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26. Juli 2008
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Felix Giesa
für satt.org |
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Verlagsvorstellung:
Bei Kassel denkt der Kunstbegeisterte wohl zuerst an die Documenta, der Humorist hingegen an die Caricatura. Der Comicfan trifft auf der Caricatura zwar immerhin auf Strips von zum Beispiel Fil oder auch Leo Leowald, auf der Documenta musste er aber schon etwas genauer hinschauen. Gerade einmal Kerry James Marshall bediente sich der Comicdarstellung in seiner Ausstellung. Nun sind dies aber alles Werke, die von außen nach Kassel kamen. Was kommt aber an Comics aus Kassel selbst?
Zum einen natürlich die Arbeiten von Hendrik Dorgathen, dessen Werk in Erlangen in einer großen Retrospektive gewürdigt wurde. Er ist in Kassel Professor der „Klasse für Illustration und Comic“. Um den dort entstandenen Arbeiten eine Plattform zu geben, wurde 2005 erstmals die Anthologie „Triebwerk“ herausgegeben. „Triebwerk“ liefert einen Beweis dafür, wie weit man den Begriff ,Comic’ ausreizen kann. Doch irgendwann ist man mit dem Studium fertig und die frischgebackenen Künstlerinnen und Künstler sind für sich selbst verantwortlich. Um in der Masse nicht unterzugehen und um Synergieeffekte zu schaffen, gründeten 2006 ehemalige Studierende den Rotopolpress Verlag. Auf dem Comicsalon in Erlangen unterhielt ich mich mit Mitbegründungs-Rotopolin Lisa Röper über Rotopols Entstehung und Ansatz. So berichtet sie, dass der Verlag für die Macher eine vor allem praktische Plattform darstellt: „Der Verlag stellt für alle ein Gewerbe dar. So ist es leichter, auf Messen vertreten zu sein.“ Dabei beschränken sie sich aber nicht nur auf das Kasseler Umfeld oder Deutschland, sondern präsentieren sich auch international. Umtriebig ist man aber nicht nur in Sachen Reisefreude, sondern auch im kreativen Output. Wenn man sich die meisten Arbeiten ansieht, lässt sich eine eindeutige Zuordnung zum Comic, zur Illustration oder (Produkt-)Design nicht vornehmen. Für Lisa ist das „alles ein Bereich, bei dem sich keine Trennung ziehen lässt. Die einzelnen Elemente lassen sich einfach verknüpfen, sie sind visuelle Kommunikation.“ Hier zeigt sich die Schule Dorgathens, meint sie, da die Studenten „angehalten werden, alles gemeinsam zu sehen.“ Besonders eindrucksvolle Beispiele dafür sind etwa Lisas Abschlussarbeit „Polarreise“. Zu dreizehn norwegischen Popsongs hat sie Illustrationen erstellt, die gebunden als großformatiges Heft erscheinen und so auch untereinander narrativ verknüpft werden. Oder auch Rita Fürstenaus „Raum kommt von Räumen“. Ein Buch das sich im Grenzbereich zum Produktdesign bewegt, wenn der Leser sich seinen Weg durch das Leporelloalbum suchen muss. Gleichsam wird hier die Darstellbarkeit dessen, was Comics sind, erweitert, da diese sich immer noch den Buchkonventionen unterwerfen und so weit unter ihren Möglichkeiten zurück bleiben.
Neben eigenen Produktionen erschien aber auch vor kurzem die dritte Nummer von „Triebwerk“ bei Rotopol. Immer noch als Hochschulorgan, aber eben bei einem richtigen Verlag erschienen. Erstmals ohne ein festes Thema, wie es auch bei den meisten anderen Hochschul-Anthologien sonst üblich ist. So bewegt sich zum Beispiel Lea Heinrich stark an der Grenze zur Illustration, wenn sie einen Song von Marvin Gaye umsetzt. Mit feinem, unprätentiösem Strich füllen ihre Zeichnungen jeweils eine ganze Seite. Wesentlich aufgeregter präsentiert sich die Geschichte von Sebastian Dürer. Popig bunt muten die Seiten an, auf denen er seine surreale Geschichte über die Alptraumwelt eines jungen Mädchens berichtet. Es finden sich aber auch ,echte’ Comics, wie etwa Leonhard Riegels Strip über einen gesuchten Mörder. Mit kräftigem, expressivem Strich erzählt er in einer Mischung aus Komik und Krimi über einen Mann, dessen Andersartigkeit eine Gefahr für seine Mitmenschen ist. Wie alles bei Rotopol ist „Treibwerk“ sehr hochwertig produziert. Mit einem hohen Farbanteil und gedruckt auf Kunstdruckpapier lässt sich auch der etwas höhere Preis durchaus verkraften. Der Leidenschaft für den Comic wird aber auch in einer eigenen Anthologie Rechnung getragen. Dieses Jahr erschien bereits die zweite Nummer von „Dolor“. Einem schicken Minicomic, in dem sich auf 24 Seiten schwarz-weiße Kurzgeschichten finden. Im Gegensatz zu sonstigen Minicomics sind diese aber hochwertig gedruckt und mit Hochglanz-Farbcover ausgestattet. Das liegt auch daran, dass man selber produziert. Seit letztem Jahr gibt es in Kassel einen eigenen Laden, in dem sich auch eine Siebdruckwerkstatt befindet. Neben dem Verkaufsraum steht auch ein kleiner Flur zur Verfügung, der für Ausstellungen genutzt wird. So stellte bereits Ulf K. hier aus. Einziger kleiner Wehrmutstropfen ist, dass all die schicken Sachen lediglich über das Internet zu bestellen sind. Aber auch darin zeigt sich das grundlegende Problem, was mit zur eigenen Verlagsgründung geführt hat: Verlage produzieren kaum noch Titel die etwas experimentierfreudiger sind und Comicläden bestellen jenseits des Mainstreams nichts für die Regale. Das eine bedingt das andere und die Innovation bleibt außen vor. Hoffentlich gelingt von Kassel aus ein stückweit Gegengewicht.
Info und besprochene Titel:
Nic Klein und Michael Meier (Hrsg.): |
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