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12. Januar 2009
Christina Mohr
für satt.org

play LOUD!


  Kaiser Chiefs: Off With Their Heads
Kaiser Chiefs:
Off With Their Heads

Polydor/Universal

Tour 2009
19.01.: Berlin, Columbiahalle
20.01.: München, Tonhalle
21.01.: Köln, Live Music Hall
09.02.: Dresden, Alter Schlachthof
10.02.: Mainz, Phönixhalle
15.02.: Hamburg, Sporthalle


Kaiser Chiefs: Off With Their Heads

Ich weiß, was Sie jetzt denken (bitte Thomas Magnums Stimme vorstellen): bei satt.org sitzen ja echte Blitzmerker, das Kaiser Chiefs-Album ist doch schon vor Monaten erschienen! Stimmt, aber zu unserer Entlastung muß angeführt werden, daß die deutsche Post mit dafür verantwortlich ist, daß wir uns erst in 2009 um „Off With Their Heads“ kümmern: Anfang Dezember erreichte mich ein wattierter Umschlag, den die nette Promodame aus München bereits Mitte Oktober, also passend zum Veröffentlichungsdatum losgeschickt hatte – wo aber befand sich die Sendung in der Zwischenzeit? Wir wissen es nicht und werden es nie erfahren. Es soll allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass mich in Bezug auf die Kaiser Chiefs seit ihrem letzten schwachen Album „Yours Truly, Angry Mob“ ein gewisser Argwohn, ja Unwille beherrschte. Die krachlederne Knallerhit „Ruby“ bereitete der Truppe um Ricky Wilson endgültig den Weg in den Ü30-Partykeller, wobei die Betonung hier auf „Keller“ liegt... Also blieb „Off With Their Heads“ noch einmal ein paar Tage liegen, bevor dann doch die Neugier obsiegte: „Komm“, dachte ich, „das Ding ist gerade mal eine halbe Stunde lang, das wirst du schon überstehen. Außerdem ist die Single 'Never Miss A Beat' doch ein echt prima Song!“ Und siehe da, ich sollte nicht enttäuscht werden: „Off With Their Heads“ ist eine enorm kurzweilige und streckenweise sehr experimentierfreudige Platte, die man den Kaisern aus Leeds nicht mehr zugetraut hätte! Produziert wurde das Album von Mark „Midas Touch“ Ronson (Lily Allen, Amy Winehouse) und Eliot James (Kate Nash, Bloc Party), die den zuletzt eher hausbackenen Bierzelt-Beat der Kaiser Chiefs keiner Radikal-, doch zumindest einer Frischzellenkur unterzogen: Ronson wollte nicht weniger, als „die Talking Heads, Tom Tom Club, The Go-Gos, The Move und ELO miteinander vereinen“ - man kann sich nur schwer vorstellen, dass diese Mischung auch nur im Entferntesten mit den Kaiser Chiefs kompatibel ist, aber es hat funktioniert: Der Opener „Spanish Metal“ geht ungestüm und heavy zur Sache, „Never Miss A Beat“ ist eine stringente „Teenage Rampage“-Neuauflage, „Like It Too Much“ beginnt getragen, um in rasanten Gitarrengalopp zu münden – so weit, so kaiserchiefig. Die Überraschungen warten in Songs wie „Addicted to Drugs“, „You Want History“ und „Good Days Bad Days“, wo Ronson tief in die Frühachtzigerkiste greift: leichtfüßiger Synthiepop á la Haircut 100 (erinnert sich noch jemand an die?) und Discoelemente (Kuhglocken!), die im Fall von „Good Days“ an Blondies „Heart of Glass“ erinnern, fusionieren äußerst charmant mit dem Chiefs-Rock und führen zu kühnen Stilwechseln und -Brüchen innerhalb der Songs. Die Arrangements sind stimmig, aber nie überladen, denn zum Glück wollten Ronson und James aus den Kaiser Chiefs keine Neosoul-Kapelle machen: die typischen „Oh-Oh-Oh“-Gesänge wurden ebenso beibehalten wie der strikt nach vorne marschierende Beat, die quietschenden Orgeln und schneidenden Gitarren: „Half the Truth“, mit einer Gasteinlage des Rappers Sway, ist einer dieser charakteristischen Stadionsongs, der die Beteiligung vieler tausend Kehlen erfordert. Folgende Zeile dürfen Fans für die anstehenden Konzerte schon mal üben: „I will not lie to you, but I definitely only gave you half the truth“. Die unverzichtbaren Balladen heißen heuer „Tomato in the Rain“ und „Remember You're A Girl“; und wenn Lily Allen und die Damen vom New Young Pony Club die Backingvocals zu „Always Happens Like That“ zwitschern, ist man rundum zufrieden mit „Off With Their Heads“ - auch noch in 2009.

