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8. Juni 2010
Tobi Kirsch
für satt.org


Das Spot-Festival bot von allem ein bisschen,
nur waren manche Shows leider doch zu kurz.
Ein Resümee.

Das dänische SPOT-Festival versucht, die heimische Musikszene vor Ort und international zu stärken. An zwei Tagen und Nächten werden unzählige Konzerte im Umkreis der Innenstadt von Arhus veranstaltet, alles ist leicht erreichbar und es ist möglich, eine große Anzahl Bands in kurzer Zeit zu erleben. Dieser Vorteil gerät mitunter auch zu einem Manko des ansonsten sehr gelungenen Festivals: Die richtig tollen Musikprojekte möchte man gerne länger als nur vierzig Minuten genießen, ob es sich nun Surf von Tremolo Beer Gut oder Avantgardistisches der Marke Danjal von der Faröer Inseln handelt, bleibt dabei zweitrangig. Das höfliche dänische Publikum kommt meist erst nach einer halben Stunde in Schwung und dann ist der Spuk auch schon wieder vorüber. Doch nun zu den Highlights:

Donnerstag beginnt das SPOT mit Showcases internationaler Acts unter dem Namen INTERSPOT. Neben Awkward I aus den Niederlanden mit nettem Indiepop überzeugt der junge Belgier The Bear hat wasn’t durch abwechslungsreiches Songwriting der ruhigen Art. Mit seiner sympathischen Ausstrahlung hat er das kleine Café Hack sofort im Griff. Die mitunter etwas zu langen Ansagen werden durch den Charme, mit dem er die Geschichten hinter seinen Songs offenbart, kompensiert. Hinzu kommt noch die schöne Story, dass er seit ein paar Monaten ohne Geld mit dem Fahrrad durch Europa tourt und so auch die 900 Kilometer von Belgien in den Norden Dänemarks zurückgelegt hat.

  Foto: The Bear that wasn‘t im Café Hack von Thorsten Overgaard
Foto: The Bear that wasn‘t
im Café Hack von Thorsten Overgaard

Foto: Efterklang im Store Sal/Musikhuset von Allan Henriksen
Foto: Efterklang im Store Sal/Musikhuset
von Allan Henriksen

Kurz danach geht es weiter ins Musikcafé, wo die deutschen Klein einen guten Abend eröffnet haben sollen, Bachelorette aus Neuseeland ist auf Tonträger fantastisch, doch die anwesenden Musikprofis aus Deutschland konnte die Elektronica-One-Woman-Show nicht überzeugen. Offensichtlich war Bachelorette live nicht so der Bringer, scheint ein typisches Laptop-Act-Manko gewesen zu sein. Weil ich zu der Zeit noch im Café Hack weilte, konnte ich nur noch mit ihrer Managerin kurz über die Europa-Präsenz der Künstlerin reden, während das amerikanische Duo Arms and Sleepers mit seiner Mischung aus Elektronik und Gitarrenmauer das verbleibende Publikum zum Staunen bringt. Ein gelungener Auftaktabend.

Freitag beginnt recht ruhig, weil die Venues, die ich mir ausgesucht habe, schon nach kurzer Zeit wegen Überfüllung geschlossen sind. Lars and the Hands of Light überzeugen mit einer guten Liveperformance und eingängigem Indiepop, aber ihr gefälliges Songwriting ist nichts, was einen in fünf Jahren noch interessieren dürfte. Auch „nur in Ordnung“ sind Maribel aus Norwegen, die der Shoegazer-Szene wenig Neues hinzu zu fügen haben. So lande ich dann doch bei den hoch gehandelten dänischen Jungstars Thee Attacks, die mit ihrem knackigen Rockansatz voller 60s-Attitude eine wachsende Fanschar in Dänermark und UK ansammeln. Bald sind sie auch in Deutschland mit ihrem Album „It’s Mister Attack to you“ am Start. Bis dahin die einzige Band, die es nach nur zwei Songs schafft, das Publikum zu Jubelstürmen zu bewegen. Kompromisslos gut und sicher ein Kandidat für die heißeste Newcomer-Show, auch wenn die Gesten des Sängers wie aus alten Hives-Videos abgekupfert scheinen. Mal schauen, ob sie das „Next Big Thing“ aus Dänemark werden. Spaß macht es auf jeden Fall.

