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7. Juni 2010
Marcel Tilger
für satt.org

  Woods of Ypres: The Green Album
Woods of Ypres:
The Green Album

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Woods of Ypres
Foto: woodsofypres.ca


Woods of Ypres:
The Green Album

So also sieht die Zukunft aus. Während sich in Nordamerika eine Kooperation mit der kundigen Kaderschmiede The End anbahnt, stehen die Kanadier Woods of Ypres in Europa nach wie vor ohne Vertriebspartner da, obwohl an interessierten Firmen nach der noch stärker im Black Metal verwurzelten Debüt-CD kein Mangel geherrscht haben soll. In Zeiten des Web 2.0 soll, darf ein Musiker daran freilich nicht verzweifeln; Kanäle, um die Musik selber ans Ohr des Konsumenten zu tragen, warten im Netz überall. David Gold, der bei Woods of Ypres seit ehedem alle Zügel in den Händen hält, nutzt Facebook, Twitter, MySpace, YouTube und Co. – im Booklet des neuen Albums ist all das als „long distance connections“ apostrophiert – beinahe exzessiv – und man muss sich nicht nur fragen, ob dieser massive mediale Overkill der im Grunde herrlich unzeitgemäßen Musik von Woods of Ypres gerecht wird, sondern ob die Social-Media-Gepflogenheit, sein Herz auf der Zunge zu tragen, sich allmählich nicht auch künstlerisch Bahn bricht.

Grün als Farbe der Hoffnung gibt Album Nummer vier zwar den Namen, findet sich aber nur wenig in der Atmosphäre der einzelnen Stücke wieder. Musikalisch waren Woods of Ypres stets von einer (feuerrot) glühenden Melancholie; lyrisch badet Gold diesmal fast in Verzweiflung und beklagt auf eine pathetische und prosaische und daher mit der Musik manches Mal seltsam kontrastierenden Weise die Trennung von so mancher Lebensgefährtin: „Move On! (The Woman Will Always Leave the Man)“ hätte als 46-Zeichen-Tweet einige Schlagkraft (siehe oben). So jedoch wirkt das Stück wie eine dem sehr punkig-rotzigen „Wet Leather“ – „Life is just pain and piss; it's nothing that I will miss“, singt Gold da – nachgeschobene Begründung. „Suicide Cargoload (Drag that Weight!)“ und „Halves and Quarters“ stoßen in ein ähnliches Horn und offenbaren deutlich, dass Woods of Ypres von Musik zwischen Hardcore und Sludge besser die Finger lassen sollten. Haben sie etwa, ist man versucht zu fragen, ihr wunderbares, für „Pursuit of the Sun & Allure of the Earth“ einst mit Leben erfülltes Label „Summer Black Metal“ vergessen?

Glücklicherweise nicht. Denn über diese lyrischen und musikalischen Entgleisungen kann man gut weghören, zumal „The Green Album“ mit seinen 80 Minuten Spielzeit eine echte Herausforderung geworden ist, kompositorisch auf Dramatik setzt und den einmal aufgebauten Spannungsbogen dank eines konsequenten Spagats zwischen Classic und Progressive Rock, Black und Doom Metal so schnell nicht wieder abfallen lässt. Gerade zu der gleichermaßen verwunschen und wohlig-warm klingenden Oboe (beispielsweise „Shards of Love“ oder „I Was Buried in Mount Pleasant Cemetary“) muss man Gold in diesem Zusammenhang gratulieren. „Don't Open the Wounds/Skywide Armspread“ bündelt am Ende gar die Quintessenz ihres bisherigen Schaffens, indem sich das Stück von fein gesponnenen Melodiebögen zu einem atmosphärisch-dichten Black-Metal-Ausklang steigert.