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Verhasst, vermisst, verehrt: Stendal Blast haben wechselvolle Jahre hinter sich. Mehr als 20 Jahre hat die Band um den Musik-Anarcho Kaaja Hoyda gewirbelt, provoziert und überrascht. Nun ist Schluss: Am 4. Oktober 2013 verabschieden sich die Musiker mit einem speziellen Konzert von der Bühne der Indiependent-Welt. In der Leipziger Moritzbastei packen Stendal Blast nochmal aus, was in ihren Koffern lagert: eingängige Tanznummern, sperrige Momentaufnahmen und zum Weinen schöne Balladen. Kaaja Hoyda und Bernhard Lottes bauen dabei ihre Tanzflächenknaller um in Akustik-Bonbons, laden Gastmusiker vor und werden natürlich nochmal ihre markigen Elektro-Rock-Perlen in bekanntem Sound abliefern – allerdings zum letzten Mal.
Wer Szene-Hits wie »Neuer Mensch«, »Spanischer Mond«, »Morgenrot«, »Fette Beute« und natürlich den »Fährmann« liebt, kommt nicht umhin, sich den Termin zu blocken und bei TixforGigs Karten zu sichern. Erwartet werden Fans aus ganz Deutschland, die ihre Kult-Kapelle verabschieden wollen. Es ist klar, dass Entertainment-Talent und Plaudertasche Hoyda sie von der Bühne aus in seinen manchmal schrägen Mikrokosmos mitnimmt und Einblicke in seine humoresk-kryptische Denkweise gibt, die inzwischen sehr geschätzt wird.
Das war ja nicht immer so. Ende der 80er-Jahre gegründet, fiel die zunächst vielköpfige Band aus dem Ruhrgebiet zunächst mit brutalen, von den Einstürzenden Neubauten inspirierten Trash-Gigs auf. Da wurde Metall geprügelt, und aus elektrischen Alltagsgegenständen quälten die Musiker schräge Sounds, die expressive Lyrik umrahmten. Mit der heute als Kult-Album verehrten Scheibe »Was verdorrt« schob sich die Band trotz schlechter, teilweise aggressiver Presse in der Indie-Szene vor. Mit den Platten »Alles Liebe«, »Morgenrot« und »Fette Beute« prägten Stendal Blast ihren typischen Mix aus Eingängigkeit, verbunden mit progressiver Textkunst. Das Album »Schmutzige Hände« schließlich gilt mit Gänsehaut-Nummern wie »Fährmann«, »Die Frau im roten Kleid« oder »Paradies« als ausgereiftestes, quasi perfektes Werk der Band. »Im Grunde«, sagt Hoyda, »ist der Platte nichts mehr hinzuzufügen. Texte und Musik geben alles wieder, was wir jemals sagen wollten.« Und damit begründet er auch den Schritt der Band, das Projekt zu beenden.
Konzert:
4. Oktober 2013 / 20 Uhr
Moritzbastei Leipzig
Tickets: TixforGigs
9,90 Euro
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»Mit Spucke geht das weg«
Kaaja Hoyda – ein Selbstgespräch
Kaaja Hoyda ist der Sänger von Stendal Blast. Bald aber nicht mehr – die Band hört auf. In Ermangelung eines Interviewers hat er sich zum Selbstgespräch getroffen.
Guten Morgen!
Wohl eher Mittag. Es ist halb zwei.
Und Du siehst auch ein kleines Bisschen ruiniert aus. War was?
Nein. Zumindest nichts, was ich erzählen würde. Das Internet vergisst ja nie.
Warum redest Du eigentlich hier mit Dir selbst?
Weil von satt.org keiner Zeit hatte. Oder Lust. Wer weiß.
Die guten Jahre sind vorbei, was? Nicht mehr so interessant, der Typ.
Nerv' nicht.
Jetzt ist ja Feierabend mit Stendal Blast. Wieso denn nach 24 Jahren? In einem Jahr wäre doch Silberhochzeit gewesen.
Stimmt. Mit einer Feier in einem griechischen Restaurant. Schnitzel und Kroketten. Kunstblumen auf dem Tisch, leicht angestaubt. Herrentoilette mit Zielfliege im Pissoir. Reizend.
Was machst Du da?
Ich püriere Obst.
Das sieht aus wie quakende Katzenkotze.