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  Threatmantics: Upbeat Love
Threatmantics:
Upbeat Love

Domino
» threatmantics.com
» myspace


Threatmantics: Upbeat Love

Ebenfalls kurz und knackig ist „Upbeat Love“ geraten, Debütalbum des walisischen Trios Threatmantics (nicht „The“!). Die Brüder Heddwyn und Huw Davies, unterstützt von Gitarrist Ceri Mitchell verbinden amerikanisch geprägten Garagenrock mit großbritannischer respektive keltischer Folklore – die Kurzformel für die acht Tracks könnte lauten: The Sonics meet The Levellers. Oder The Cramps meet The Pogues. Der raubeinige Opener „Big Man“ basiert auf einem B-52's-Riff und beinhaltet die schöne Zeile, „it takes a big strong man to make a young girl cry“, ab Song Nummer drei („Don't Care“) hält eine Violine Einzug, die fortan den Sound bestimmen wird, kombiniert mit durchgedreht-wildem Rock'n'Roll: in „Get Outta Town“, einem Abgesang auf spießige Kleinstädte, spielt Drummer Huw (der auch gleichzeitig die Keyboards bedient) einen derart steilen, stoischen Cow-Punk-Psychobilly-Beat, wie man ihn von Stray Cats-Schlagzeuger Slim Jim Phantom kannte. „High Waister“ hört sich an wie Canned Heat während einer psychedelischen Phase, die Keyboards schlingern, die Stimme fistelt – very weird! „James Lemain“ und „Little Bird“ rocken hingegen erfrischend archaisch und gefährlich. Mit der Ballade „Lonely Heart“ klingt „Upbeat Love“ verhältnismäßig zahm und lieblich aus: die Viola wird hier zart gezupft und klingt wie ein Banjo. Threatmantics sind wild, rau und ungestüm – aber mit viel Herz.

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  Metallica: All Nightmare Long
Metallica:
All Nightmare Long

3-Pack: CD, DVD, Single
Vertigo/Universal
» metallica.de


Metallica: All Nightmare Long

Das hätte ich auch nicht für möglich gehalten: dass ich mal Metallica vorstellen würde! Aber das vorliegende dreiteilige Paket (CD + DVD, CD-Single und DVD auch einzeln erhältlich) kam so luxuriös daher, dass ich nicht widerstehen konnte. Mit ihrem aktuellen Album „Death Magnetic“ feiern Metallica riesige Erfolge und können sich mit AC/DC, deren Album „Black Ice“ ebenfalls die Charts stürmte, im wohligen Gefühl sonnen, bis jetzt alles richtig gemacht zu haben und auf Legionen getreuer Metalheadz vertrauen zu können. „All Nightmare Long“ beinhaltet neben gleichnamigem Song Liveaufnahmen bekannter Tracks („Blackened“, „Whereever I May Roam“, „Master of Puppets“, Seek and Destroy“), die DVD zeigt außer dem Video zur Single Metallica beim Warm-Up für ihren letztjährigen Auftritt bei „Rock im Park“ - das Package ist also ganz offensichtlich auch eine Hommage an ihre deutschen Fans. Neben Mastermind James Hetfield (Gitarre, Gesang) zeigt sich vor allem Schlagzeuger Lars Ulrich in großartiger Verfassung, sein Drumming ist stakkatohaft-präzise und dabei so überwältigend energetisch, dass man zu ahnen beginnt, warum Metallica eine solch gigantische Karriere hingelegt haben... trotzdem, so richtig liebhaben kann ich Metallica nicht: kürzlich lief bei 3Sat-Kulturzeit ein Bericht, der aufdeckte, dass Kriegsgefangene in Guantanamo und anderswo in letzter Zeit immer häufiger mit Musik gefoltert werden – bevorzugt mit ohrenbetäubend lautem Heavy Metal und natürlich auch mit Metallica. Zu diesem Thema befragt, antwortete James Hetfield dem Interviewer mit hämischem Wikingergrinsen, dass er es eigentlich ganz cool fände, dass seine Band für diese Zwecke eingesetzt würde... No comment.

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  Mr. Oizo: Lambs Anger
Mr. Oizo: Lambs Anger
Ed Banger / ALIVE
» edbangerrecords.com
» myspace


