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8. Juli 2010
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Felix Giesa
für satt.org |
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Der Page in graugrüner UniformSpätestens seit dem großen Erfolg von Émile Bravos Spirou-Geschichte „Porträt eines Helden als junger Tor“ haben sich die Einzelbände der Spirou Spezial-Reihe etabliert. Als im letzten Sommer „Le groom vert-de-gris“ in Frankreich erschien, überschlug sich auch hierzulande das Lob. Volker Hamann, Herausgeber der „Reddition“, schwärmte in der satt.org-Sommerleseliste: „Wow! Da hat Olivier Schwartz seinem Mentor und Freund Yves Chaland ein witziges, großartiges, monumentales Denkmal gesetzt - und sich gleich mit!“ und Andreas Platthaus grübelte auf seinem Blog, ob der Band wohl überhaupt auf Deutsch erscheinen könne. „Operation Fledermaus“, so der deutsche Titel, spielt nämlich im okkupierten Belgien und ist der Zeit geschuldet über und über mit Hakenkreuz-Flaggen behangen. Was in Tarantino-Streifen niemand beanstanden würde, ist in Comics immer noch hochproblematisch, die Selbstzensur der Comicverlage sprichwörtlich. Die späten Einflüsse der Schmutz-und-Schund-Debatte, der Eklat um den Alpha-Verlag und die generelle Angst vor der Macht des Bildes sitzen tief und treiben in der Selbstverstümmelung bei der Darstellung von Insignien aus der Zeit des Nationalsozialismus oft seltsame Blüten. Bei Carlsen sah man da wohl keine Gefahr auf sich zukommen und nun liegt der Band tatsächlich auf Deutsch vor. Dafür muss man den Hamburgern danken, denn „Operation Fledermaus“ ist einmal eine Neuimagination, die diese Bezeichnung auch verdient hat. Alle beschränkenden Auflagen werden von Olivier Schwartz und seinem Szeneristen Yann abgestreift und die beiden Protagonisten Spirou und sein Lebenskumpane Fantasio einmal neu durchkonjugiert. Beide müssen in den widrigen Verhältnissen ihr Auskommen finden und sich mit den Besatzern arrangieren. Der eine als Page in einem von der Gestapo besetzten Hotel, der andere als Archivar einer gleichgeschalteten Zeitung. Der Kollaborationsvorwurf liegt da schnell in der Luft, die Freundschaft wird aufs ärgste beansprucht. Und auch in Sachen Gewalt geht es zur Sache und sowohl Freund als auch Feind büßen eine Vielzahl der ihren ein. Ob man, wie geschehen, dem Band allerdings vorwerfen kann, dass er die langsame Verständigung der ehemaligen Kriegsgegner vergifte, ist wohl etwas weit hergeholt. Denn „Operation Fledermaus“ hat zwar nicht viel gemein mit der regulären Spirou-Reihe und ist somit auch kein reiner Funny-Comic mehr, doch das Satirische überwiegt doch offensichtlich. Und letztlich sind auch ähnliche Vorwürfe gegen Tarantinos „Inglorious Basterds“ vergebens gewesen. Das Denkmal für den belgischen Comic, das Volker Hamann so gepriesen hat, findet sich beinahe auf jeder Seite, und jedem, der all die Referenzen nicht erkennt, erklärt Hamann sie noch mal auf den Bonusseiten mit Skizzen u. ä. (Einen wohl kompletten Überblick findet man auch im französischen Wikipedia-Eintrag des Albums.) Wer hätte gedacht, dass das Konzept der alternativen Realität, wie es bei amerikanischen Superheldencomics Usus sind, einmal franko-belgische Traditionscomics belebte? |
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