Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




23. November 2009
Dominik Irtenkauf
für satt.org

  Turin Brakes: Bottled At Source
Doppel-CD, Source/Virgin/EMI


Turin Brakes:
Bottled At Source

Großbritannien ist stark im Folkbereich vertreten. Doch Folk ist nicht gleich Folk. Es gibt eine Art von Puristensound, der sich vor allem in leisen Tönen und akustischen Instrumenten gefällt. Daneben, und das wird der breitenwirksamere Aspekt dieser Musikrichtung sein, gibt es Folk Pop, das heißt den Ansatz, schöne Popsongs auf der Basis von Folk zu schreiben. Turin Brakes schauen mittlerweile auf zehn Jahre Bestehen zurück. Auf eine Zeit, in der sie sich in die Herzen der Hörer gespielt haben. Olly Knights und Gale Paridjanian kombinieren wunderschöne Melodieläufe mit dem gewissen Pathos, der britischen Bands zu eigen zu sein scheint. Nicht wenige Male wird man an die Klasse von Radiohead erinnert, verbunden mit der Orchestralität von Muse, doch das Duo agiert gänzlich anders. Statt komplett auf Synthesizer zu bauen, beginnen sie oftmals akustisch-leise und steigern bis zum Ende des Stücks die Spannung bis zu einem kaum aushaltbaren Grad. Wenn der Höhepunkt kurz bevor steht, brechen sie ab beziehungsweise lösen ihre Kompositionen im Äther auf.

Auf der Zusammenstellung wird recht schnell deutlich, wie Turin Brakes‘ Stücke funktionieren. Die klaren Stimmen der beiden Briten sprechen den Hörer direkt an, während die Gitarren die Melodien ausführen, die nach ein paar Mal Hören hängenbleiben. Eine Bewertung von Best-Of-CD’s hat immer einen faden Beigeschmack, weil man eigentlich die einzelnen Stücke schon kennt oder zumindest die Band in ihren Jahren begleitet hat. Das trifft hier zweifach nicht zu: einerseits muß ich mein Unwissen bezüglich Turin Brakes eingestehen, zweitens finden diverse Bonustracks (wie Demoversionen und Live-Aufnahmen) den Weg auf die zweite Bonus-CD. Um die Band kennenzulernen, eignet sich die Doppel-CD gut, denn man fängt bald schon an, die Band für ihre emotionalen, aber zu keinem Zeitpunkt pathetischen Kompositionen zu lieben. ‚Mind Over Money‘ oder ‚Dark On Fire‘ zeigen all die fragile Attraktivität der Turin Brakes: ein Songwriter spielt die Akkorde auf der Akustikgitarre, singt dazu in androgyner hoher Männerstimme, verliert sich jedoch während des Songs nie in schwelgerischen Narzißmus, bleibt immer am Faden der musikalischen Botschaft hängen, strickt seine Aussage bis zum Ende durch. Hört man genauer hin, besonders bei den Konzertversionen, wird ein nicht zu unterschätzender Bezug zu amerikanischen Rockeinflüssen deutlich, vor allem, was die stark vom Country geprägte Folktradition der Vereinigten Staaten angeht. Der episch-orchestrale Charakter bleibt als Hintergrund jedoch bei einem Großteil der Stücke bestehen. Manchmal erzeugen die Keyboards diese Atmosphäre, ein ander Mal die Gitarrenharmonien und sehr oft sogar die Stimmen der beiden Musiker. Für reinen Folk sind Turin Brakes zu poppig. Dadurch gewinnen die Stücke an Prägnanz, denn Abwechslung wird bei den Briten großgeschrieben.