Ebony Bones: Bone of My Bones
Noch bevor man einen Ton von ihr gehört hatte, wurde Ebony Bones aus London mit M.I.A. und Santigold verglichen. Und auch wenn die Richtung ungefähr stimmt, Vergleiche braucht Ebony Bones nicht, sie ist sowieso schon ein Star. Gestartet als Schauspielerin (sie spielte in der TV-Serie „Family Affairs“ und gewann einen Award der British Academy of Film and Television Arts), fühlte sie, dass ihre eigentliche Berufung die Musik ist: sie trat mit der legendären Frauenpunkband The Slits auf, in ihrer eigenen Band spielte Ex-The Damned-Drummer Rat Scabies und überhaupt steckt in Ebony Bones' Musik genauso viel Punk wie Grime, Tribal Beats und Elektro – als hätten sich Adam and the Ants mit Outkast zusammengetan. Auf ihrem Debütalbum „Bone Of My Bones“ präsentiert Ebony Bones eine pulsierende, brodelnde, energie- und spannungsgeladene Mischung: kämpferisch und in-your-face, gesellschaftliche Missstände anprangernd (z.B. staatlichen Überwachungswahn in „We Know All About You“ oder Lynchmob-Justiz in „Story of St. Ockwell“), schwindelerregend und unbedingt tanzbar. „Bone Of My Bones“ ist eine Achterbahnfahrt der Rhythmen, Geschwindigkeiten und Stimmungen, vom wilden Opener „W.A.R.R.I.O.R.“ mit Indierock-Gitarren über orientalische Elemente in „Ready When U Are“, an Peaches erinnernden Elektro mit gerappten Vocals im bissigen „I´m Your Future X Wife“ und die mehr als bittersüße „Casablanca“-Gedenkballade „Guess We´ll Always Have NY“ - die Musik von Ebony Bones ist so bunt wie ihre Outfits und am besten mit ihren eigenen Worten zu beschreiben: „Ich bin die Reinkarnation von Cleopatra, auf der Suche nach dem nächsten Kentucky Fried Chicken.“
◊ ◊ ◊
|
Tiny Vipers: Life on Earth
Subpop/Cargo
» myspace
Tiny Vipers live in Deutschland
Berlin, Schokoladen (6.8.09)
Leipzig, Paris Syndrom (7.8.09)
Hamburg, Astrastube (11.8.09)
Köln, King Georg, c/o pop (12.8.09)
|
Tiny Vipers: Life on Earth
Stille – mehrere verstörende Sekunden lang. So beginnt „Eyes Like Ours“, der Opener von „Life on Earth“, Jesy Fortinos zweitem Album unter ihrem Künstlernamen Tiny Vipers. Dann, leise, fragil, introvertiert schälen sich Fortinos Stimme und ihre Akustikgitarre aus der Stille, fragend singt sie, „Do you remember when the world was still young / just a small town, just a small town...“. Tiny Vipers stammt aus Seattle, ihre dunkle, meditative Vision von Country und Folk hat sie mit dem Produzenten Andrew Hernandez in einem analogen Studio in Austin/Texas umgesetzt: sparsamer, nackter arrangiert und instrumentiert geht es kaum, nur Stimme, Gitarre, vereinzelte Klaviereinsätze und Halleffekte sind zu hören, nichts lenkt von Tiny Vipers' melancholischen, düster-avantgardistischen Campfiresongs ab. Manchmal klingt Tiny Vipers wie in Trance, als würde sie die Geister ihrer Ahnen beschwören, sich von allem Irdischen abkehren wollen. Dann wieder, zum Beispiel im Titeltrack, ist ihre Stimme fest und entschlossen und man kann sich sogar vorstellen, dass Tiny Vipers ihre Musik elektronisch verstärkt auf einer Bühne vor Publikum präsentiert. Tod, Vergänglichkeit, Raubbau an der Natur sind die Themen auf „Life on Earth“ - und doch schimmert immer wieder Hoffnung durch, wie ein Silberstreif am Horizont. Tiny Vipers ist eine moderne Schamanin, vielleicht die einzige, die die Götter wieder mit der Erde versöhnen kann.
