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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




6. Juli 2009
 

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Juli 2009, erster Teil


  Michael Jackson: The Collection
Michael Jackson:
The Collection

5-CD-BoxSet, SonyBMG


Michael Jackson: The Collection

„Was hast du gemacht, als Michael Jackson starb?“ Daran wird man sich künftig genauso erinnern, wie Angehörige älterer Generationen genau wissen, wo sie waren, als sie von Elvis' (oder John Lennons oder Kurt Cobains oder J.F. Kennedys) Tod erfuhren. Böse Zungen behaupten ja, dass der „King of Pop“ schon seit Jahrzehnten ein Untoter war und sein tatsächliches physisches Ableben keine wirkliche Sensation darstellt – aber ob man zu den Zynikern oder den wirklich Trauernden gehört, niemand wird bestreiten, dass Jacko Außergewöhnliches für den Pop geleistet hat. Er war ein Grenzüberschreiter im allerwörtlichsten Sinn, hob Geschlechter-, Alters- und sogar Hautfarbenschranken auf, beziehungsweise ignorierte sie für sich komplett, was ihm wiederum viele übelnahmen: vor allem sein Morphing vom süßen schwarzen Jungen zum bleichen Androiden verstörte nicht nur die black community. Dennoch: was von ihm bleibt, ist die Musik – vor allem die seiner ersten drei, von Quincy Jones produzierten Soloalben „Off the Wall“ (1979), „Thriller“ (1983) und „Bad“ (1987), die auf einzigartige Weise schwarz und weiss, Funk und Rock, Disco, Soul und Mainstream crossovern. Michael Jackson engagierte Hardrockgitarristen wie Eddie Van Halen (das Solo in „Beat It“!) und komponierte mit Songs wie „Don´t Stop 'til You Get Enough“, „Billie Jean“, „Smooth Criminal“ und natürlich „Thriller“ Hits für die Ewigkeit. Leider wurde Jacksons Musik nach „Bad“ immer belangloser und selbstreferenzieller – im popkulturellen Gedächtnis bleibt der weißbehandschuhte Michael aus „Billie Jean“, nicht der Peter Pan-gleiche Whacko Jacko von „Invincible“. Zufall oder nicht: genau an Michael Jacksons Todestag erreichte uns die aufwendig gestaltete 5-CD-Box „The Collection“, die anläßlich seiner fünfzig Comeback-Konzerte in London veröffentlicht werden sollte. Diese Box ist nun sein Vermächtnis. Inhalt: Originalalben „Off the Wall“, „Thriller“, „Bad“, „Dangerous“, „Invincible“.


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  Jack Peñate: Everything is New
Jack Peñate:
Everything is New

XL/Beggars
» jackpenate.com
» myspace


Jack Peñate: Everything is New

Kurswechsel bei Jack Peñate, schon durch den Albumtitel angezeigt: wer einen direkten Nachfolger zu seinem rock'n'souligen Debüt „Matinée“ und Hits wie „Torn on the Platform“ und „Spit at the Stars“ erwartet, wird von „Everything is New“ nicht enttäuscht, aber in eine neue Richtung gestupst. Der Londoner Mid-Twen mit Hang zur exzessiven Liveshow mixt enthusiastisch Soul, Gospel, perkussionlastige Afrobeats und ganz viel Eighties-Pop zu einem fast durchgängig optimistisch klingenden Sommeralbum von knackiger 33-Minuten-Länge. Produziert hat Paul Epworth (Bloc Party, The Rapture), der Peñate offensichtlich dazu ermutigte, seinen Falsett-Gesang präsenter einzusetzen, der besonders auf der Single „Be the One“ gut zur Geltung kommt. Zum Titeltrack oder zu „Tonight´s Today“ kann man sich beinah im Michael Jackson-Stil choreographierte Straßentanzszenen vorstellen; auch „Let´s All Die“ kommt übermütig und schmissig-beschwingt daher, im Text heißt es fröhlich und fatalistisch zugleich: „Out of the womb and into the tomb / When our life is over let´s not cry“. An anderer Stelle kann man ein bisschen Wham! zu „Club Tropicana“-Zeiten heraushören, „Body Down“ ist ein eher ruhiger und nachdenklicher Schlusstitel. Alle Songs bleiben nach kürzester Zeit in Ohr und Herz – Fazit: Peñate ist noch nicht ganz so weit wie seine (mutmaßlichen) Vorbilder Nick Heyward, George Michael und Edwyn Collins, aber das dauert nicht mehr lang!


