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8. Dezember 2010
Felix Giesa
für satt.org

  Inio Asano: Sun Village

Inio Asano: Sun Village
Aus dem Japanischen von
Tsuwame und Resel Rebiersch
Schreiber & Leser 2010
216 Seiten, € 14,95
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Leben und Tod sind
bloß ein Geschäft

Die Gruppe der 20 bis 30jährigen ist seit jeher der Urpool jeglicher Selbstdarstellung und Nabelschau. Autobiographisches und auch generationenbezogenes Geschreibsel sind die Ausdrucksformen und auch im Comic ist das nun wirklich nichts Neues. Jedoch bleibt es fast immer dabei, selten werden diese – zwar selbstreflektierten – Erzählungen aus dem Alltag symbolisch aufgebrochen, immer bleiben sie an einem beinahe schon reflexartig zu nennenden Hang zum Authentischen verhaftet. Gerade bei den allgemein bekannten Zeichnern wie Mawil und Flix hierzulande oder Jeffrey Brown und Craig Thompson in den Staaten ist dies klar auszumachen. Das soll nun nicht heißen, dass diese Geschichten schlecht seien, im Gegenteil; jedoch ist die Schiene in den letzten Jahren doch sehr überstrapaziert worden, die Zahl der Alltagscomics steigt ins unzählbare. Eine Abwechslung versprechen Manga, hier jedoch weniger autobiographisch, als die eigene Generation im Fokus.

Auch im Manga herrscht kein Mangel an Geschichten um junge Menschen, jedoch hier durchaus mit anderen Vorzeichen. Nachdem Inio Asano mit »What a Wonderful World« (Egmont) vor drei Jahren hierzulande zu einiger Bekanntheit gelangte und sich sogar auf der Nominierungsliste des Max und Moritz-Preises wiederfand, legt der Schreiber & Leser Verlag nun in seinem shodoku-Label den als Quasi-Fortsetzung gehandelten Einzelband »Sun Village« vor. Und tatsächlich ist der Inhalt ähnlich, der erzählerische Ansatz ist jedoch, wenn auch nur leicht, variiert. Handelte es sich bei »What a Wonderful World« um eine Aneinanderreihung kurzer Alltagsepisoden, die miniaturenhaft knappe Situationen junger Menschen wiedergeben, und allesamt nur lose durch äußere Gegebenheiten miteinander verknüpft sind, so geht Inio Asano in »Sun Village« anders vor. Erneut erzählt er episodenhaft, doch dies durchaus länger, nicht mehr nur mit enger Brennweite. Als Bühne dient ihm diesmal das Sun Village, eine luxuriöse Neubausiedlung, in der der sonnige Alltag allzu schnell als bloße Fassade sichtbar wird.

Graphisch und gestalterisch hat sich wenig geändert und gerade in den Figurenzeichnungen erkennt man, dass Asano für sich einen repräsentativen Stil gefunden hat. Man erkennt noch das mangaeske der Zeichnungen, jedoch wirken sie nicht aufgebraucht, sie sind frisch und man ist von ihrer ‚am Leben-Verzweiflung’ überzeugt. Auffällig sind auch die Erzählerkommentare, für die Asano schwarze Panels nutzt und die so wie Pausenpanels wirken. Sie sind, je nach Figurenfokus der einzelnen Episoden, immer personalisiert, wirken als Stilmittel aber häufig eher unvermittelt.

Das Leben im gegenwärtigen Japan, wie es sich hier offenbart, ist geprägt von Zwängen und repressiven Lebensbedingungen. Mit dieser Erkenntnis und dem Sun Village als Handlungsort erzählt Asano eine zutiefst melancholische und gleichzeitig an Zynismus kaum zu überbietende Geschichte. Der Zeichner arbeitet mit einer Vielzahl Figuren, deren zentrales Pärchen zwei jugendliche Schüler sind. Leidet das Mädchen Haruko an den physischen und psychischen Folgen eines Überfalls, hat Tasuku ein einträgliches Geschäft aufgebaut: der Junge überzeugt ‚feige’ Selbstmörder gegen eine Gebühr von der Richtigkeit ihres Unterfangens. Mit diesen immer wieder überraschenden Wechseln der Gefühle, scheint der Autor das moderne Leben auf genauso zynische Art und Weise zu kommentieren: Du kannst das Leben nicht verhindern, konzentrier Dich einfach auf die kleinen Siege. Wurde dieser Alltag in seinem Erstling durch ein allgegenwärtiges Wesen, den Space Panda – eine Art personifizierte Otaku-Pop-Referenz -, symbolisch überhöht, zieht sich durch den neuen Band motivisch die Suche nach den eigenen dunklen, verbrecherischen Wurzeln.

Folgen sollte für Asano sein bisher größter Wurf, »solanin« wurde bereits erfolgreich verfilmt und dürfte den Ruhm des erst 30jährigen zementiert haben. Überzeugt dieser auf allen Ebenen, so kann man »Sun Village« doch als Vorarbeit, als Experimentierfeld für »solanin« betrachten.