Endlich eine neue, längere Geschichte des schwedischen Wahlberliners Max Andersson, der Anfang der 90er Jahre mit "Pixy" seine bisher schönste und bizarrste Psycho-Orgie angerichtet hatte! Zusammen mit Lars Sjunnesson hat Andersson drei Jahre am vorliegenden Bosnien-Trip gezeichnet. Der Comic verarbeitet dabei ein kriegsversehrtes Reiseerlebnis …
Geneigte Leser erwarteten wohl eine etwas "seriösere" Zustandsbeschreibung über die versehrte Region. Kriegsthemen im Comic wurden bisher von Joe Saccos Reportagen wie "Palästina" und "Safe Area Gorazde" geprägt. Die beiden Schweden aber hatten gar keine realistische Berichterstattung im Sinn: Titos halbverweste Leiche strahlt grob gepixelt vom Cover des "Bosnian Flat Dog". Und hinter dem lustig morbiden Cover verbirgt sich ein verstörendes Stück Kunst mit einem noch viel verstörenderen Humor.
Die Reise beginnt in Ljubljana, auf einer überdimensionierten Konferenz zu alternativen Comics (ja, so hätten sie es gern, die Herren Independent-Zeichner!). Die Touristen gelangen in den Besitz des Kriegstagebuches eines gewissen Skledar. Sie folgen der Spur des Tagebuchs nach Sarajewo. Skledar jedoch hatte die gefrorene Leiche Titos in seinem Besitz. Um diese zu verstecken schaffte er sich also diverse Kühlschränke an und war ständig auf der Suche nach neuem Eis zur Kühlung des stinkenden Körpers … und so weiter.
Es macht wenig Sinn, den absurden Plot von "Bosnian Flat Dog" zusammenfassen zu wollen. Wichtige Protagonisten werden noch jene mutierten Hundehaufen, die dem Band den Titel gaben. Die an ehemalige Vierbeiner erinnernden Abdrücke auf dem Straßenasphalt kommen einer Landplage gleich. Ebenso zum Running Gag werden jene "Witwen von Srebrenica", die arglose Männer rauben, um sie genetisch in neue Tito-Klone umzurüsten …
Der Comic-Alptraum macht es einem nicht leicht, wenn er den Leser durch unterirdische Katakomben und Minenfelder geleitet. Es gibt kein Grau in den Bildern der beiden Schweden. Nur ein wüstes Schwarz-Weiß, geniale Holzschnitte, die oft viel lustiger sind, als die Geschichte, die sie zu erzählen versuchen.
Eigentlich ist solch moralin-saure Frage peinlich – aber sie geht einem doch durch den Kopf: Darf Kunst so etwas? Aus den Traumata anderer Menschen neue Alpträume erschaffen und diese dann noch in makabre Bilder verpacken? In der moralischen Perspektive eines deutschen Fernsehsessels erscheint es ja nicht sehr korrekt, die "Witwen von Srebrenica" als manische Männerklau-Organisation zu verlachen.
Max Andersson hält das für die falsche Sicht. Sie wollten keine Aufarbeitung des Bosnien-Krieges leisten, stellt er klar. Sjunnesson und er hatten damals diese Reise unternommen und danach einen Comic geschaffen, der lediglich ihre ganz persönlichen Eindrücke bearbeitet. Diese Eindrücke waren wohl ziemlich absurd und surreal und ließen kein abgerundetes Bild zurück. Wie sollten sie auch?
In einigen Städten vor Ort wurde die Ausstellung zum Comic gezeigt. Augenscheinlich wurde der "Bosnian Flat Dog" in Bosnien selbst richtig verstanden und war ein großer Erfolg. Vielleicht fällt es einem nur schwer, über böse Verhältnisse zu lachen, wenn man sie selbst nicht erlebt hat. Aber der untote Tito im Kühlschrank sieht wirklich ziemlich heiter aus.