◊ ◊ ◊
Never Mind the Botox: Here Comes the Sawoff Shotgun
Knallige Optik, musikalisch aber ein bisschen schlapp auf der Brust – auf diesen knappen Nenner lässt sich „Never Mind the Botox, Here Comes the Sawoff Shotgun“, Debütalbum des Frauentrios Sawoff Shotgun bringen. Die Grazer Schwestern Monica, Susanna und Sonia Sawoff legen viel Wert auf eine anarchisch-trashige Riot Grrl-Inszenierung, zum Beispiel geben sie sich coole Pseudonyme: da wäre zum Beispiel die „Physikerin und Trägerin des Schwarzen Gürtels“ Lola Phyton, die Haidompteurin Bess Brown und zu guter Letzt Ex-Oligarchengattin Kala Bebe. Okay, das ist witzig und ein munter drauflos rockendes und hübsch anzusehendes Damentrio verdient eigentlich auch alle Vorschusslorbeeren – aber: „Never Mind the Botox...“ ist von Riot Grrlism meilenweit entfernt. Die drei Österreicherinnen sind insgesamt einfach zu nett, ihre Songs packen nicht zu, die Stimmen sind niedlich, aber von Girl Power keine Spur. Elektro-Rock-Kombitracks wie „Lip My Stockings“ und „Radio Ulul“ verdaddeln sich und verlieren auf halbem Wege ihre Spannung. „I Hate You“ schielt zu stark nach dem Übervorbild Peaches, Girlpopsongs wie „Shark Shot“ und „Papa was a Preacher“ sind nur vordergründig bissig, die Refrains sind vorhersehbar und wenig originell. Besser gelingen ihnen die getragene Barjazzballade „Queen of Clubs“ oder das mit knackiger Gitarre eingeleitete „Ain´t Stalking My Love“ - Fazit: Sawoff Shotgun müssen ihr Konzept nochmal überdenken und Konzerte von The Ettes besuchen, um zu gucken, wie das mit dem Grrrl-Rock so funktioniert.
◊ ◊ ◊
Julia Marcell: it might like you
Die in Polen geborene und in Berlin lebende Julia Marcell bezeichnet ihre Musik als „Classical Punk“ - klassisch wegen ihrer Ausbildung an Klavier und Geige, punkig sei ihre Arbeitsweise. Widmet man sich ihrem Debütalbum „it might like you“, kommt man nicht auf die Idee, dass hier irgendetwas mit Punk zu tun hätte: Die zwölf Songs erinnern eher an die junge Tori Amos, als diese noch voller Leidenschaft und Energie ihr Bösendorfer-Piano bearbeitete. Aber es wäre zu kurz gegriffen, Julia Marcell als reine Amos-Nachfolgerin zu bezeichnen, in der 26-jährigen Künstlerin steckt viel mehr, zum Beispiel jede Menge Ehrgeiz: Ihre ersten selbstgeschriebenen Songs stellte sie auf einer Website für Nachwuchskünstler ein, auf der Fans Anteile an der Musik erwerben können. Kommt eine Summe von 50.000 Dollar zusammen, erhalten die „Aktionäre“ später das fertige Album und eine Gewinnbeteiligung. Julia Marcell ist eine von ganz wenigen KünstlerInnen, denen dieses Wagnis gelang – wer sich nicht an diesem Aktienhandel beteiligte, hat jetzt die Chance, Marcells Musik „einfach so“ zu genießen: Das von Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic) produzierte Album versammelt dramatische Klavierballaden, böse Liebeslieder, Geigenteppiche, übermütige Rummelplatzmusik, Swing-, Musical- und Tapdance-Elemente, dazu jede Menge als Instrumente eingesetzte Gerätschaften und Freunde, die im Backgroundchor singen. Gebändigt und in Form gebürstet von Miss Marcell – und am Ende versteht man doch, was sie mit „Classical Punk“ meint.
