Dylan, Waits, Woodstock & the Devil
Frank Schäfer: Woodstock '69. Die Legende
„Wer die 60er Jahre verstehen will, muss Woodstock verstehen“, schreibt der Residenz Verlag markig auf die Rückenklappe von Frank Schäfers Buch „Woodstock '69“. Und wahrscheinlich ist es auch ein bißchen so, jedenfalls ist das legendäre Hippie-Festival, das vor vierzig Jahren auf einem Farmgelände in Bethel/Catskill Mountains im Bundesstaat New York stattfand, ein Lehrstück in Sachen Widersprüchlichkeit: „3 Days of Peace and Music“ stand auf dem ikonischen Plakat mit der Gitarre und der Friedenstaube, doch kaum jemand weiss, dass die drei tollen Tage ihren Anfang mit einer Anzeige im „Wall Street Journal“ nahmen. Joel Rosenman und John Roberts, New Yorker Wirtschafts- und Jurastudenten aus gutem Hause, gaben folgenden Text auf: „Junge Leute mit unbeschränktem Kapital suchen interessante, gesetzlich zulässige Geschäftsideen“ - Legionen von Wirrköpfen, die essbare Golfbälle und ähnliches anboten, meldeten sich, und schließlich fiel die Wahl auf Artie Kornfield und Michael Lang, zwei ambitionierte Hippies, die ein Musikfestival organisieren wollten, eine Feier der Gegenkultur im Schatten des Vietnamkriegs. Der Weg nach Woodstock bzw. nach Bethel war lang und steinig und nur der Chuzpe des Farmers Max Yasgur (der später von seinen Dorfnachbarn leidenschaftlich für sein Engagement gehasst wurde) ist es zu verdanken, dass ab dem 15. August 1969 Bands und Künstler wie Joan Baez, Jimi Hendrix, Jefferson Airplane, The Who, Janis Joplin und viele andere vor den geschätzt 500.000 Besuchern spielen konnten. Frank Schäfer, 1966 geboren, beschreibt die Entstehungsgeschichte Woodstocks akribisch und spannungsreich: angefangen mit der blauäugigen Falscheinschätzung der Organisatoren, die mit ca. 40.000 Besuchern rechneten, über die teils exorbitanten Gagen der Künstler (auch das ist einer der besagten Widersprüche: von wegen Love and Peace, ohne die entsprechende Bezahlung hob kein musizierender Hippie seinen Hintern auf die Bühne), die haarsträubenden Zustände auf dem Festivalgelände und Backstage-Animositäten entfaltet sich ein Gesamtbild, das immer noch unglaublich scheinen lässt, dass Woodstock überhaupt stattfand. Schäfer, renommierter Musikjournalist, geht zudem ausführlich auf die Auftritte der Bands ein, bewertet die musikalische Darbietung und die Gesamtperformance und räumt nebenbei mit einigen Mythen und Verschwörungstheorien auf, z.B. warum der Auftritt Grateful Deads weder auf dem berühmten Triple-Album noch im Woodstock-Film gelandet ist (das Konzert war einfach zu schlecht und die Deads wollten selber nicht, dass es der Nachwelt erhalten bleibt). „Woodstock '69“ hilft vielleicht nicht, die gesamten sechziger Jahre zu verstehen, ist aber eine unverzichtbare Lektüre für alle, die sich für die Musik dieser Zeit interessieren.
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Wilhelm Fink Verlag
Broschur
251 Seiten, € 19,90
» fink.de
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Albert Kümmel-Schnur (Hg): Sympathy for the Devil
Nicht nur Woodstock, auch der Rolling Stones-Hit „Sympathy for the Devil“ wird in 2009 vierzig Jahre alt. Anlass genug für den Wissenschafts- und Medientheorieverlag Wilhelm Fink, achtzehn Intellektuelle, TheoretikerInnen und KunstwissenschaftlerInnen wie Klaus Theweleit, Bazon Brock, Norbert Bolz, Sigrid Weigel oder Julia Zons um Essays rund um den „man of wealth and taste“ zu bitten. Nun darf man weder vom Verlag noch von den AutorInnen eine schwerpunktmäßig pophistorische Annäherung an Song und Band erwarten, die Beiträge beschäftigen sich vielmehr mit Religion, Politik und Mediengeschichte und streifen den Rock'n'Roll nur am Rande. Der Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch z.B. stellt Goethes Mephisto und Jaggers Lucifer gegenüber und konstatiert Mick Jagger (wie im Übrigen auch den Beatles) einen soliden bildungsbürgerlichen Hintergrund, der solch komplexe Lyrics wie eben „Sympathy for the Devil“, die laut Hörisch mit „dem Kanon alexandrinisch gelehrter Literatur“ vergleichbar sind, erst möglich macht. Wow! Darauf muss man erstmal kommen, aber dass man von Popmusik viel lernen kann, hat ja kürzlich erst Neil Tennant von den Pet Shop Boys in einem Interview gesagt. Dieser Sammelband ist nicht für schnelle, oberflächliche Lektüre geeignet und erfordert in vielen Fällen weitere Recherchen – aber schließlich hat Mr. Jagger selbst seinem Lucifer folgendes bescheinigt: „What's puzzling you / is the nature of my game“.