Schmeckt aber. Und ist gesund. Und ich will beim Abschiedskonzert nicht keuchen wie Meat Loaf in seinem Sauerstoffzelt.
Fiese Leute haben Dich mal als »Meat Loaf der Indieszene« bezeichnet...
Es gab Gewichtsprobleme, ja. Aber musst Du sowas sagen? Stell' lieber eine Frage.
Gibt es noch Gewichtsprobleme?
Du Wurst.
Es heißt, Du hättest mal für Meat Loaf einen Song geschrieben. Die Frage: stimmt das?
Ja.
Und für wen noch?
Sag' ich nicht.
Peinlich?
Ehrliches Handwerk ist nie peinlich. Und wenn es auch Schlager sind.
Aha! Erwischt.
Lass uns hier mal fertig werden. Gleich ist Mittagsschlaf.
So viele Jahre im Kulturbetrieb. Ein Magazin schrieb, es gehe mit Euch »ein wichtiger Teil der deutschen Subkultur« verloren. Bist Du nicht traurig?
Nur traurig über die deutsche Subkultur.
Wegen der Kommerzialisierung?
Rio Reiser hat neulich eine Gedenktafel bekommen in Berlin. Hat ein großes Energieunternehmen bezahlt. Das ist doch wirklich grotesk.
Also keine Melancholie?
Doch, doch. Bernhard und ich proben viel, da kommt einiges wieder zum Vorschein. Und neulich waren fast alle, die mal in der Band waren, zusammen, um alte Konzerte anzusehen. Das war sehr schön.
Der Kartoffelsalat soll lecker gewesen sein...
Ja, mein Kartoffelsalat ist echt gut. Aber die Schnittchen hatten auch was.
Wie viele waren denn mal in der Band?
Zu Höchstzeiten sechs Leute. Das war so Anfang der Neunziger.
Und wieso seid Ihr heute nur noch zwei?
Wir mussten uns verschlanken, wegen der Globalisierung.
Hör auf zu lügen!
Du hast da was am Hemd...
Och, trockener Ketchup von McDonald's.
Mit Spucke geht das weg.
Gehst Du lieber zu McDoof oder zu Würger King?
Ich gehe da nicht mehr hin.
Echt nicht? Früher nach jeder Probe, oder?
Die waren ja auch Schwerstarbeit, wir haben auf altem Metall herumgeprügelt wie die Irren. Heute macht man das alles am PC.
Kann Metall eigentlich alt sein?
Was?
Du sagtest gerade...
Ja, was weiß ich?! Jedenfalls war es Metall. Meinetwegen auch sehr junges Metall.
Die quakende Katzenkotze ist alle. Bist Du jetzt satt?
Absolut.
Dann können wir jetzt über die Höhepunkte der Bandgeschichte reden?
Absolut. Schieß' los.
Ihr wart mit Deinen Lakaien auf Deutschlandtour.
Ja, das war schon klasse. Jeden Abend zigtausend Leute, die uns nicht sehen wollten.
So schlimm?
Schon hart, ja. Aber der Vorteil war natürlich: Ernst Horn und Alexander Veljanov haben eine klare Botschaft geschickt. Und die hieß: gute Jungs, nicht länger ignorieren!
Hat das geklappt?
Auf jeden Fall. Sowas spricht sich herum. Übrigens war das Catering natürlich immer Bombe. Stendal Blast kriegt nur Salzstangen, aber Deine Lakaien haben alles. Im Tourbus hatte ich immer diese Monte-Puddings am Start, um das Trauma des Auftritts mit Schoko-Serotonin zu bekämpfen.
Wie ist es in einem Tourbus?
Eng und muffig.
Groupies?
Stendal Blast hat keine Groupies. Rammstein haben welche. Und ganz sicher Udo Jürgens.
Kann man in einem Tourbus Groupies mitnehmen?
Was soll denn die Frage? In einem Bus kann man alles mitnehmen, auch angereichertes Plutonium.
Zack, schon haben uns NSA und BND!
Das gibt Klicks. Immerhin.
Also keine Groupies...
Was ist denn los? Suchst Du 'ne Freundin?
Och. Wie sieht es denn bei Dir aus in der Sache?
Hervorragend. Im Supermarkt gibt es immer Treue-Herzen zum Sammeln. Und wenn die Kassenfrau fragt, ob ich die Herzen haben will, sag ich immer: Nur Ihres! Das zieht was weg.
