Wem man erklären muss, wer Peter Hein ist, hat wahrscheinlich nicht allzu viel Ahnung von deutschsprachigem Punk bzw. der deutschen Musiklandschaft überhaupt – das darf man rundheraus behaupten, ohne überheblich zu sein. Charley's Girls, Mittagspause, Fehlfarben, -Ex-Fehlfarben, Family*5, wieder Fehlfarben, das sind die musikalischen Stationen Peter Heins, der sich in frühen Düsseldorfer Punktagen nach einem Clash-Song Janie J. Jones nannte und auch heute noch so angesprochen werden darf. Heins Texte – in Verbindung mit seinem einzigartigen Gesangsstil – sind seit dem epochalen Album „Monarchie und Alltag“ (1980) sowas wie ein Zitatpool für andere Musiker und Autoren, längst angekommen im bewussten und unbewussten Popkulturgedächtnis. Am allerliebsten wird über Hein die olle Rank Xerox-Geschichte kolportiert (Hein arbeitete bis vor kurzem bei Xerox, galt wegen angeblichen Sicherheitsdenkens vielen als „Verräter“ oder „Feierabendpunk“), die ihn selbst ziemlich anödet, weshalb man ihn danach am besten gar nicht fragt. Interessanter ist, dass es die Fehlfarben bis heute gibt, 2007 erschien das bisher letzte Album „Handbuch für die Welt“, davor spielte die Band das Jubiläumsalbum „26 1/2“ ein, auf dem Gastsänger wie Sven Regener, Helge Schneider und Campino Fehlfarben-Songs interpretierten. Aber die Fehlfarben klingen natürlich am besten, wenn Herr Hein selbst am Mikro steht und mit unerschütterlich schlechter Laune – oder sagen wir, begründeten Zweifeln in der Stimme – seine Lyrics unters Volk bringt. Der Lilienfeld-Verlag hat jetzt alle Texte Heins gebündelt und in ein schickes Buch verpackt – hier ein etwas atemloses E-Mail-Interview mit Janie J. Jones/Peter Hein, kurz vor und nach dem 24-Stunden-Rennen in Le Mans (man sollte wissen, dass Herr Hein großer Automobilist ist und sich mit Rennen-Gucken gerne die Nächte um die Ohren schlägt).
Wie fühlt man sich, wenn man sein "Lebenswerk" beziehungsweise seine wichtigsten Texte als gebundenes Buch in Händen hält? Ehrfürchtig, geschmeichelt, amüsiert, tot?
Peter Hein: Wie im Vorwort erklärt sind es eigentlich ALLE MEINE Texte (sorry! Anm. cm). Und es dient hauptsächlich zur Überbrückung bis zum nächsten Prosawerk. Und es ist für einen Zeitraum von dreißig Jahren erschreckend dünn. Mit Musik dauert das schon einige Stunden, aber wenn man' s nur so wegliest (auch öffentlich), dann ist man ratzfatz durch. Ehrfurcht und Schmeichelei haben da auch nichts mit zu tun, das wäre nur der Fall, wenn es ohne meine Zutun passiert wäre.
Wird es zum Songtexte-Buch auch Lesungen geben – Deklamationen mit oder ohne Musik?
PH: Ja.
Zurzeit erinnern sich mal wieder alle - zum Beispiel Hollow Skai mit seinem NDW-Buch - wie stehst du zur Historisierung von Punk, NDW, Popmusik überhaupt?
PH: Wie, schon wieder? Und auch der Herr Holger Doktor Hannover Pseudo-Punk? Na toll. Will der auch noch was vom Teipel mitnehmen? Das war doch schon vor sieben Jahren, oder?
Du hast mal gesagt, dass es von Peter Hein kein "so war es wirklich"-Buch über die frühen Achtziger geben wird - so ganz ohne Erklärungen ging es aber beim Songtexte-Buch doch nicht. Fiel es schwer, doch ein paar historische Sätze aufzuschreiben?
PH: Das sind doch nur Bedienungsanleitungen und keine Historie. Und ein wenig Wiederverwertung von Altlasten, die der Verlag mal in die Finger bekommen hat.
Und was wird es wirklich niemals von Peter Hein geben? Ein Kinderbuch?
PH: Weiß man's? Ich mein, für teuer Geld.....Kochbuch???
Irgendwer, ich glaube Peter Glaser, hat "Monarchie und Alltag" seinerzeit "das beste Buch des Jahres" genannt – hat Euch das damals geschmeichelt?
PH: Na logen, wir haben das ja absichtlich gemacht.
Gibt es Texte, für die du dich heute genierst - also so, als hätte man sein Tagebuch, das man mit 13 geschrieben hat, wiedergefunden? Und: hast du jemals Tagebuch geschrieben? Wird es jemals veröffentlicht?