◊ ◊ ◊
Lady Saw: Extra Raw – The Best of Lady Saw
Die 38-jährige Marion Hall alias Lady Saw aus Jamaika ist die Queen of Dancehall – gesegnet mit einer enorm kräftigen Stimme behauptete sie sich schon als ganz junge Frau in dieser Männer- und Machodomäne. Nachdem sie in ihren Anfangstagen hauptsächlich Songs von Chaka Khan coverte, begann sie eigene Dancehall- und Raggatracks zu schreiben, deren Lyrics in punkto sexuelle Anzüglichkeiten und Drastik denen ihrer männlichen Kollegen wie Beenie Man in nichts nachstehen. Tracks wie „If him lef“ und „Stab Out My Meat“ lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und begründeten Lady Saws Ruf als „Rude Gyal“. Das bei VP Music erschienene Doppelalbum (CD + DVD mit Liveauftritten) „Extra Raw“ bietet einen guten Überblick über Lady Saws Schaffen: von atemlosen Raggatracks wie „Chat to mi Back“ über ihre Duette mit Beenie Man („Healing“) und Shabba Ranks („Want it Tonight“), wild-aggressiven Bootyshakern wie „Me and My Crew“ und ihre großen Hits wie das reggaelastige „Sycamore Tree“ und das entspannte, karibisch swingende „Silly Dreams“ kann man sich von Lady Saws unerschöpflicher Energie und ihrem Spaß an expliziten Texten überzeugen. Mit „No Less Than A Woman“ zeigt die Lady auch ihre nachdenkliche Seite: in diesem Song thematisiert sie ihre Unfruchtbarkeit, ein Thema, das speziell auf Jamaika entweder totgeschwiegen wird oder zu Ausgrenzung und Diskriminierung führt.
◊ ◊ ◊
|
Alexandra: Die Stimme der Sehnsucht CD + DVD Koch/Universal
|
Alexandra: Die Stimme der Sehnsucht
Am 31.7.2009 jährt sich der Todestag von Sängerin Alexandra zum 40. Mal – im Alter von nur 27 Jahren starb sie an den Folgen eines Autounfalls. Alexandra hieß mit bürgerlichem Namen Doris Treitz und wurde in Heydekrug (Memelland) geboren, ihre Familie floh vor der Roten Armee nach Norddeutschland und ließ sich erst in Kiel, dann in Hamburg nieder. Doris/Alexandra zeigte früh ein ausgeprägtes Talent für die schönen Künste, begann ein Grafikstudium, nahm Schauspielunterricht, lernte Gitarrespielen und sang im Chor „City Preachers“. Ihre außergewöhnlich tiefe, rauchige Stimme wurde vom Produzenten Fred Weyrich entdeckt, der sie mit dem Manager Hans M. Beyerlein zum Star mit „typisch russischer“ melancholischer Ausstrahlung aufbaute. Doch Alexandra hasste die Songs, die sie berühmt machten: „Zigeunerjunge“, „Sehnsucht (Das Lied der Taiga)“, „Schwarze Balalaika“ oder „Am großen Strom“, die zum Teil auf russischen Volksweisen basierten. Alexandra wollte lieber Chansons im Stile Gilbert Bécauds singen, trat gemeinsam mit Adamo und Yves Montand auf; auch Jazz und brasilianische Musik á la „The Girl from Ipanema“ lagen ihr am Herzen, sie reiste sogar nach Brasilien, um mit Antonio Carlos Jobim zusammenzuarbeiten. Leider endete ihre Karriere, bevor sie richtig begann, weshalb sich nur erahnen lässt, welche künstlerischen Möglichkeiten noch in Alexandra schlummerten. Die bei Koch/Universal erschienene Memorial-Compilation versammelt alle großen Hits (auch die von ihr ungeliebten), dazu eingedeutschte Chansons und Coverversionen wie z.B. „Those Were The Days“ und Shirley Basseys „If I Never Sing Another Song“, außerdem die 34-minütige TV-Dokumentation „Portrait in Musik“ auf DVD.
