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28. April 2010
Robert Mießner
für satt.org

  Archie Bronson Outfit – Coconut
Archie Bronson Outfit: Coconut
CD+DVD, Domino
» archiebronsonoutfit.com
» myspace


Archie Bronson Outfit Live
  • Di 02.11.10 Hamburg, Molotow
  • Mi 03.11.10 Berlin, Magnet
  • Do 04.11.10 Dresden, Beatpol
  • Fr 05.11.10 München, Atomic Café




Blues ist keine Schlafmusik

Hieße diese Platte nicht »Coconut«, könnte man sie auch »Jungle Rock« nennen. Das würde Sinn machen, denn: Archie Bronson Outfit aus Südlondon spielen exakt das auf ihrer dritten LP bei Domino Records. Dass sie Hank Mizells »Jungle Rock« kennen, darf vermutet werden. Ebenso die Coverversion von Tav Falco’s Panther Burns auf »Midnight in Memphis live« oder die von The Fall auf »Levitate«. Mark E. Smiths vielköpfiges Kollektiv schätzen sie definitiv. Man kann sich mit ihnen aufs Beste über den Gun Club und Peter Brötzmann unterhalten. An Berlin mögen sie unter anderem die Plattenläden und Konnopkes Imbiss auf der Schönhauser. Es spricht also schon mal einiges für Archie Bronson Outfit: Sam ›The Cardinal‹ Windett (Gesang und Gitarre), Dorian Hobday (Gitarre und Bass) und Arp Cleveland. Der spielt nicht nur Schlagzeug, sondern ist der Songwriter der Band. Eine Kombination, die man sich merken sollte. Bei Archie Bronson Outfit ist Rhythmus mehr als das bloße Gerüst der Musik. Das Trio hat dann noch einen vierten Mann: ›Voodoo‹ Duke Garwood heißt der reguläre Gast und Saxophonist. Er macht seinem Künstlernamen alle Ehre. Die ersten beiden Alben von Archie Bronson Outfit boten massiven Garagenblues auf. »Fur« (2004) war das rauere der beiden. Es ist auch ihr Debüt gewesen. »Derdang Derdang«, der sprachspielerische Nachfolger, wurde dann schon etwas verfeinerter. Aufgenommen hatten sie ihn übrigens in Nashville. Wie immer gilt: Es geht dann noch mal anders.

Für »Coconut«, limitierte Exemplare beider Formate kommen mit einer Bonus-DVD, gingen Archie Bronson Outfit mit Tim Goldsworthy ins Studio. Hörer von LCD Soundsystem und Hercules And Love Affair werden den Mann kennen und nicht aus allen Wolken fallen, wenn sie das erste Mal mit den plötzlich deutlich elektronisch gewordenen Archie Bronson Outfit konfrontiert werden. Trotzdem ist »Magnetic Warrior«, der erste Track des Albums mit seinen überlagerten Rhythmen, eine gelungene Überraschung. Sie lässt sich noch steigern: Kurz vor der zweiten Minute setzt eine sägende Krautrock-Gitarre ein. Der Sound ist entweder alarmierend oder euphorisch. Windetts Gesang, der über weite Strecken eher klagend klingt, sorgt für einen seltsamen Kontrast. Aber gerade der ist, was hier funktioniert. »Coconut« wirkt zusammengesetzt und gewachsen zugleich. Durch das Album tobt eine verschachtelte Hektik, die zu allem Überfluss noch sehr popmusikalisch klingt. Vorausgesetzt, man hat von Pop einen erweiterten Begriff, kann man auch »You Have A Right To A Mountain Life / One Up On Yourself« so nennen: Der sechste Song des Albums wartet mit einem völlig enthemmten Free-Form-Gebläse, galoppierenden Schlagzeug und extra außerweltlichem Gesang auf. Selbst die Ruhepole, es gibt sie auf »Coconut«, kriegen wie »Hoola« oder »Chunk« eine Portion Quecksilber verpasst. »Hunt You Down« schließlich beginnt wie Kirmes-Folk und entpuppt sich als makaber. »Coconut« setzt auf Ironie und Unruhe.