Herren ihrer Sinne gewesen und hätten niemals mit verbotenen Substanzen experimentiert. Ich selbst war bis zu besagtem Samstag weitgehend unbeleckt mit Wissen über diese epochale, mit ihren Nummern Musikgeschichte schreibende Band, deren große Zeit in der zweiten Hälfte der Sechziger lag und die ohne jemals wirklich größeren kommerziellen Erfolg gehabt zu haben, durch zahlreiche Coverversionen ihrer Lieder bedeutend bleibt und mit den Tantiemen dieser Covers mehr schlecht als recht über die Runden kommt. Zu den Gruppen, die nach eigenen Angaben von Sky Saxon beeinflusst wurden und / oder seine Lieder in unzähligen Versionen nachspielten, zählen unter anderem die Ramones, Garbage, die Residents, Johnny Thunders der Wunderbare und selbstverständlich die Fuzztones. Diesen Bands ist es auch zu verdanken, dass Sky Saxon und seine Songs niemals in der Versenkung verschwanden. Die allerersten Singles “Can`t seem to make you mine” und “Pushing too hard” hatte ich bis dato noch nie in der Originalversion gehört und war entsprechend gespannt auf die Show.
Ein echter Vorteil war, dass der Veranstalter beschlossen hatte, die Vorgruppe nach dem Hauptact spielen zu lassen - meiner Ansicht nach eine weise Entscheidung, denn wie oft stand man schon auf Posten, wartete auf die Band, zu der man eigentlich will und mußte das grausame Geschrammel einer hypermotivierten Lokalband ertragen, deren Musiker es garantiert niemals schaffen und das Publikum nur deswegen bei der Stange halten konnten, weil es auf das, was danach kommt, wartet. Spielt die Vorband nach der Hauptgruppe, kann das Publikum mit den Füßen über die Qualität abstimmen und gegebenenfalls den Ort des Grauens verlassen. Hart, aber gerecht.
Zurück zum eigentlichen Geschehen: die Seeds starteten in einem fast ausverkauften Haus und die allermeisten Gäste hatten die Band genau wie ich noch nie gesehen und kannten die Stücke nur als Coverversionen. Die Seeds rückten mit zwei Gitarristen, einem Organisten und einem Bassisten an und Sky, der ursprünglich auch mal der Bassist war, gefiel sich in der Rolle des Sängers. Gewandet wie der letzte Hippie Kaliforniens, in einem bauschigen roten Samthemd mit Blumenornamenten und einer weißen, ebenfalls geblümten Stoffhose. Sein langes Haar stand struppig in alle Richtungen vom Kopf ab und das Gesicht war hinter einen großen Retro-Sonnenbrille verborgen. Über die Aufmachung seiner Mitstreiter muss man kein Wort verlieren, es waren durch die Bank keine Selbstdarsteller und bis auf den Rhythmusgitarristen, der sich ein klein wenig Mühe mit seiner Aufmachung gab, sahen sie so dermaßen normal aus, dass es fast weh tat. Ach ja, es muss erwähnt werden, dass die Seeds sich an diesem Abend zu einem Großteil aus den Musikern von Redondo Beat, die die anschliessend spielende “Nachgruppe” stellten, rekrutierten. Lediglich der baumlange und euphemistisch als “kräftig” zu bechreibende Bassist gehörte nicht dazu , ansonsten galt die Gleichung: Seeds = Sky + Redondo Beat.
Diese Mogelpackung begann ihren Auftritt mit “Pushing too hard”, das Publikum erwachte mühsam und genauso ging es Sky Saxon: besondere Spiel- und Sangeslaune konnte man ihm an diesem Abend leider nicht attestieren. Er ackerte sich durch die Songs und nach etwas über einer Stunde war auch schon wieder Schluß und haste nicht gesehen war er weg, der alte Herr. Insgesamt ist der Funke nicht auf das Publikum übergesprungen. Die ersten Reihen bejubelten die Band zwar frenetisch und animierten sie zu Höchstleistungen, die dann leider ausblieben. In den Reihen dahinter stand eine träge, fast unbewegliche Masse, die sich zu dem einen oder anderen Höflichkeitsapplaus aufraffen konnte, ansonsten aber völlig teilnahmslos schien.
Die “Nachgruppe” begann ihr Set nach einer fünundvierzigminütigen Umbaupause, in der glücklicherweise nichts umgebaut werden mußte, da fast alle Musiker zuvor die Seeds darstellten und nun einfach an ihre Instrumente zurückkehrten. Redondo Beat ist eine Frankfurter Band, die schon seit gut zehn Jahren ihren psychedelischen Sixties-Garagenschrammelbeat der Öffentlichkeit präsentieren. Die Songs sind knackig und technisch auf hohem Niveau, die Bühne im Gegensatz zu den meisten Lokalbands immer originell dekoriert, sodass man als Zuschauer auf eine Reise in die Sechziger mitgenommen wird. Der Gitarrist und Sänger, zugleich das Mastermind der Band, wirkte im direkten Vergleich zu Sky Saxon, der dazu weitaus mehr Grund hätte, außerordentlich arrogant, aber das möchte man ihm verzeihen, hat er doch das Konzept und so manchen Song von Redondo Beat entwickelt. Das erste, was mir an diesem Abend auffiel, war, dass die Gruppe zahlenmäßig angewachsen ist. In der Urformation waren es drei Musiker - Gitarre & Gesang sowie Bass und Schlagzeug. Inzwischen sind sie zu fünft. Ein Organist ist hinzugekommen und eine in den Vordergrund geschobene Backgroundsängerin. Musikalisch hat sich nicht allzu viel verändert. Die Orgel tut den Stücken wirklich gut, man hört jetzt echte Spannung raus. Was mir ein absolutes Rätsel bleibt, ist die Rolle des blonden Mädchens, das etwas unbeholfen in hautenger Kleidung und mit Saxophon und Tamburin bewaffnet im Vordergrund stehend, den Hintergrundgesang darbrachte. Meiner Erinnerung nach waren Redondo Beat-Gigs häufig von einem gelangweilten Publikum geplagt und einer Band, die musikalisch zwar ihr Bestes gab, aber niemals rock`n` rollig, sondern sehr abgehoben wirkte. Vielleicht soll die Sängerin für mehr Interesse bei männlichen (?) Zuschauern sorgen. Allerdings wirkt sie ziemlich deplaziert, ihre Stimme hat kaum genug Volumen, um neben dem eigentlichen Sänger hörbar zu sein, ihr Saxophonspiel klingt uninspiriert und plätschert neben der Musik daher. Eine optische Bereicherung mag sie vielleicht sein, jedoch wirken in den Vordergrund gestellte Frauen, die ostentativ zur Zierde da sind, etwas unangenehm, als ob der Feminismus an ihnen vorübergegangen wäre. Gestört hat das alles auf der Bühne niemanden, und Redondo Beat können jetzt stolz sein auf zwei arrogante Organismen in ihren Reihen.
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