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23. November 2009
Wolfgang Buchholz
für satt.org

  Grant Hart: Hot Wax
Con D'Or/Cargo


Grant Hart: Hot Wax

Sehr lange nicht gesehen. Es ist, als stünde ein alter Freund nach Jahren wieder vor der Tür. Zehn Jahre sind vergangen seit der letzten Platte von Grant Hart. Grant Hart - für die jüngeren unter uns - hat einige der besten Songs der 80er Jahre verfasst. Zunächst fast bis zur Unkenntlichkeit im Krach versteckt, später mehr und mehr freigelegt bei Hüsker Dü. Vor genau zwanzig Jahren erschien dann sein erstes Solo-Album, wieder beim legendären SST-Label, das auch die ersten Hüsker Dü-Platten vor deren Major-Deal veröffentlichte. „Intolerance“ zeigte ihn auf dem Höhepunkt seiner Kunst und „All of my senses“ und „2541“ sind Lieder für die Ewigkeit. Anfang der 90ern machte er dann zwei Alben und eine EP mit Nova Mob, ein Solo-Live-Album erschien Mitte der 90er und schließlich in 1999 noch „Good news for modern man“, danach war Funkstille.

Ganz überraschend also die Meldung einer neuen Platte, die schnellstmöglich herbei muss. Hier ist sie nun, und sie wächst mit jedem weiteren Hören. Das ist ja meistens ein gutes Zeichen für ein Album. „You’re the reflection of the moon on the water“ zum Einstieg entwickelt eine ähnlich hypnotische Wirkung wie weiland „All of my senses“. Eine Orgel wabert im Hintergrund, worüber Grant Harts Stimme eindringliche Verse wie „You’re the sound of the rain on the dry earth. But you’re not the rain“ skandiert. Der Einstieg passt schon einmal. Kammermusikalischen Charakter mit Streichern und Trompete verbreitet das nicht nur wegen des Titels an die Beach Boys erinnernde „Barbara“. Zugreisen mit dem „California Zephyr“ oder amerikanische Möbeldesigner in „Charles Hollis Jones“ werden besungen und jubilierende Refrains, üppige Arrangements, Ahas und Ohos prägen die meisten der Lieder. Etwas zurückhaltender arrangiert sind „School buses are for children“ und „I know all about you since then“, aber sonst wird in der Instrumentierung aus dem Vollen geschöpft. Nach neun Liedern und gut 35 Minuten ist die Platte dann vorbei. Sie klingt gewiss nach Sixties, keineswegs aber „old-fashioned“ sondern irgendwie aus der Zeit gefallen. Der frühe David Bowie kommt einem in den Sinn. Mir gefällt’s, allerdings ist dies mit Sicherheit kein objektives Urteil. Bei Grant Hart habe ich die Vereinsbrille auf, dafür ist sie ja aber auch da. Vielleicht kommt der alte Freund Hart ja nochmal persönlich bei uns in Deutschland vorbei, ich wäre dabei.

Übrigens hat auch sein früherer Hüsker Dü-Spezi Bob Mould nach längerer Durststrecke im letzten Jahr mit „District line“ wieder in die Spur gefunden. Gottseidank sind die beiden aber nach wie vor so zerstritten, dass es wohl nicht zu einer „Wegen-Kohle-Reunion“ kommen wird. Lieber schöne Erinnerungen als enttäuschende Comebacks.