The Clash: London Calling
30 Years Anniversary Edition
(CD + DVD, Columbia/Sony Music)
Es gibt Jubiläumsfeierlichkeiten, auf die kann man gut und gerne verzichten: zum Beispiel den dreißigsten Geburtstag von „London Calling“, dem wegweisenden Doppelalbum von The Clash. Ist ja nicht schlimm, dass die Platte schon so alt ist, bedenklich ist eher, dass man sich selbst noch gut an das Erscheinen des Originals erinnern kann. Nicht ganz plastisch vielleicht, aber trotzdem. Doch wir wollen an dieser Stelle kein Lamento über den eigenen Verfall anstimmen, sondern einem Tonträger huldigen, den der aktuelle Musikexpress als „das vielleicht wichtigste Doppelalbum der Rockhistorie“ bezeichnet und der vom US-Rolling Stone, obwohl bereits 1979 erschienen, zum größten Rockalbum der achtziger Jahre ernannt wurde. Das sind vollmundige Worte, aber nicht zu hoch gegriffen: '79 waren The Clash schon richtige Stars, die von Die-Hard-Punkfans argwöhnisch beobachtet wurden – den Vorwurf des „Ausverkaufs“ musste sich die Band allerdings von Anfang an gefallen lassen, schließlich erschien bereits ihr Debütalbum 1977 beim Majorlabel CBS. Mit dem von Guy Stevens produzierten „London Calling“ wagten sich Joe Strummer, Mick Jones, Paul Simonon und Topper Headon weit vor; schon das Format des Doppelalbums war in den späten Siebzigern mehr als anrüchig und wurde mit überladenem Dinosaurier-Rock á la Yes in Verbindung gebracht, nicht aber mit Punk. Und überhaupt, was hieß schon Punk: mehr als die meisten anderen Punkbands experimentierten The Clash mit verschiedenen Musikstilen, bereits auf ihrem Debüt coverten sie den Reggaesong „Police and Thieves“ von Junior Murvin. Auf „London Calling“ fielen dann endgültig alle Genreschranken, Reggae, Rockabilly, Funk, Rock'n'Roll flossen in die neunzehn Songs, von denen der Titeltrack zwar bis heute der bekannteste, musikalisch aber gar nicht mal der spannendste ist. Paul Simonons Bass klang nie so eindrucksvoll wie auf „The Guns of Brixton“, „Brand New Cadillac“ (eine Coverversion des '58er-Hits von Vince Taylor) ist eine rasante Rock'n'Roll-Nummer, „Lost in the Supermarket“ kritisiert die moderne Konsumhölle. The Clash lieferten mit „London Calling“ ihr unbestrittenes Meisterwerk ab, doch leider ging´s von da an bergab. Mit dem überambitionierten Nachfolgewerk „Sandinista!“ (ein Triple-Album) hoben sich The Clash einen Bruch, die Beziehungen der Bandmitglieder untereinander waren schon zu „London Calling“-Zeiten zerrüttet, das Ende der Band war nur noch eine Frage der Zeit. Und auch wenn The Clash 1982 mit „Should I Stay Or Should I Go“ (vom Album „Combat Rock“) ihren größten Hit landeten, der auch in einem Levi's-Werbespot verwendet wurde, gingen Strummer, Jones, Simonon und Headon (der wegen seiner Heroinsucht ohnehin schon aus der Band geflogen war) bald getrennte Wege.
„London Calling“ dürfte zwar in vielen Haushalten vorhanden sein, die „30 Years Anniversary Edition“ die Anschaffung dennoch wert: zum Originalalbum wurde ein aufwändiges Booklet und eine DVD mit Promo-Videos, einer Dokumentation des Punk-Filmemachers Don Letts und einem lange verschollenen Filmchen mit Studioaufnahmen gepackt. [Christina Mohr]
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This is Spinal Tap
(25th Anniversary Edition, 3 DVDs)
"These go to eleven!"
Schon wieder 25 Jahre ist es her, dass „This is Spinal Tap“, die fiktive Musikdokumentation von Rob Reiner („Harry und Sally“, „Stand by me“), Premiere hatte. Viele halten diesen Film für die lustigste Musiksatire überhaupt – und selbst wenn es von diesen tatsächlich so viele gäbe, wie's solch eine Aussage glauben macht, wäre „This is Spinal Tap“ garantiert ganz vorne mit dabei. Der Rolling Stone nannte den Film zu Recht „die Mutter aller Rock-Satiren“. Einer der besten Witze von Anfang an war ja schon, dass manche Kinozuschauer gar nicht begriffen, dass dies keine echte Dokumentation war (was als Qualitätsmerkmal gelten darf). Man beglückwünschte den Regisseur zu seinem Werk, fand es aber schade, dass er keine bekanntere Band dafür ausgewählt hatte. Es scheint, als habe Rob Reiner schon in „This is Spinal Tap“ seine persönliche Handschrift entwickelt, die er in späteren Filmen perfektionieren konnte. Immer wieder gern erinnert man sich an das Desaster der viel zu kleinen Stonehenge-Bühnendeko, an die mysteriösen Todesarten verstorbener Mitglieder (erstickt an Erbrochenem, aber nicht seinem eigenen; plötzlich explodiert etc.), ans Verlaufen auf dem Weg zur Bühne und natürlich den Verstärker, der das kleine bisschen mehr drauf hat und den man bis '11' statt nur bis '10' aufdrehen kann. Auch Billy Crystal darf hier schon einen kleinen Gastauftritt absolvieren, bevor er als „Harry“ Meg Ryan zum gefakten Orgasmus bringen und Kultstatus erringen wird.
Und was ist mit der Musik?
Unter Mitarbeit von Rob Reiner und den drei Hauptakteuren Michael McKean, Christopher Guest und Harry Shearer (die zusammen Spinal Tap bilden) entstand eine Handvoll Rocksongs, die absolut ernst gemeint sind; unvergessene Titel wie das bereits erwähnte „Stonehenge“ oder „Big Bottom“ („How can I leave this behind?“) sind mehr als schlichte Kalauer. Obwohl sie natürlich auch das sind. Besonders die gefaketen Beat-Songs aus der Frühzeit der Band („Gimme Some Money“!) sind echte Klassiker.
Zum Jubiläum erscheint nun bei Arthaus eine fulminante Edition mit drei DVDs – der Originalfilm plus jede Menge Extras wie Outtakes, Audiokommentaren, „The Return of Spinal Tap“, Original-Trailern und und und... Übrigens ein ideales Weihnachtsgeschenk für Fans und solche, die es bitte noch werden sollen. [Tina Manske, zuerst erschienen im Titel-Magazin.]