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Glasvegas Mit Verspätung erscheint das Debütalbum von Glasvegas nun auch offiziell auf dem europäischen Festland. 2008 hatten die britischen Medien das schottische Quartett um Sänger James Allan bereits in die üblichen Listen der besten neuen Bands, besten Alben, besten Bands der Welt, des Universums etc. aufgenommen. James Allans düstere melancholische Lyrics verarbeiten das Leben in britischen Metropolen. Verlust („Flowers & Football Tops“), Messerstechereien („Stabbed“) und Jugendgefängnisse („Polmont on my mind“) gehören zu den Themen, die musikalisch mit einem fetten Wall of Sound hymnisch untermalt werden. „Spectorism“ nennt die Band das selbst. Klassische, eingängige Melodien in der Tradition der 1950-er und '60-er Jahre klingen an. Auch bei den Single-Auskopplungen „Daddy`s gone“, „Geraldine“ und „It`s my own cheating heart that makes me cry“, die Ohrwurmqualitäten haben und sich richtig fies in den Gehörgängen einnisten. Den Indie-Gitarrensound dazu liefert James Allans Cousin Rab Allan. Produziert hat James Allan das Debütalbum – dessen Cover an Vincent van Goghs „Sternennacht“ angelehnt ist - mit Rich Costey, der bereits bei Longplayern von Muse und Interpol seine Finger im Spiel hatte. Indie-Gitarren, Wall of Sound und Sixties-Melodien gab es in der Musikgeschichte oft - die persönliche Note mit Wiedererkennungswert erhalten sie bei Glasvegas vor allem durch James Allans markante, klare Stimme und seinen schottischen Akzent. Erheblichen Anteil am kometenhaften Aufstieg der Band hatte Alan McGee, der im Vereinigten Königreich auch neun Jahre nach dem Ende von Creation Records zu den Meinungsmachern gehört. Wenn McGee eine Band als die „aufregendste seit The Jesus and Mary Chain“ adelt und diese entsprechend fördert, ist der Erfolg vorprogrammiert. Wer sich für McGees persönliche Erfolgsgeschichte und die Abläufe im Musikbusiness interessiert, dem sei an dieser Stelle der Rockbuchklassiker „The Creation Records Story. My Magpie Eyes are Hungry for the Prize“ von David Cavanagh empfohlen. Wer McGees` einstige Glücksbringer und Glasvegas an einem Konzertabend erleben möchte, hat bald die Chance dazu - wenn er denn noch ein Ticket für einen Auftritt in München oder Zürich ergattern kann.
(Thomas Backs)
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MOKE: Shorland Als Einleitung dienen Pianoklänge, gefolgt von einem Trommelschlag. Dann brechen die Gitarren durch, der Gesang setzt ein. Es entwickelt sich ein druck- und kraftvoller Song namens „The Plan“. Ein tolles Opening, „Shorland“ kann Fahrt aufnehmen. Das Debütalbum der aus den Niederlanden stammenden Band Moke ist gespickt mit rockigen Anleihen aus den 80ern, die Gitarren dürfen machen, was sie wollen. Elf Songs mit wunderbar eingängigen, druckvollen Melodien, einer gehörigen Portion Sehnsucht und mit inhaltlich interessanten Texten. Sänger Felix Maginn stammt aus Belfast/Nordirland: Im „Emigration Song“ singt er davon, wie er seinem Heimatland irgendwann den Rücken kehren musste. „Mir blieb keine andere Wahl: Ich konnte mich dort nicht verwirklichen“, berichtet er. „Gewiss kann man einen Menschen rein geografisch aus Irland verpflanzen, doch du wirst ihn nie wirklich von Irland trennen können.“ Seine Heimat kann Maginn nicht verbergen - dieser Akzent... Toll! Mokes Fähigkeit, Hits zu schreiben, läßt sich unter anderem an „Last Chance“ festmachen: Das holländische Fernsehen setzt den Song bei Champions-League-Übertragungen ein. Die Band darauf zu reduzieren wäre falsch, auf „Shorland“ befinden sich jede Menge Kracher, die wie „Here Comes The Summer“ auch problemlos auf der Tanzfläche funktionieren. Oder der hymnenartige „Emigration Song“. Oder das balladeske „The Long Way“. Oder das nach vorne preschende „We`ll Dance“. Musik für den Indie-Club, Musik auch fürs Stadion. Es verwundert nicht, dass Paul Weller ein großer Sympathisant und Freund der Band ist. Der große Herr des Brit-Pops kennt sich ja schließlich aus. „Fucking Smashing Tunes“ steht auf dem Cover-Aufkleber. Dem ist nichts hinzuzufügen. (Thomas Stein)◊ ◊ ◊
CLICKCLICKDECKER: Den Umständen Entsprechend Zwar stehen die Zeichen auf Schnee und Sturm, doch kommt mit ClickClickDeckers neuer Platte „Den Umständen entsprechend“ ein erster Frühlingsbote ins Haus, obwohl das Artwork (von Jan Kruse) eher an herbstliche Zeiten gemahnt. Eigentlich auch egal, denn die Zeilen und Melodien wirken wie wärmende Sonnenstrahlen. Kevin Hamann alias CCD hat seit seinem letzten Album „Ich hab keine Angst vor“ nicht auf der faulen Haut gelegen oder „nur“ an seinem dritten Werk gearbeitet: Zusammen mit Der Tante Renate verfolgte er gänzlich andere musikalische Richtungen, die im Electro-Pop-Rave Projekt Bratze schließlich ihre Realisierung fanden. Im Gegensatz dazu bewegt er sich auf „Den Umständen entsprechend“ wie gewohnt im Singer/Songwriter-Pop mit Zitattauglichkeit, mal melancholisch, mal überschwänglich. Zeilen wie „Überall ist es besser als angekommen zu sein. (...) Zu wissen, dass es besser wird, reicht mir persönlich aus“, „Solang dein Ohr nicht den Asphalt berührt, hörst du das Unheil nicht kommen.“ oder „Weggehen bedeutet nicht unbedingt, irgendwo anders dann anzukommen“ reichen aus, um zustimmend nickend durch die morgendliche Großstadt zu taumeln. Der Unterschied vor allem zum Erstling „Nichts für ungut“ ist augenscheinlich, doch die Schönheit der Texte und Töne kann nicht verloren gehen. Egal ob treibende Beats und Bässe oder sanfte Gitarrenklänge, ClickClickDecker ist in allen Ohren und bleibt im Kopf, auch wenn der letzte Song längst zu Ende ist...
