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Mai 2007
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Stefan Pannor
für satt.org |
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Volker Reiche:
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Volker Reiche: Strizz – Das fünfte Jahr Frankfurter Allgemeine Buchverlag 2007 304 S., Hc, s/w, € 19,90 » amazon |
Noch so ein Tagebuchprojekt, diesmal aber kein persönliches a la „Heldentage“. Der täglich in der FAZ erscheinende „Strizz“ wurde in den letzten Jahren immer mal wieder mit „Doonesbury“ verglichen, und das ist ein ebenso schmeichelhafter wie hinkender Vergleich. Gilt doch Gary Trudeaus seit Jahrzehnten laufender Comicstrip zwar einerseits als Großwerk des politischen Comics. Andrerseits aber auch als konstanter stream of cynicism, in dem die US-Innen- und Außenpolitik auf höchst amüsante Weise gnadenlos zerfetzt wird.
Auch Volker Reiches seit über 5 Jahren jeweils Montag bis Freitag erscheinender „Strizz“ ist politisch. So politisch, dass es mitunter schon mit wenigen Monaten Abstand zur Erstveröffentlichung schwerfällt, alle Anspielungen zu verstehen. Aber er ist nicht zynisch. Reiche, der früher wunderbar absurde, aber familientaugliche Comics etwa zu „Mecki“ und „Donald Duck“ produziert hat, entblößt seine Figuren nicht. Auch Bösartigkeiten sind sein Ding nicht. „Strizz“ ist eine täglich voranschreitende Alltags-Saga. Und der Alltag, der ist natürlich politisch.
Reiche betreibt den Strip mit einem Personal, das nicht nur fast ständig grösser wird. Sondern das vor allem hochgradig interessant, amüsant und nicht zuletzt sehr menschlich ist. Strizz, der arbeitsscheue Büroangestellte, sein knorziger Chef Herr Leo, der altkluge Knabe Raffael und sein philosophisches Sextett aus Kuscheltieren … und so weiter und so fort. Fast 20 Figuren halten den täglichen „Strizz“ derzeit in Gang. (Viele von ihnen Archetypen und Reminiszenzen an andere Comicserien.) Genug, um dem aktuellen Band eine Schautafel der Charaktere voranzustellen. Das beste daran: „Strizz“ steht nicht still, alle Figuren entwickeln sich weiter, lernen dazu, reflektieren Dinge aus früheren Erlebnissen.
Reiche ist ein sehr geschickter Regisseur, der einerseits die Begrenzungen des täglichen Strips hervorragend versteht. Selten treten mehr als drei seiner Figuren zugleich in einem Strip auf. Andererseits dreht er sein Figurenkarussell permanent weiter, so dass nahezu alle Figuren zu ihrem Recht und Auftritt kommen.
Und das Politische? Ja, das ist auch da. Und wie! Die alte feministische Erkenntnis, dass auch das Private politisch sei, wurde nie so amüsant und konsequent umgesetzt wie in Reiches Strips. Reiche vermengt fröhlich das Große und das Kleine, Debatten über Haushaltsetat und über Raffaels Taschengeld, über Neuen Deutschen Patriotismus und Arbeitslaune, über Küchenunordnung und Merkelreden.
Wohltuend vermeidet Reiche jeden Zeigefinger. Er politisiert, aber polemisiert nicht. In klugen, vor allem aber witzigen Dialogen bringt er durch seine vielzähligen unterschiedlichen Figuren die aktuellen politischen Meinungen in Deutschland zum Ausdruck. Das ist dann oft so viel Material, sind so viele kluge Gedanken, dass man einen Jahresband der Serie unmöglich am Stück lesen kann.
Und wäre da nicht das neue Format, das aus den vormaligen Taschenbüchern großformatige Hardcover machte, „Strizz“ empfähle sich als Klolektüre im herausragendsten aller Sinne. So ist das jüngste Buch leider etwas zu wuchtig hierfür. Ansonsten: Der aktuell vielleicht beste deutsche Comic. Punktum.
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