Anzeige: |
satt.org | Literatur | Comic | Film | Musik | Kunst | Gesellschaft | Freizeit | SUKULTUR |
16. September 2008
|
Felix Giesa
für satt.org |
||
|
Traumbilder der ApokalypseEs ist so eine Sache mit Klassikern. Eigentlich gehört es für Verlage zum guten Ton, diese in Druck zu halten. Für den Verlag macht es einiges her, ihn weiterhin im Programm zu haben und es zeugt auch von einer gewissen Wertschätzung dem Autor gegenüber, sein Werk weiterhin in die Läden zu bringen. Bei Comics scheint das jedoch nicht ganz so einfach zu sein. So hatte Carlsen Comics vor einigen Jahren sogar die Serie „Gaston“ aus dem Programm genommen, da sie sich nicht mehr rentierte. Und das bei einer Figur, die in der deutschen Übersetzung immerhin in den Verlagsräumen von Carlsen arbeitet. Der Protest der Leserschaft sorgte letztendlich dafür, dass „Gaston“ mittlerweile wieder in Druck ist. Einem anderen Klassiker und Schwergewicht des europäischen Comics war dieses Glück nicht vergönnt: dem Zeichner Moebius . Vor gut 15 Jahren erschienen jeweils die letzten Auflagen seiner bahnbrechenden Erzählexperimente „Arzach“ und „Die hermetische Garage“. Zum 70. Geburtstag des Zeichners hat sich der Cross Cult-Verlag der Aufgabe einer Neuauflage angenommen und legte dieses Jahr zwei prächtig aufgemachte Bände der beiden Titel vor. Eigentlich heißt Moebius Jean Giraud und ohne dessen detailversessenen Arbeiten an der Western-Serie „Leutnant Blueberry“ hätte es Moebius nie gegeben. Musste er sich bei der Arbeit an dieser Serie doch dem Skript eines anderen unterwerfen und unterlag er dem Termindruck rechtzeitig für das Pilot-Magazin die nächste Folge fertig zu stellen. Das Pseudonym gab ihm die Möglichkeit diesen Zwängen zu entfliehen und sich eigenen Vorstellungen vom Comic hinzugeben. Angeregt durch die écriture automatique entwickelte er einen assoziativen Zeichenstil, bei dem er einfach zeichnete und textete was ihm, zumeist unter dem Einfluss psychedelischer Drogen, in den Sinn kam. Die erste fortlaufende Geschichte, die so entstand, war Arzach. Die erste, achtseitige Geschichte erschien 1975 in dem von Moebius mitgegründeten Magazin Métal Hurlant. Arzach ist ein einsamer, archaischer Reisender, der auf seinem Flugtier durch die Weiten einer phantastischen Welt fliegt. Was er will oder wohin er will, ist ihm nicht anzusehen. Stoisch und monoton ist sein Gesichtsausdruck und in letzter Konsequenz ist die Geschichte daher auch wortlos. Handlung und Sinn können sich dem Leser nicht erschließen, die aus dem Unterbewussten des Zeichners zu Papier gebrachten Episoden entziehen sich solchen Kategorien. Doch gerade das macht den Reiz für den Leser aus. Sich von der Geschichte mitnehmen zu lassen und beim Versuch sie zu enträtseln scheitern zu müssen. Die Entstehungsgeschichte der „Hermetischen Garage“ bezeichnet Moebius im Vorwort des besprochenen Bandes augenzwinkernd als reichlich „unorthodox“, da er sich damals häufig „in etwas euphorischen Zuständen“ befand. Nachts kam er nach Hause und produzierte im Rausch eine oder zwei Seiten einer Geschichte, aus der er dann anderntags versuchte eine Geschichte zu zimmern. Die jeweils mehrseitigen Geschichten knüpfen also nicht immer an der vorigen an, Handlungsstränge verlaufen regelmäßig ins Leere und auch die Umgebungen wechseln mitunter in jeder Folge mehrfach. Zentraler Zusammenhalt aller Folgen ist die Suche des Major Grubert nach Jerry Cornelius. Dabei sind Mystik, Phantasie und Science Fiction der Kitt, der die Welt des Majors zusammenhalten. Waren bei „Arzach“ besonders die Archaik der Welt und auch die berauschende Kolorierung, was beeindruckte, so sind es bei der „Hermetischen Garage“ der feine Zeichenstrich, nur mehr, wenn überhaupt, leichte Schraffuren und teilweise der Verzicht auf Schlagschatten, welche das Bild prägen. Beides sollte sich stilprägend auswirken und durch die Verbreitung der Geschichten durch die deutsch- und englischensprachigen Ableger von Métal Hurlant war der Siegeszug dieses Ausnahmekünstlers nicht mehr aufzuhalten. Wie weit der Einflussbereich sich windet erkennt man etwa darin, dass er an zahlreichen Science Fiction-Filmen mitwirkte und selbst von Anime-Regisseuren wie Hayao Miyazaki geschätzt wird. Es ist schön und beruhigend zu wissen, dass dieser Klassiker auch wieder zugänglich ist.
Moebius: Arzach Abbildungen aus den besprochenen Bänden: So leer wie der Horizont erscheint der Reisende Arzach ohne Herkunft und ohne Ziel; einzig den Gefahren der Welt und seinen eigenen Trieben unterworfen. Major Grubert begibt sich auf die Suche nach Jerry Cornelius. Der feine und klare, beinahe kühl-technisch anmutende Strich sollte zu Moebius Markenzeichen werden. |
satt.org | Literatur | Comic | Film | Musik | Kunst | Gesellschaft | Freizeit | SUKULTUR |