Am 23. Januar 2010 wäre Jazzgitarrist Django Reinhardt hundert Jahre alt geworden – doch der Manouche* verstarb im Alter von nur 43 Jahren an einem Schlaganfall. In seinem kurzen Leben gelang es dem Sohn fahrender Leute, über hundert Songs zu komponieren oder an ihnen mitzuwirken; zu seinen Bewunderern gehörte unter anderem Duke Ellington, der trotz einer chaotisch verlaufenen gemeinsamen US-Tournee (Reinhardt galt als chronisch unpünktlich und unzuverlässig) stets nur lobende Worte über Django verlor.
Django Reinhardt kann als einer der ersten Crossover-Musiker bezeichnet werden: lange bevor es diesen Begriff gab, verband er traditionelle Sinti- und Roma-Musik mit Blues- und Jazzelementen, Swing, Flamenco und Musette. Diese Mixtur wurde Jazzmanouche oder Sintiswing genannt, mit seinem legendären Quintette du Hot Club de France trug Django den mitreißenden, ebenso leichtfüßigen wie komplexen Sound in die Welt. Sein Gitarrespiel war einzigartig: weil er bei einem Unfall zwei Finger einbüßte, entwickelte er eine spezielle Greiftechnik, die es ihm möglich machte, schneller, flirrender und virtuoser zu spielen als manch anderer Gitarrist mit allen Fingern.
Susie Reinhardt, Hamburger Journalistin und Musikerin (Hoo Doo Girl), ist weitläufig mit Django verwandt - mit einer kenntnisreich und liebevoll zusammengestellten Tribute-Compilation erinnert sie an den Ausnahmegitarristen. Auf dem Sampler befinden sich Künstler aus der weitläufigen Reinhardt-Familie wie Dotschy und David Reinhardt, Sinti- und Roma-Musiker wie Biréli Lagrène, aber auch Bands wie Tiki Daddy und Tony Murena & Son Ensemble, die in Djangos spirit spielen und sein musikalisches Vermächtnis auf ganz unterschiedliche Weise würdigen und wahren.
satt.org hat Susie gefragt, wie es zu dem Album kam:
satt.org: Wann bist du auf die Idee gekommen, ein Django-Tribute-Album zusammenzustellen?
Susie Reinhardt: Das war vor gut zwei Jahren. Ich hatte angefangen, über meine Wurzeln väterlicherseits nachzudenken - mein Vater kommt aus der Minderheit der Sinti und Roma. Bei uns zuhause liefen immer die Platten von Django Reinhardt. Und mein Vater, der selbst Musiker war, erzählte bei vielen Gelegenheiten, dass wir mit dem großen Jazzgitarristen verwandt sind. Zuerst plante ich, eine Biographie über diesen entfernten Familienangehörgen zu schreiben, der ja so ein interessantes Leben führte und es zu Weltruhm brachte, obwohl seine Startbedingungen nicht gerade rosig waren: er kam in einem Wohnwagen als Kind fahrender Kleinkünstler zur Welt, nach einem Unfall fehlten ihm zum Spielen zwei Finger an der Greifhand und er konnte keine Noten lesen...
satt.org: War es schwierig, genügend passende Bands und KünstlerInnen zu finden? Vor allem die, die nicht so auf der Hand liegen wie das David Reinhardt Trio oder Coco Schumann... wo hast du Schwerpunkte gesetzt?
SR: Die Suche nahm viel Zeit in Anspruch, aber sie machte auch viel Spaß. Irgendwelche Bands zu finden, die von Django Reinhardt beeinflusst sind, ist ganz einfach. Aber mein Ziel war es, Musiker auszumachen, die unter anderem auch Songs in seinem Geiste spielen, und die ein möglichst breites musikalisches Spektrum abbilden. So fand ich dann nach viel Recherchearbeit unter anderem die New Yorker Band Tiki Daddy, die das schöne Manoir de mes Reves von Django Reinhardt im polynesischen Sound spielen oder Mama Rosins Freres Souchet aus Genf, deren Swing klingt, als käme er aus Sümpfen Louisianas.
satt.org: Welches ist dein Lieblingsstück auf der CD und warum?
SR: Mir gefallen natürlich alle, sonst hätte ich sie nicht für die Compilation ausgesucht. Welches gerade mein liebster Song ist, wechselt immer mal, im Moment ist es Tschorn Kellil Pro Bollipen vom Titi Winterstein Quintett, ein Song in Romanes, der Sprache der Sinti und Roma, gesungen als Duett von einem Geschwisterpaar.
satt.org: Wenn Django heute noch lebte, was könnten jüngere Musiker von ihm lernen? Und welche Band, welche KünstlerInnen würden ihm wohl gefallen?
SR: Dass heutige Musiker noch auf diesen vor hundertJahren Geborenen zurückgreifen, sich immer wieder auf ihn berufen, seine Songs nachspielen, neu interpretieren, genau das will diese CD-Compilation zeigen. Was sie an Django Reinhardt Besonderes finden, ist unterschiedlich. Viele hören in seinen Melodien einen besonders starken Gefühlsausdruck, andere finden ihn technisch verblüffend, sie bewundern sein Rhythmusgefühl: sie finden ihn rasend schnell und dabei unkonventionell und locker. Duke Ellington zählte Django Reinhardt zu den „Unverwechselbaren“ („Inimitables“) und das ist es natürlich auch, was Musiker an diesem Ausnahmegitarristen fasziniert: dass seine Art die Töne zu treffen, ob er nun Musettewalzer, Bach, Sintiswing oder Be-Bop spielte, so besonders war, dass man ihn immer wieder erkannte.
satt.org: Auf der Compilation ist auch ein Song deiner Band Hoo Doo Girl: waren die anderen beiden gleich bereit, ein Lied über Django Reinhardt zu spielen oder musstest du Überzeugungsarbeit leisten?
SR: Nein, überreden musste ich niemanden. Auch wenn der Song von der Suche nach Django Reinhardt handelt, so ist er doch ein typischer Hoo Doo Girl-Song. Statt Garage-Soul, wie wir den Stil unserer Musik beschreiben, handelt es sich eben um Garage-Swing.