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26. Juli 2010
Robert Mießner
für satt.org

Klangbad

Steine verbrennen

Metall trifft auf Metall: Das Glockenspiel besteht aus Stahlrohren und -platten, die zart oder wuchtig klingen können. Ein sägender und flirrender Sound, als sei ein Walzwerk in den kosmischen Groovekoller gekippt. Der Schlagwerker bedient seine Gerätschaften (Instrumente klänge zu bildungsbürgerlich) schon mal in der Hocke. Es ist unwiderstehlich laut. Der Schlagwerker heißt Arnulf Meifert, die Band, mit der er seit Urzeiten wieder auf der Bühne stand, sind die legendären Krautrocker Faust. Sie oder wahlweise John Peel gaben in den frühen Siebzigern der kosmischen Musik den Namen. Faust spielten aber bereits in der Zukunft und nahmen Industrial, einen der innovativsten und provokantesten Begleiter von Punk, vorweg. Ihr hypnotischer Mix aus stoisch wiederholten Rhythmen und übereinander geschichteten Soundblöcken war und ist Rock jenseits der Stadionbespaßung. Was nicht heißt, dass Faust nicht über einen ordentlichen Schuß anarchistischen Humors verfügen.

Man kann den Test darauf machen, wenn man sich die dieser Tage wiederveröffentlichten ersten beiden Alben »Faust« (1971) und das zugänglichere »So Far« (1972) anhört. Dazu aus demselben Jahr noch das Reissue ihrer ersten und einzigen Polydor-Single: »So Far / It’s A Bit Of Pain«. Auf 7’’: Das sind die Dinger, die man nicht in den iPod tun kann. Oder aber man greift gleich zum neu erschienenen Doppelalbum »Faust Is Last«. »Brumm und Blech« heißt der erste, noch langsam-zerrende Track, der in »Imperial Lover«, ein Stück Space Jazz überleitet. Dann aber kommt der Bruch: Motorenrock, eine schlingernde Orgel und Stimmfetzen auf »Feed The Greed«. Ein ähnliches Stück mit heftigem Schreibmaschinenrhythmus heißt »Steinbrand«. Auf »X-Ray« spielt Alfred Harth Saxophon: Krautrock und freierer Jazz wohnen nicht so weit voneinander entfernt. Am Ende der ersten Platte, bei Faust heißt sie »A«, steht gar eine Pianoballade namens »Day Out«. Die zweite, »Z« betitelt und von dem Industrialisten Z’EV produziert, ist weniger collagenhaft und dafür atmosphärischer. »Karneval« hat ein leicht orientalisches Gepräge und »Ozean« erinnert in der Tat leicht an Velvet Undergound. Damit aber keine wohlfeile Gemütlichkeit aufkommt, gibt es zwischendrin »InButOut«, einen geklöppelten und getrommelten Geniestreich, zu dem die Berlinerin Alexandra von Bolz'n singt. Es dürfte Zeitgenossen geben, die das, was sie da tut, nicht Gesang werden nennen wollen. Mögen sie weiterdämmern.

Faust Faust Faust Einheit Irmler Faust

Wer aber schon mal wach ist, kommt an »No Apologies« nicht vorbei, dem Album, das Faust-Mitbegründer und Keyboarder Hans Joachim Irmler und FM Einheit, bis Mitte der Neunziger Perkussionist der Einstürzenden Neubauten, voriges Jahr herausbrachten. Mit »No Apologies«, Siebdruckcover und limitiert, schließen sich gleich mehrere Kreise, daß es eine lautstarke Freude ist. »Big Spender«, der letzte Track des Vinyls, endet mit der Keyboardmelodie aus »Beware (The Transatlantic Feedback)«, dem Beitrag von Faust und Gary Burger für das 2006 auf play loud! erschiene Monks-Tribut »Silver Monk Time«. Dietmar Post und Lucía Palacios, die Filmregisseure und Labelmacher hinter dem Doppelalbum und der Monks-Dokumentation, sind mit Faust und ihrem Label Klangbad befreundet. Voraussichtlich noch in diesem Jahr werden sie den Auftritt von FM Einheit und Hans-Joachim Irmler in der Panoramabar des Berghain auf CD und DVD veröffentlichen. Vorher aber gibt es gleich zwei neue Filme von ihnen: »Klangbad: Avant-Garde In The Meadows« ist eine Dokumentation des Klangbad-Festivals von 2005. Faust sind dabei, ganz klar. Der zweite Film, dokumentiert ihr komplettes Liveset von 2005. Und Minit, Jutta Koether, Kammerflimmer Kollektief, Cpt. Howdy, Circle, The One Ensemble Of Daniel Padden, Steven W. Lobdell und Nista Nije Nista. »Seltsame Musik« nennen Klangbad das, was sie da veranstalten. Unter uns und frei nach David Thomas von Pere Ubu: Seltsam sind Britney Spears und Justin Timberlake. Das 10. Klangbad-Festival findet in der ersten Augustwoche statt. Der Vorverkauf läuft.

(Erstveröffentlichung in: junge Welt vom 25.06.2010. Für satt.org aktualisiert.)


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