Das konnte man von Alcoholic Faith Mission nicht behaupten, die offensichtlich einen schlechten Tag erwischt haben. Am Anfang noch mit interessanten Songideen aufwartend, verfallen sie zunehmend in sich wiederholende Indie-Muster, die man von anderen schon wesentlich prägnanter gehört hat. Zum Glück spielen ja noch Efterklang, die mit ihrem 4AD – Deal inzwischen Kultstatus in Europa erreicht haben. Das Kollektiv kann von Beginn ihrer Show sofort das Publikum auf seine Seite ziehen. Da es ja keine Zugaben gibt, weil alles sehr eng organisiert ist, bringen Efterklang die vierzig Minuten von Anfang sehr konzentriert auf die Bühne, obwohl sie sonst eine Band sind, die sich erst nach 20 Minuten so richtig warm gespielt hat. Im großen Saal jedoch bemühen sie sich, den Leuten sofort etwas zu bieten. Zum Abschluss war ich gespannt auf I got you on Tape, die mit ihrem melancholisch pathetischen Indie das Zeug haben, zur großen Stadionband zu werden. Wäre da nicht der etwas stoisch vor sich hin singende Frontmann. Leider treibt mich die zu volle Halle nach draußen an die frische Luft, wo jedoch immer noch genug zu hören ist.

Der Samstag beginnt schon um die Mittagszeit, als Surf in Stereo als erste Band des Tages mit instrumentalem Surfjazz eine halbe Stunde nach vorne gehen. Abwechslungsreich und eigenständig, so gehört sich das. Gut geht es weiter bei den Shoegazern Grammofunch, die mit ihrer Mischung aus ruhigen Passagen und an die Japaner Mono erinnernden Wall of Sound- Parts eine gelungene Performance abliefern, die aber nicht jedem gefällt. Im Laufe des Konzerts leeren sich die Sitzreihen etwas. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es zu Slaraffenland, die mit einem ähnlichen Ansatz wie Efterklang zu Werke gehen, sprich Chöre und poppiges Pathos. Da draußen vor der Tür bestes Wetter ist, beschließen ein Kollege und ich, nach ca. 15 Minuten lieber auf die Wiese zu gehen, statt sich die Beine in den Bauch zu stehen. Auch damit muss man als Band auf einem Festival leben können.

Danjal von den Faröer Inseln stechen da schon mehr heraus, ihre Tom Waits ähnliche Musik wird mit einer konzentrierten Live-Show dargeboten, die das anwesende Publikum zum Tanzen gebracht hat. Sympathisch waren sie obendrein. Bei Chimes and Bells bin ich in meiner Urteilskraft etwas befangen: Sängerin Cäcilie Trier ist auch mit ihrem Freund Jannis bei den Choir of Young Believers tätig (die ich liebe) und kenne sie persönlich zu gut, um neutral beobachten zu können. Die krachigen Songs mit vereinzelten Celloparts und mitunter zweistimmigen Gesang kommen aber offensichtlich beim Publikum gut an, auch wenn der Sound noch besser abgestimmt gehört hätte. In farbigen Nebel getaucht bringt die Band souverän ihre ausufernden Songs auf die Bühne.

Foto: <i>Chimes and Bells</i> im Rhytmisk Sal/Musikhuset, von Tom Lorber (Festivalguide)

Foto: Chimes and Bells im Rhytmisk Sal/Musikhuset, von Tom Lorber (Festivalguide)

Von der After-Show-Party im Sway hab ich mir viel versprochen, wurden doch die Surfer Tremolo Beer Gut und schon erwähnte Thee Attacks aufgefahren. Ich sollte nicht enttäuscht werden, in der kleinen Bar bricht endlich der Rock’n’Roll durch und spätestens bei den jungen Dänen Thee Attacks tanzt die tobende Meute ausgelassen. Weder zum Tresen noch zu Klo ist ein Durchkommen möglich. Kein Quadratzentimeter Platz, der Laden ist eine Sauna. Obwohl die gekachelte Küchenabteilung die improvisierte Bühne darstellt, ist der Sound erstaunlich gut und die Stimmung könnte nicht euphorischer sein. Die Crunchy-Frog DJs aus Deutschland und Dänemark runden den Abend durch Hits und gut ausgewählten Trash ab. Wenn man die Kneipe verlässt, um frische Luft zu schnappen, kommt man so schnell nicht mehr rein. Definitiv die Party des Festivals.