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übersetzt von Tommi Brem und Daniel Knapp,
Illustrationen von Jürgen Verfaillie und Gabriela Linares
Stagecraft Entertainment
Broschur, 368 Seiten, € 15,-
» Stagecraft
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Jay S. Jacobs: Tom Waits: Musik & Mythos
Tom Waits wird im Dezember '09 sechzig Jahre alt, Zeit also für eine umfassende Biographie: Jay S. Jacobs ist das Wagnis eingegangen, dem „Mythos“ Waits nachzugehen – nicht ganz einfach bei einem Musiker, der wie kein anderer als grantelig, verschlossen und schlitzohrig gilt, vor allem, wenn es um seine eigene Geschichte geht. So kursieren jede Menge Gerüchte über Waits, beispielsweise dieses, dass er sich die Speisekarte der Kneipe, in der er in seiner Anfangszeit auftrat, auf die Brust tätowieren liess (ziemlich sicher ein Mythos). Waits selbst behauptet, in einem Taxi schon mit seinem Dreitagebart zur Welt gekommen zu sein (garantierter Mythos). Jacobs umschifft Hürden dieser Art souverän und hält sich an die facts, nämlich verbriefte Geburts- und Auftrittsorte und verbürgte musikalische und private Partner. Die einzelnen Kapitel tragen Titel von Waits' Alben, detailreich erzählt Jacobs von Tom Waits musikalischem Werdegang, seinen Job als Türsteher des Heritage-Club in Los Angeles über seine fruchtbare Verbindung mit dem Agenten und Manager Herb Cohen. Erste Erfolge, kreativer Stillstand, Alkoholismus, schließlich die Neuerfindung mit dem 1983'er-Album „Swordfishtrombones“ und die bis heute bestehende Ehe und künstlerische Verbindung mit Kathleen Brennan werden ebenso behandelt wie Tom Waits' Ausflüge ins Theaterfach und seine stolze Filmkarriere, die Auftritte in nicht weniger als dreißig Filmen beinhaltet, unter anderem in Werken von Jim Jarmusch und Robert Altman. Die atmosphärisch eindrucksvollen Illustrationen/Collagen von Jürgen Verfaillie und Gabriela Linares runden diese lesenswerte Biographie ab, der es tatsächlich gelingt, den Menschen hinter dem Mythos Waits hervorzuholen.
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Luke Crampton/Dafydd Rees/Wellesley Marsh: Bob Dylan
Nach Mode, Architektur, Filmstars, Autos, Design und anderen popkulturellen Phänomenen nimmt der Taschen Verlag jetzt auch MusikerInnen in seine Icons-Reihe auf, den Anfang macht Über-Ikone Bob Dylan. Die Vorteile der Taschen-Icons liegen auf der Hand: klein, billig, prächtig bebildert. Dass man aus dem Begleittext (aus ökonomischen Gründen gleich dreisprachig: deutsch, englisch, französisch) keine bahnbrechenden Neuigkeiten erfährt, sollte eigentlich klar sein, Dylan-Aficionados haben ohnehin eine umfassende Bibliothek über Amerikas einflussreichsten Singer-/Songwriter zu Hause. Dylan-Eleven können sich mittels der chronologisch sortierten wichtigsten Stationen im Leben und Schaffen Robert Zimmermanns zumindest einen ersten Eindruck verschaffen – für ein ausgiebiges Schulreferat reicht der Inhalt allemal.
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