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25. Oktober 2010
Klaus Walter
für satt.org

  Ari Up
Ari Up (1962 – 2010)
Foto: discogs


Prototypische Nervensäge

»Mein Name Ariane, ich glaub' an keine Fahne, I am a Reggae Gypsy, can make you feel so tipsy.« Das reicht fast für einen Nachruf, was Ari Up da singt auf dem späten Comeback-Album der Slits. Die Schlitze. Schicker Name für eine Band von drei jungen Frauen 1978.

Ihr Name war Ariane, denn sie kam in München zur Welt als Tochter von Nora Forster, die schon mit Jimi Hendrix befreundet war und heute mit John Lydon verheiratet ist. Mit Ari Up ist also die Stieftochter der obersten Sex-Pistole gestorben, mit 48.

An keine Fahne glauben, das versteht sich von selbst im London der Punky Reggae Party 77. Die junge Ari mittendrin, Punk und Reggae, die Begegnung ihres Lebens. Ab sofort trägt sie Dreadlocks, noch 2005 nennt sie ihr Solo-Album »More Dread Than Dead«. Als Reggae Gypsy kann sie einen tipsy machen, mit ihrem Germaican English, dem Kieksen, Kreischen und Krakeelen.

Das Konzept Auf-die-Nerven-Gehen funktioniert bei den Slits so bilderbuchmäßig, dass sie bis heute der Prototyp der produktiven Nervensägen-Girl-Band sind. Doch, Girl-, nicht Frauen-Band. »Typical Girls« ist der Hit auf »Cut«, ihrem Debüt von 1979. Zu nervösem Postpunk-Geklöppel zählen sie typische Verhaltensweisen von Typical Girls auf: Sie regen sich schnell auf, können sich nicht kontrollieren, nicht klar denken, sind unberechenbar, sorgen sich um Pickel, Fett und Gerüche? Typical Girls können nerven, aber so sind sie.

Oder ist das nur ein Marketing-Trick? Das ist der Trick. Die Slits weisen Mädchen-Stereotype nicht einfach von sich, wie es die aufgeklärten Songwriterinnen vor ihnen getan haben. Die Slits reflektieren den Warencharakter des Typical Girls mit, Warenfetisch inklusive. Ja, wir sind Girls, die sich nicht entscheiden können, welche Klamotten wir tragen, aber sehr wohl, wie wir unser Leben führen.

Auf dem Cover von »Cut« tragen die Slits Lendenschurz und braunen Schlamm auf nackter Haut. Die Geburt des Punky Reggae Girlism, der popistisch-nervenden Tochter des popästhetisch erschöpften Feminismus der Mütter-Generation. Mehr als zehn Jahre später sollten US-amerikanische Typical Girls dem Girlism der Slits das Wort Riot voranstellen.

Erstveröffentlichung in: taz, 22. Oktober 2010


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