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  Kasabian: The West Ryder Pauper Lunatic Asylum
Kasabian:
The West Ryder
Pauper Lunatic Asylum

Columbia/SonyBMG
» kasabian.co.uk


Kasabian: The West Ryder Pauper Lunatic Asylum

Bescheidenheit ist keine Tugend, die sich Tom Meighan und Sergio Pizzorno alias Kasabian auf die Fahnen geschrieben haben: ihre Vorbilder – musikalisch und auch sonst – sind die Gallagher-Brüder, und über ihr neues Album mit dem reichlich pompösen Titel „The West Ryder Pauper Lunatic Asylum“ sagen sie so schlicht wie in-your-face, „“The album is just a really good album and that´s what´s so great about it.“ Das klingt nach Sechstklässlerlogik („es ist geil, weil´s geil ist!“), ist aber in Kasabian-Kosmos-Denke völlig richtig. Nach ihrem Erfolgsalbum „Empire“ von 2006, das sich knapp eine Million Mal verkaufte (und das heutzutage!) hätten es Pizzorno und Meighan auch ruhiger angehen lassen und wie andere Britrockbands ihrer Generation einen halbherzig-schlappen Nachfolger auf den Markt werfen können. „The West Ryder...“ zeugt bei aller Großkotzigkeit von musikalischem Entdecker- und Experimentiergeist, den man, möchte man böse sein, auch Eklektizismus nennen kann. Ganz klar haben Kasabian in erster Linie die Sixties geplündert, von Psychedelic über Fuzz-Gitarren, Mod-Beats, viel Hall auf der Stimme und Wah-Wah auf den Saiteninstrumenten finden sich hier alle Ingredienzien, die man einst bei Cream, The Who, den Kinks, Small Faces, Hawkwind und Ennio Morricone zuerst hörte, heute aber auch noch richtig gut kommen. Kasabian haben nicht vergessen, aus welchem Jahrhundert sie eigentlich stammen und lassen immer mal wieder ordentliche Elektrorock-Riffs einfließen, auch Rave der Spätachtziger spielt eine Rolle, bei „Take Aim“ und „Vlad the Impaler“ könnte man sich glatt einen gewissen Shaun Ryder als Gastsänger vorstellen – eine im wörtlichen Sinn und bei aller Bescheidenheit zeitlose Platte.


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  Moby: Wait for Me
Moby: Wait for Me
Ministry of sound / edel
» moby.com
» myspace


Moby: Wait for Me

Gähn... oh entschuldigung, ich muss wohl eingeschlafen sein. Verantwortlich für den gefährlichen Schreibtisch-Sekundenschlaf ist Mobys neues Werk „Wait for Me“, dessen Cover einmal mehr vom traurigen glubschäugigen Außerirdischen „Little Idiot“ geziert wird, den man seit vielen Jahren mit Moby verbindet. Wenn das kleine Strichmännchen die einzige Wiederholung auf „Wait for Me“ wäre, ach, man würde ja noch freudig lächeln. Leider ruht sich Mr. Moby seit langer Zeit auf dem für das 1999'er-Album „Play“ erfundenen Konzept aus: Samples von alten Blues- und Gospelplatten, verwoben in einen sanft-beruhigenden beziehungsweise einschläfernden Ambient-Elektroteppich. Was vor zehn Jahren durchaus neu und interessant klang, ist anno 2009 vorhersehbar und langweilig. Der ursprüngliche Reiz der Innovation ist der risikofreien Repetition gewichen: Geigen hier, brüchige Frauenstimme dort, perlendes Klavier oder wabernde Synthies plus Bluesopa, kennt man, tut keinem weh, musikalische Tapeten und vorprogrammierte „Atmo“ für Räume, in denen die Alterssicherung verhandelt wird. Und das auch noch sechzehn Tracks lang... Warum im Presseinfo David Lynch und Angelo Badalamenti als Inspiration genannt und Vergleiche mit Joy Division (beim lahmen, mit zaghaften Elektrobeats unterlegten „Mistake“), Echo & the Bunnymen oder gar Black Flag (!) bemüht werden, muss mir – wenn ich wieder wach bin – jemand mal genauer erklären. Dass Moby selbst mal Punk war, ist „Wait for Me“ jedenfalls nicht anzumerken.


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  Nouvelle Vague 3
Nouvelle Vague 3
PIAS
» myspace