Mr. Oizo: Lambs Anger

Der liebenswerte Quentin Dupieux alias Mr. Oizo, verdientes Mitglied des Ed Banger-Imperiums, gehört ja eigentlich in unsere Rubrik „Wohnzimmerclub“, aber da in einem anderen Magazin zu lesen war, dass sich der Titel „Lambs Anger“ auf Metallicas Album „St. Anger“ beziehen würde, war die Sache klar. Außerdem muß „Lambs Anger“ definitiv laut gehört werden, alles andere hätte keinen Sinn. Oizos Maskottchen Flat Eric (remember „Flat Beat“) wird auf dem Cover übel mitgespielt: nach „Andalusischer Hund“-Manier soll der gelben Frotteepuppe eine Rasierklinge durchs Auge gezogen werden – ob es dazu kommt, wollen wir lieber nicht wissen. Die überdrehte 17-Track-Mixtur aus Techno, hektischen Electroclash, slicken Street-Funk, Soul (!), French-House und Big Beat läßt ohnehin kaum Zeit zum Grübeln. Mr. Oizo wirft alles zusammen, was ihm gefällt, „geht nicht, gibt’s nicht“ - dieser Slogan könnte für ihn erfunden sein. Fette Beats werden von schlingernden Loops unterwandert, Melodiefetzen von bizarren Voicesamplings unterbrochen. „Jo“ beginnt knisternd und seventies-funkig, um in breitwandigem House aufzugehen, der Titeltrack flirrt und clasht irre, und verbreitet die Info, „this album was recorded by Flat Eric“. Gastvocalistin Carmen Castro veredelt den knackigen Oldschool-Funk-Track „Two Takes It“, der jeder stilvollen Discotheque gut zu Gesicht stünde, bei „Steroids“ ist Elektrofee Uffie zu hören. „Rank“ ist ein an Eric Satie erinnerndes, regelrecht klassisches Interlude, in Tracks wie „Bruce Willis is Dead“ und „Gay Dentists“ läßt Oizo seinem speziellen Humor freien Lauf und unterstreicht eindrucksvoll, dass Ed Banger und Mr. Oizo zusammengehören wie Arsch und Eimer, um mal den bangeresken Stil aufzugreifen.

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  Cruiserweight: Big Bold Letters
Cruiserweight:
Big Bold Letters

Siren Recordings
» sirenrecordings.com
» myspace


Cruiserweight: Big Bold Letters

„Big Bold Letters“ ist das zweite Album der aus Los Angeles stammenden Band Cruiserweight. Deren erstes, „Sweet Weaponry“, stand noch ganz im Zeichen des Punkrock, für die neue Platte haben Stella, Urny, Dave und Yogi einen Kurswechsel in Richtung ROCK vorgenommen. Ganz famos klingt das, wenn Sängerin Stella alle Register des Girlpop zieht: „You Don't Get It“ und „Spread Like Fingers“ sprühen vor Energie, sind rotzig, frisch und überschäumend. Als Schwestern im Geiste fungieren Joan Jett/The Runaways, die frühen Blondie und The Go-Gos und sogar Spuren zu 60's-Girlgropus wie den Ronettes kann man ausmachen. Stella klingt wie die wirklich punkige Schwester von Avril Lavigne, die Band drischt fröhlich auf die Instrumente ein, ein großer Spaß! Nicht so toll ist es, wenn Cruiserweight klingen wollen wie so viele typisch amerikanische Nu-Metal- oder -Rockbands: also donnerndes Intro, dramatische Pausen, die irgendwie „tief“, „schwer“, oder nachdenklich klingen sollen, um dann in hymnische Stadionchoräle auszubrechen. Oder gerne auch dunkelmetallene Powerballaden mit pfundweise übereinandergeschichteten hysterischen Gesangsspuren (Ihr wißt, was ich meine: dieser neumodische, aber irgendwie altbacken klingende Kram, der mit Limp Bizkit begann und mit Jennifer Rostock leider immer noch nicht aufhört). Solche Tracks gibt es leider in großer Zahl auf „Big Bold Letters“, was meiner bescheidenen Meinung nach keinen Fortschritt oder eine Entwicklung darstellt, sondern bedauerliche Gleichtönerei mit Legionen ähnlich klingender Collegerocker bedeutet. Unser Tipp für Cruiserweight: den ganzen Rockballast über Bord werfen und auf Stellas Girlpower vertrauen!

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  Julia: The Scars We Hide
Julia: The Scars We Hide Calm Records/Broken Silence
» julia.co.at
» myspace

Julia auf Tour
(Support für Itchy Poopzkid)
Berlin, SO 36 – 12.2.09
Dortmund, FZW – 13.2.09
Hannover, Faust – 14.2.09
Erlangen, E-Werk – 16.2.09
Köln, Luxor – 17.2.09
Saarbrücken, Roxy – 18.2.09


Julia: The Scars We Hide

Der Bandname verwirrt zunächst: Julia ist keine Solosängerin, sondern eine vierköpfige Band aus Wien, die seit 2000 besteht und mit „The Scars We Hide“ ihr drittes Album vorlegt. Julia supporteten bereits Billy Talent, Mando Diao und die Beatsteaks, -zig Auftritte bei Festivals wie Frequency, Taubertal und Sziget verhalfen der Band zu einer großen Fangemeinde, die weit über Österreich hinausgeht. Mit „The Scars We Hide“ wird nun auch der Charterfolg angepeilt – mit ihrem amerikanisch orientierten Alternative-Metal kann das durchaus gelingen. Die Band um Sänger Matthias „Koma“ Kobold spielt dicht und voller Power, hat ihre Metal-Lektionen bei Metallica, aber auch bei bereits erwähnten Beatsteaks gelernt. Stakkato-Drums, druckvolle Gitarren und geshoutete Lyrics wie „No Pardons, No Maybes, No Turning Back“ („A Hell of a Speech“) lassen kaum Wünsche offen. Not my cup of tea, aber die Young-Metal-Gemeinde wird es würdigen!

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