The Who - Maximum Rock
Im Herbst des vergangenen Jahres ist mit “Maximum Rock” der erste Teil der inzwischen zwei Wälzer umfassenden Who-Biographie von Christoph Geisselhart erschienen. Und dieses Buch stellt, was Informationen über diese Band angeht, alles bisher auf dem deutschen Markt dagewesene in den Schatten. Auf über fünfhundert Seiten breitet der in Österreich beheimatete und im Hauptberuf als bildender Künstler tätige Autor die Geschichte dieser außergewöhnlichen und im Vergleich zu weitaus berühmteren Gruppen wie den Beatles und den Stones gnadenlos unterbewerteten Formation, beginnend mit der Geburt der Akteure und deren Aufwachsen in und um London, aus.
Trotz der fast erdrückenden Anzahl an Fakten und Anekdoten, die hier verarbeitet werden, liest sich das Buch sehr flüssig, genau genommen wie ein Roman. Geisselhart gelingt es, die Akteure lebendig werden zu lassen und während im ersten Drittel des Buches eigentlich alle vier mehr oder weniger unabhängig voneinander erste musikalische Gehversuche an zum Teil noch sehr un-rockundrolligen Instrumenten, im Falle von John Entwistle war es das Waldhorn, machen, erfahren wir viel über die familiären und soziale Hintergründe, die zum Verständnis der späteren, trotz aller Erfolge leider dauerhaften und teilweise eskalierenden Konflikte zwischen den Vieren notwendig sind. Für alle nicht Eingeweihten: Das größte Problem innerhalb der Band war zusätzlich zu den künstlerischen Egos die unterschiedliche soziale Herkunft der vier Musiker. Sänger Roger Daltrey und Schlagzeuger Keith Moon waren Kinder aus der Arbeiterklasse, besonders Daltreys war schon früh sehr aufstiegsorientiert und schielte nach materieller Sicherheit. Gitarrist Pete Townshend und Bassist John Entwistle kamen aus dem eher liberalen Bildungsbürgertum und waren mehr auf künstlerische Entwicklung als auf schnellen materiellen Erfolg und den damit verbundenen Aufstieg auf der sozialen Leiter aus. Und doch haben gerade diese dauerhaft vorhandenen Spannungen, die die Band eigentlich seit Gründung kontinuierlich am Rande des Auseinanderbrechens hielten, für die ungeheuerliche musikalische Entwicklung gesorgt. Ausgehend von einer in den frühen Sechzigern häufig anzutreffenden britischen Bluesrockband hin zu den nahezu orchestralen Konzeptalben der Siebziger, die - ich gebe es zu, für einfache Rock'n'Roll-Freunde wie mich - dann doch zu verkopft waren.
Das außergewöhnliche an dieser Who-Bibel ist, dass sie nicht wie die allermeisten Musikerbiographien von einem native Speaker, am Besten noch aus näheren Umfeld der Musiker geschrieben ist, sondern dass ein Österreicher sich aufgemacht hat, der bei der Kontaktaufnahme zu Zeitzeugen, Wegbegleitern und Bandmitgliedern sicherlich größere Schwierigkeiten hatte, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie zur Mitarbeit zu bewegen. Und dies gerade weil er das Buch zuerst im deutschen Sprachraum veröffentlichen wollte. Bestimmt hat keiner der Interviewpartner und auch der Autor selbst nicht gedacht, dass letztendlich ein Werk geschaffen würde, das sämtliche bisher erschienenen Who- Biographen in die zweite Reihe verweist... Und das, obwohl der Autor außer einem Fantasyroman in den Neunzigerjahren noch nie ein Buch veröffentlicht hat.
Alles in allem macht “Maximum Rock” Teil eins Appetit auf den zweiten Teil, der wie bereits erwähnt, inzwischen erschienen ist und die weitere Bandgeschichte, beginnend Anfang der siebziger Jahre bis 1978, beschreibt – in diese Zeit fällt beispielsweise auch der tragische Drogentod von Drummer Keith Moon, das Unglück liess die Band damals beinah auseinanderbrechen. Und, unglaublich, aber wahr: auch ein dritter Band ist für dieses Jahr geplant, der dann die Endsiebziger-Phase der Who bis heute beinhalten wird. Ich für meinen Teil bin schon mal gespannt.