PH: Genant sind wir für die schlechten Prophezeiungen. Da sind so einige Voreiligkeiten drin, aber so brillant verreimt, das mußte dann auf Verlagswunsch drin bleiben. Tagebuch? Gab es nie.
Und die Frau Eckelt (Viola Eckelt vom Lilienfeld-Verlag, Anm. cm) wäre da auch nicht in der Lage, weiterzuhelfen. Es gibt da gewisse Grenzen. Das mit dem Tagebuch hat auch ideologische Gründe, so wie nicht zum Friseur gehen und keine Hemden bügeln, naja, in diese Richtung...
Welchen Text hältst du für besonders gelungen?
PH: „Stein“, „Überstunden“ - die von der neuen Platte, die noch nicht erfasst wurden.....
Wenn man so häufig zitiert wird, also die eigenen Texte in den „popkulturellen Kanon“ übergegangen sind: macht einen das stolz oder fühlt man sich nur bestätigt?
PH: Beides.
Die Fehlfarben sind nach wie vor unterwegs und aktiv, also weder retro noch revival. Wann wäre der Zeitpunkt, ab dem du nicht mehr auftreten würdest?
PH: Tot. Bettlägerig (aber da könnt' man doch was mit Vernetzen probieren).
Was geht dir durch den Kopf, wenn du heutzutage die Bierdosenpunks mit Revolutionskostümierung in der Fußgängerzone siehst? Ist es nicht seltsam, dass aus deren Ghettoblastern noch immer Daily Terror dröhnt, sprich, dass dreißig Jahre alte Musik noch immer als Bürgerschreckmittel herhalten muß?
PH: Das funktioniert schon immer so, wenn man die richtigen Scheiben der Stones nimmt, werden auch noch Eltern sauer, und mich kann man mit Techno oder Didgeridoo im Park zur Weißglut treiben. Das sind eben auch alles kleine Ewiggestrige, wie wir alle.
Wo ist das Coverfoto gemacht worden?
PH: Straße und Hausnummer weiß ich nicht mehr. Im Treppenhaus einer vom Verlag gehüteten BuchhändlerInnen-Wohnung, Monheim am Rhein.
Was/wo wäre Peter Hein, wenn es weder Punk noch Rank Xerox gegeben hätte?
PH: ? Möbelhändler? Zwei Friseure?
Was war die absurdeste Anfrage, die du jemals von einem Verlag/Sender/Label bekommen hast? (Ich denke gerade an das seltsame "Litanei/Europa kreuzweise"-Buch, das Blixa Bargeld für den Residenz Verlag geschrieben hat - so was in dieser Art)
PH: Das Abstruseste war wohl das Projekt von Heiner Goebbels vor zwanzig Jahren (es hat dann aber statt gefunden und sogar funktioniert) in Frankfurt*. Und dann immer mal wieder irgendjemand, der mit 'nem schlechten Bassundtrommel-Gerumpel kommt und meint, da könnte ich doch mal schnell was zu "machen".
* Performance „Der Mann im Fahrstuhl“, Frankfurt, 1987, u.a. mit Fred Frith, Peter Hein, Arto Lindsay, Don Cherry, Holger Hiller und anderen / nach einem Text von Heiner Müller
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Dein erstes Buch "Geht so" ist unlängst als KiWi-Taschenbuch erschienen - wie fühlt man sich im Olymp der Popliteratur?
PH: Ich frag' mich die ganze Zeit, warum mein Buch genauso ausschaut wie das von Oliver Polak („Ich bin Jude, ich darf das“ / Anm. cm). Hab ich da was verpasst? Corporate ID? Welcher Olymp? Bedienen die eine Marktlücke?
Also: Es gab die Wahl zwischen KiWi und anderen, ich hab's für's abgelehnte Nachwort geschildert, es gab tatsächlich mehr Geld! (Wenig genug). Und es hat nichts mit sonstigen Verlagsautoren zu tun, ich kenne zwar einige, les die aber nicht, oder nur selten. Und sie wollten es haben, wir mußten es ihnen nicht aufdrängen. Ich bin einfach froh, dass es als Taschenbuch zu haben ist. Aber hier in Düsseldorfer Buchhandlungen hab ich's in den Neuheiten-Regalen noch nicht gesehen, wahrscheinlich weil die Händler es mit Oliver Dings (Polak, s.o.) verwechseln.....Ich liebe jeden meiner Verlage aufs allerinnigste! Das gilt auch fürs jeweilige Label! Bis ich wieder rausfliege, wegen verkauft ja nix.
Außerdem heißt das ja nur, das ich für Haffmanns zu schlecht bin!