(Maria Sonnek)
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The Great Bertholinis: Planting a Tree Next to a Book Das Frankfurter Label Hazelwood verbreitet um seine Zöglinge The Great Bertholinis die Mär, die achtköpfige Band seien Nachfahren einer ungarischen Zirkusfamilie – das stimmt vorne und hinten nicht, „Todor“, „Ferenc“, „Jákob“ und die anderen stammen aus dem Fränkischen und aus Hessen. Aber eigentlich ist das völlig egal, Authentizität ist was für Kleingeister und hat im Pop sowieso nichts verloren. Eine gut ausgedachtes Märchen ist allemal besser als die -zigste langweilige „wahre Geschichte“ von den Schulfreunden, die seit vielen Jahren in der elterlichen Garagen geprobt haben.... Die großen Bertholinis perfektionieren auf ihrem zweiten Album „Planting a Tree Next to a Book“ die schon auf dem Erstling „Objects travel in more than one Direction“ erprobte Mixtur aus osteuropäisch inspirierter Blasmusik (diese Tuba!), Polka, Walzer und Zirkusmusik. Das Oktett kombiniert wehmütige Geigen, psychedelische Hammondorgelklänge, ein dezent eingesetztes Banjo und Glockenspiel zu einem sehr eigenständigen Sound, der sich bewußt zwischen alle Stühle setzt, weder Original-Puszta noch Pogues-Revival sein will. Anders als Balkan-Popbands wie Kaizers Orchestra, Gogol Bordello oder Beirut spielen die Bertholinis nämlich keinen überschäumenden Polka-Punk: bis auf einige Ausnahmen (Fuzz-Rock-Gitarrenausbrüche bei „Whispering Fools“ oder das stompende „The Waltz & the Failure“) dominieren melancholische Klänge, untermalt von nachdenklichen Lyrics – das alles im Breitwandsound, der unwillkürlich Filmbilder á la „Down by Law“ vor dem inneren Auge entstehen läßt. Live garantiert ein ganz besonderes Erlebnis!
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Sky Larkin: The Golden Spke Sky Larkin reißen den Himmel auf! Das junge Trio aus Leeds (Katie Harkin/Gesang + Gitarre, Douglas Adams/Bass, Nestor Matthews/Drums), legt mit „The Golden Spike“ ein ebenso begeisterndes wie ungewöhnliches Debütalbum vor: flirrende Gitarren, rockige Drums, Katie Harkins energiegeladener Post-Riot-Grrrl-Gesang und eine deutlich hörbare Liebe zum Indierock der Neunziger (Guided by Voices, Sebadoh, Sleater Kinney) bestechen bei den im vergangenen Jahr abgefeierten Singles „Molten“ und „One of Two“ und den zehn restlichen Songs. Sky Larkin setzen voll auf ihren Sound – wichtiger als leicht mitsingbare Ohrwürmer sind gewagte Richtungs- und Tempowechsel, Melodiefragmente, College-Slacker-Gitarrensoli à la frühe Lemonheads. Produziert wurde „The Golden Spike“ von John Goodmanson, der bereits mit Sleater-Kinney, Death Cab For Cutie und Nada Surf gearbeitet hat. Für die Aufnahmen reiste die Band nach Seattle: dieser transatlantische Austausch hat sicherlich dazu beigetragen, dass Sky Larkin nicht wie eine x-beliebige britische Gitarrenpopband klingen, sondern auf aufregende Weise ortlos und hybrid. Das funktioniert auf Platte sehr gut, live aber auch; davon konnte man sich hierzulande im Herbst 2008 überzeugen, als die Band im Vorprogramm von Conor Oberst und Los Campesinos! auftrat. Wer Sky Larkin damals verpaßt hat, bekommt eine neue Chance: im Februar und März geben die drei einige Konzerte in Deutschland.◊ ◊ ◊
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