◊ ◊ ◊
|
Gemma Ray: Lights Out Zoltar Bronzerat, Soulfood » myspace
|
Gemma Ray: Lights Out Zoltar
Ein knappes Jahr ist erst vergangen, seit Gemma Rays Debütalbum „The Leader“ erschien – dass ihr Zweitling „Lights Out Zoltar“ nicht wie ein hastig hinterhergeschobener Aufguss klingt, liegt unter anderem daran, dass die Singer-/Songwriterin aus Essex während einer langen mysteriösen Krankheit Zeit genug hatte, um Songs für mindestens drei Platten zu schreiben. Die eher düster-melancholischen Kompositionen aus Gemmas Krankheitsphase landeten auf „The Leader“, was ihr seltsame Vergleiche einbrachte: sie klänge „wie Norah Jones, die Amy Winehouses Drogen nähme“ und ähnlicher Unsinn. „Lights Out Zoltar“ schöpft musikalisch aus dem gleichen Retro-Pool wie „The Leader“: Folk, Soul, Blues, 50er-Jahre-Rock'n'Roll mit spooky verzerrter Gitarre, an Phil Spector erinnernde Streicher und Backgroundchöre, teils mystisch-schwebend, oft wie für einen David Lynch-Film gemacht. Gemma Ray schert sich wenig um modische Genres, sie kreiert ihren eigenen Stil aus dem Erbe der Vergangenheit – und inzwischen hat sie sogar ihre lebensbejahende Seite entdeckt: „Lights Out Zoltar“ klingt über weite Strecken so, als hätte sie in allen Zimmern die Jalousien hochgezogen, um die Sonne hereinzulassen. Gemeinsam mit dem Musiker und Produzenten Michael J. Sheehy, der sie auch schon bei „The Leader“ unterstützte, entstanden verspielte, fröhliche Folksongs wie „Tough Love“ und „So I Do“, beim Opener „100 MPH (in 2nd Gear)“ erklingen Mariachi-Trompeten, mit Labelkollege Joe Gideon singt sie das nostalgische Duett „1952“. Schönes Album, man darf auf Gemmas Nummer drei gespannt sein!
◊ ◊ ◊
|
Maria Raha: Hellions.
Pop Culture's Rebel Women Seal Press 280 Seiten, $15.95 » sealpress.com
|
Maria Raha: Hellions. Pop Culture's Rebel Women
„Hellions“, „Satansbraten“ hat die amerikanische Autorin Maria Raha, Verfasserin des Frauenpunk-Readers „Cinderella´s Big Score: Women of the Punk and Indie Underground“ ihr neues Buch genannt – wie der Titel nahelegt, geht es um unbequeme Frauen, um Rebellinnen der Popkultur, wobei „Popkultur“ bei Raha auch politische Aktivistinnen mit einschließt. Raha eröffnet autobiographisch, beschreibt, wie stark sie selbst als junge Frau von weiblichen „misfits“ aus Filmen und Büchern beeinflusst wurde, nicht von den braven Mädchen. Der Typus des „Rebellen“, des sich gegen gesellschaftliche, familiäre und soziale Konventionen auflehnenden Außenseiters aber ist bis heute überwiegend von männlichen Hollywood-Ikonen wie James Dean, Clint Eastwood, Marlon Brando, Peter Fonda und Dennis Hopper geprägt – weibliche Entsprechungen gibt es kaum. Raha schlägt große Bögen und fasst den Begriff der Rebellin weit. Sie stellt historische Rebellinnen aus Kunst, Musik und Gesellschaft wie Frida Kahlo, Janis Joplin, Angela Davis und Susan B. Anthony vor, und beschreibt anhand von Filmen wie „Boys don´t Cry“, dass weibliche Rebellen ihr Aufmüpfigsein mit einem frühen Tod bezahlen müssen. Im Kapitel „Cherry Bombs“ geht es um erotische Ikonen wie Mae West, Betty Page und Marilyn Monroe – Raha beklagt bei jungen Stars wie Britney Spears, Lindsay Lohan, Christina Aguilera, Lil' Kim und Paris Hilton, dass diese nur die Posen ihrer Vorgängerinnen wiederholen würden (fast alle genannten haben z.B. Fotostrecken von sich im Marilyn Monroe-Look schießen lassen), wirkliche Erneuerinnen wie Missy Elliot gebe es selten, die vielzitierte Madonna sitzt wie immer zwischen allen Stühlen. „Hellions“ ist eine unentbehrliche Lektüre für alle, die darüber nachdenken, was „Rebellentum“ heutzutage überhaupt sein soll und welche Rolle Frauen dabei spielen. Und: da Maria Raha als Amerikanerin naturgemäß über angloamerikanische Popkultur schreibt, kann man gleich mal überlegen, wer denn hierzulande als Kunst-, Musik-, Film-, Literatur- oder Politik-Rebellin durchgeht.
