Marc Ribot – energetisches, offenes
Experimentier- und Improvisationsfeld
Der szenen- und genrewechselgewandte Gitarrist Marc Ribot war mit seiner Band Ceramic Dog und dem Dubuis Trio in diesen Wochen in Europa unterwegs. Ausserdem ist vom Dubuis Trio & Marc Ribot die CD "Ultime Cosmos" erschienen.
Ribot, durch Zusammenarbeit mit Größen der amerikanischen Songwriter -und Jazz-Avantgardeszene und eigene Veröffentlichungen bekannt, ist im Kontext des Schweizer Dubuis Trio auch melodisch-virtuos und nicht nur wie oft verquer-hartkantig. „Ultime Cosmos“ ist dabei manchmal mehr dem rauen, brachialen Rock nahe und dann wieder atmosphärisch Jazzigem, als wehe es den Sound vergangener Jahre aus Downtown New York herein. Wobei Lucien Dubuis' Alt-Saxophon und Kontrabass-Klarinette mit Tonfolgen besondere Akzente setzen, die wie im Dunkeln rauchig leuchten und schillernd zwielichtig-düsteren Raum schaffen. Am Bass ist Roman Nowka, am Schlagzeug Lionel Friedli. Zwischen Rock und Jazzballade eingebaut Crossoverstücke, die heftige Punk-Funk-Jazz-Grooves und kreischend-schräge Melodien prägen. Dabei die typische NY'er Dynamik wie von europäischer Intellektuellenattitüde kontrolliert. Mit ironischem Unterton einerseits, andererseits ernsthaften abgehoben flirrenden Gitarrensoli und coolen oder spröden Bass- und Schlagzeugläufen. Das Ganze aber frei von allzu kopflastiger Improvisation im sehr freien Zusammenspiel von Kräften der vier Charaktere. Manchmal wie explizit die Jazz-Avantgarde von den 80'ern an zitierend und dann wieder Sequenzen bisher unbetretenen Neulands anvisierend oder zwischendurch auf einmal in nostalgisch Chansonartigem ruhend. Insgesamt prägnant-starke Shreds und Beats, nicht überbetont in Extremen, sondern auf sich konzentriert und spielerisch leicht. Und dabei doch nicht im überstrapaziert Bekannten, sondern sozusagen: Wie immer wieder vermisst und wieder da.
Live gastierte Marc Ribot mit Ceramic Dog am 28.10.09 im Münchner Nightclub Bayerischer Hof. Mit dabei Ches Smith am Schlagzeug und Shahzad Ismaily an Bass, Moog-Synthesizer und Elextronics. Die Band ist nun nach einigen Jahren des Tourens und der Veröffentlichung der CD „Party Intellectuals“ bestens aufeinander eingespielt. Die musikalische Interaktion ein offener Dialog. Der trotz der jetzt wahrnehmbaren Routine noch nicht unbedingt zum einschätzbaren Kommunikationsraum wird. Ceramic Dog ist mehr ein Experimentier- und Improvisationsfeld für Songs denn ein Platz für bloße Virtuosität. Das macht den Reiz aus. Zwischen vertrackten Minimalismen und grober Unberechenbarkeit, einfacher Songstruktur und forschender Improvisation, freiem Hard Rock und funkigem Free Jazz, angedeuteter Psychedelik und verspielter Elektronik ist bewusst und unbewusst alles möglich. Mit neuem Songmaterial im Set. Und Eszter Balint mit Geige und Gesang als Gast. Die eigentliche Härte von Ceramic Dog tendiert dabei schon sehr zum Pop. Unter anderem mit dem Serge Gainsbourg-Cover „Hier Ou Demain“, aus Paris vom John Zorn-Tribut an Gainsbourg mitgebracht. Eine Art schmachtende Punkdemontage, bei der der Song nur durch gespielt schier grenzenlos naiven Charme aufgefangen wird. Die Stimmen von Ribot und Balint im Duett. Zu Beginn nur begleitet von einzelnen Drumschlägen. Und einsamer Melodie. Dann Switchen in einen totalen Hardcore-Drive im zweiten Part des Songs. Höchstenergetisch diesmal besonders „Break On Through“, der Doors-Klassiker. Sonst sind durchaus auch stranges Abdriften, abrupte Brüche, starke Stimmungs- und Dynamikschwankungen mit Extremen in musikalischen Energien im Spiel.