Und das klappt?
Mir reicht das. Was anderes brauche ich nicht mehr.
Ohooooo! Jenseits der Körperlichkeit, der Herr Hoyda. Schon auf der Überebene, der Herr Hoyda.
Zurück zum Thema, Kackfrosch!
Ihr seid auch in den USA auf Tour gewesen. Wie war das?
Ist nicht mein Land. Aber die Sache war natürlich toll. Botschafter der Sprache und des Landes Nordrhein-Westfalen zu sein. Ministerpräsident Peer Steinbrück hat die Flüge bezahlt. Ich hab noch ein Brief von ihm.
Echt?
Ja.
Zeig' mal!
Ist ganz unten im Schrank. Muss das sein?
Nein. Du wurdest in San Francisco verhaftet...
Davon weiß ich nichts.
Du hast es nur verdrängt!
Kein Kommentar.
Sag', was hast Du angestellt?
Nichts. Ich wurde nicht verhaftet.
Es gibt Fotos. Warte, ich hab es hier ...
Du hast immer noch Ketchup am Hemd.
Echt? Shit.
Jetzt ist es weg.
Kommen wir zum nächsten Höhepunkt.
Okay.
Allerdings: Es gibt keinen mehr.
Doch! Jetzt das Abschiedskonzert. Deswegen reden wir, Nuss!
Genau, 4. Oktober, Leipzig. Nervös?
Ja, dass ich Texte vergesse. Das war schon immer so. Schreckliche Angst.
Schon mal passiert?
Ja, ganz schlimm. Auch in Leipzig. Bei »Schmutzige Hände&« war mittendrin alles weg. Nulllinie. Das ist fatal für einen Interpreten.
Aber Du giltst als großer Improvisator. Oder heißt es Improvisateur. Oder Improvisationist?
Weiß nicht.
Also...
Was also?
Was sagst Du dazu?
Ist nur die pure Schiss. In dem Moment, wo eine Band Eintrittskarten verkauft, behauptet sie ja, dass sie was kann. Dann muss das schon klappen. Und bei mir kommt halt viel Gesabbel raus, das einige lustig finden.
Auch Groupies...?
Das nervt! Lass' das.
Ok. Zurück zum Konzert. Was habt Ihr so vor?
Wir spielen unsere tollsten Lieder, zum Teil in neuen Varianten und mit Band. Aber es gibt auch Stendal Blast in seiner Normalform. Die Leute sollen tanzen, feiern, durchatmen, vergessen, flirten, schwitzen, teilhaben.
Das sind mächtige Worte. Wie sieht das real aus?
Es gibt Knicklichter.
Was? Knicklichter?
Genau. Jeder wird mit einem Knicklicht ausgestattet. Und dann, auf Kommando, knicken alle ihr Licht – und zack: Gänsehaut.
Macht Peter Maffay das nicht auch?
Spack!
Kommen auch prominente Gäste oder so?
Die Verhandlungen laufen, Aber das Budget ist eng. Wir zahlen eh schon drauf.
Wegen der Knicklichter?
Nee, die haben nur 25 Euro gekostet. 300 Stück.
Dann wegen der Zimmer für Groupies...
Du nervst nervst nervst.
Dann die letzte Frage: Was machst Du nach Stendal Blast? Leipzig Blast vielleicht? Oder Kaiserslautern Blast? Oder...
Hab den Witz verstanden, reicht.
... Zwiesel Blast?
Ich müsste mal die Küche streichen nach Stendal Blast.
Echt? Wegen der pürierten Katzenkotze?
Nee, aber neulich ist mir eine Pfanne Frikadellen an die Wand geklatscht.
Das sieht unfein aus.
Jetzt ernsthaft: Keine Kunst mehr?
Ja, nein, vielleicht. Ich weiß es nicht. Jedenfalls gehe ich zurück in meine Heimat. Nach Oslo.
Du kommst aus Oslo?
Ja, sicher. Die Hoydas leben seit Jahrzehnten in Oslo.
Wusste ich nicht.
Siehst Du, was dazugelernt!
Willst Du noch jemanden grüßen?
Sind wir hier beim Radio?
Nein, aber...
Das ist Deine letzte Frage!? Ob ich noch jemanden grüßen will!?
Ja.
Nein.