◊ ◊ ◊
|
Alexandra Tacke & Björn Weyand (Hg.): Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne böhlau kleine reihe 256 Seiten, € 24,90 » boehlau.de
|
Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz ...
Der Böhlau-Verlag entwickelt sich zum Fachverlag für Untersuchungen rund ums Dandytum – beginnend mit Günter Erbes Standardwerk „Dandys. Virtuosen der Lebenskunst“ sind noch einige andere Titel über Dandys erschienen, in den letzten Monaten gleich zwei, die wir hier in aller Kürze vorstellen: „Depressive Dandys“ vom Herausgeberpaar Tacke/Weyand befasst sich hauptsächlich mit dem modernen Dandyismus der sogenannten Popliteraten um Benjamin von Stuckrad-Barre und Christian Kracht. Im Mittelpunkt vieler Artikel steht das Buch „Tristesse Royale“ von 1999, an dem außer S-B und Kracht noch Joachim Bessing, Eckhart Nickel und Alexander von Schönburg beteiligt waren. Dieses Fünfer-Geplauder im Berliner Hotel Adlon gilt bis heute vielen als Fin-de-Siècle-Dokument der Neuzeit – nun denn, darüber lässt sich sicherlich streiten. „Depressive Dandys“ hat aber außer dem Tristesse-Schwerpunkt noch einiges zu bieten, vor allem werden die richtigen Fragen gestellt: Sind Dandys per se unpolitisch und nur an Stil- und Modefragen interessiert? Wer definiert sich wie und warum als Dandy? Kann man das überhaupt selbst tun oder wird man durch den Blick von außen erst zum Dandy? Welche Rolle spielt der eigene Geschmack – besonders in punkto Musik und Kunst? Warum ist Depressivsein für den modernen Dandy so identitätsstiftend? Und (für diesen Artikel von besonderer Bedeutung): Gibt es weibliche Dandys? Das Coverfoto zumindest deutet es an, wir sehen Model Veruschka Gräfin von Lehndorff als Dorian Gray.
◊ ◊ ◊
|
Isabelle Stauffer: Weibliche Dandys, blickmächtige Femmes fragiles. Ironische Inszenierungen des Geschlechts im Fin de Siècle Böhlau große Reihe 351 Seiten, € 44,90
|
Weibliche Dandys, blickmächtige Femmes fragiles
Isabelle Stauffer untersucht in ihrem sehr speziellen Werk, warum Autorinnen ironisches Schreiben nur in geringem Maße zugestanden wird – Ironie galt und gilt gerade in der Literaturwissenschaft als typisch männliches Attribut, und hier wiederum als typisch dandyhaft (siehe Oscar Wilde). Anhand der Werke von Annette Kolb und Franziska zu Reventlow versucht Stauffer den Gegenbeweis zu ziehen, vergleicht deren Texte mit denen von Thomas Mann, Ricarda Huch, Virginia Woolf und Else Lasker-Schüler. Den Schritt in die Neuzeit vollzieht sie mit den ironischen Schriften der ersten Frauenbewegung im Vergleich mit Judith Butlers Theorem der Performativität. Auch in diesem Buch stellt sich die Frage, ob Dandyismus ein genuin männliches Phänomen ist oder ob Frauen auch Dandys sein können bzw. dürfen – schließlich spielt der männliche „typische“ Dandy mit den Geschlechterrollen, gilt wegen modischer Extravaganzen als „weibisch“ oder verweiblicht. Aber: funktioniert es auch in entgegengesetzter Richtung?
◊ ◊ ◊