Nouvelle Vague 3

Gepflegte Langeweile, Teil II: auch die beiden Franzosen Olivier Libaux und Marc Collin verfolgen seit einigen Jahren dieselbe Idee. Für ihr Projekt Nouvelle lassen sie sehr junge, meist unbekannte französische Sängerinnen Wave- und Punkklassiker der Siebziger und Achtziger neu interpretieren, musikalisch in luftig-leichte Bossa-Loungearrangements verpackt. Beim ersten Mal (2004) wirkten die gesäuselten Versionen von „Too Drunk too Fuck“ und anderen Punkkrachern charmant und hinreißend, beim dritten Album klingt das Ganze reichlich ausgelutscht, obwohl man das Konzept für „NV3“ auflockerte. Auch dieses Mal singen junge Damen, „denen die Bedeutung von Punk und Post-Punk gar nicht bewusst war“ (sic! Zitat Libaux), musikalisch begab man sich statt in Loungegefilde in Richtung Chanson, Country und Mariachi und fragte zudem einige Songurheber als Duettpartner an: zugesagt hatten Martin Gore (Depeche Mode), Ian McCulloch (Echo & the Bunnymen), Terry Hall (Specials, Fun Boy Three), Barry Adamson (u.a. Nick Cave & the Bad Seeds), die alle auf dem Album zu hören sind. Aber auch die hochkarätige Besetzung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es den meisten Stücken nicht gut tut, wenn man ihnen – wie beabsichtigt – den „Stachel zieht“. „God Save the Queen“ zum lahmen Lagerfeuer-Folksong zu kastrieren oder das wunderbare „Our Lips Are Sealed“ von Fun Boy Three und den Go-Go´s und Depeche Modes „Master and Servant“ zu hingehauchten Seidenlakenschnulzen zu machen, führt nur dazu, dass man schnell zum Plattenregal läuft, um die Originalversionen rauszuholen. Auch „So Lonely“ von Police und Talk Talks „Such a Shame“ brillierten ja gerade durch Verzweiflung und Hysterie in den Stimmen, der Weichspülgang zerstört hier das Gewebe wie Mottenfraß. Manche Tracks geraten auch ganz nett: „Blister in the Sun“ und „Ça plane pour moi“ dürfen ihren lebendig-anarchischen Beat behalten und gehen deshalb auch mit französischem Kinderstar am Mikrofon okay.


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  Tortuga Bar: Narcotic Junkfood Revolution
Tortuga Bar:
Narcotic Junkfood Revolution

VierSieben Records/ Alive
» tortugabar.net
» myspace
» viersieben.de


Tortuga Bar: Narcotic Junkfood Revolution

In einem Mixtape stecken oft jede Menge Liebe, Herzblut und Arbeit. So wie in Evan Dandos „Varshons“, mit denen die Lemonheads im Sommer '09 erfreuen. Parallel ist mit Tortuga Bars Debüt ein zweiter, liebevoller Mix erschienen, auf dem Dando ebenfalls zu hören ist: Mit dem wunderschönen Lovesong „Storm“, begleitet von Gisbert zu Knyphausen. Ein ruhiger, besinnlicher Track, der den Hörer innehalten lässt. Auf einem Album, das oft mächtig kracht. Drei Jahre lang haben Mark Kowarsch (früher Speed Niggs, Sharon Stoned und Elektrosushi) und Alexandra Gschossmann mit anderen Musikern an diesem Werk gefeilt. Das Resultat ist ein Juwel in Albumform, ein Longplayer, der ganz sicher viele Freunde alternativer Gitarrenmusik begeistern wird. „Just gimme Indie Rock!“ ist das Motto, das wird gleich beim rotzigen Opener „Likely to be dropped” deutlich, auf dem Tortuga Bar mit Nagel (Muff Potter) rocken. Zwölf Songs vereint „Narcotic Junkfood Revolution“, zwölf Beiträge mit Musikern verschiedener Generationen. Leute wie Evan Dando, Phillip Boa, Klaus Cornfield und Kowarsch selbst musizieren schon ewig. Andere, wie Nino Skrotzki (Virginia Jetzt!), Peter Brugger (Sportfreunde Stiller) oder Gisbert zu Knyphausen, kamen später auf den Teller (oder besser: in den Player). Alle Mitwirkenden zu nennen, ist kaum möglich, Highlights herauszupicken aber auch. Deshalb hier nur exemplarisch: Die Postpunk-Hymne „Halle Berry“ mit David Cunningham und Phillip Boa ist so gut, dass sie auf einem anderen Mixtape (spontane Idee: „Road to Franconia, Vol. 2“) bestens zwischen die TV Personalities und die Undertones passen würde. Bei „Fake it“ wird mit Klaus Cornfield und Bernadette La Hengst ganz vorzüglich über ein Kinks-Riff geschrammelt, gleichzeitig werden Erinnerungen an L 7 und Veruca Salt wach. „Addicted“ mit Sedlmeir und Rummelsnuff stampft so trefflich wie Al Jourgensen, „Bika“ („Please don't put your life in the hands of dixieland bands“) mit Peter Brugger könnte einer Tanzschuldisco sogar mal Spaß bringen. Und: der Schlusspunkt „Feel the Love“ mit dem Grunger Javi von Navel aus der Schweiz ist einfach top. To come to a conclusion: wir geben hier für Musik keine Schulnoten oder so. Aber wenn die Lieblingschefin nichts kürzt, dann steht hier für „Narcotic Junkfood Revolution“ ausnahmsweise eine: Fünf Sterne deluxe! (Thomas Backs)


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