◊ ◊ ◊
Nana Wallraff
Die vier Bilderbücher, auf die ich mich am meisten freue:
Edward van de Vendel (Text) und Alain Verster (Ill.): Die Taube, die sich nicht traute. Gerstenberg 2012. Ab 4 Jahren. Erscheint im Januar.
Dieses Bilderbuch entstand als Diplomarbeit des belgischen Künstlers Alain Verster – und die in der Vorschau abgebildeten Ausschnitte lassen auf ein gut komponiertes und durchaus auch eigensinniges Debüt hoffen.
Fougasse: Ein Elf in London. Jacoby & Stuart 2012. Erscheint Ende April.
1922 entstand dieses, vom Verlag als »Juwel der Illustrationskunst und humorvollen Dichtung für Kinder« betitelte Werk als Bestand der königlichen Puppenbibliothek von Queen Mary. Das Buch erscheint nun – etwas vergrößert – in edler Ausstattung inklusive Goldschnitt, Textilbezug und Lesebändchen.
Heinz Janisch (Text) und Ingrid Godon (Ill.): Rita. Bloomsbury 2012. Ab 4 Jahren. Erscheint im März.
Geschichten übers Schwimmen gefallen mir meistens. Hier haben wir es mit einer Geschichte übers Springen zu tun. Auch gut. Dazu Janisch/Godon – umso besser! Auf dem Cover: die Rückansicht eines kleinen Mädchens in Badeanzug und Badekappe, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Was sie wohl betrachtet?
John Fardell: Der Tag, an dem Louis gefressen wurde. Moritz 2012. Ab 4 Jahren. Erscheint im März.
Hier frisst Einer den Anderen – und irgendwie werden früher oder später wohl alle gefressen ...? Klingt gut. John Fardell ist zwar nicht unbekannt, dies ist aber das erste Bilderbuch, das auch auf Deutsch erscheint – im Moritz Verlag, auch das lässt hoffen.
◊ ◊ ◊
Lutz Göllner
Doppelte Freude (hoffentlich) im Frühjahr: Für Mai hat Darwyn Cooke gerade den dritten Band seiner »Parker«-Adaptionen von Richard Stark angekündigt. »The Score« ist jetzt fällig, ein Band, der in der legendären gelben Ullstein-Krimireihe den schönen Titel »Stadt im Würgegriff« hatte. Und vielleicht erbarmt sich auch Lübbe/Eichborn demnächst und bringt endlich den bereits fertig übersetzten und geletterten ersten Band der Serie auf Deutsch? Ich jedenfalls lege vollkommen kackbratzig meine Motorradstiefel auf Craig Thompsons kleinen arabischen Kaffeetisch und behaupte: Darwyn Cooke ist der z.Zt. spannendste, originellste und innovativste Comickünstler der Welt.
»The Score« ist bisher erst über Cookes Twitter angekündigt; die Verlagsseite wird wohl Ende des Monats folgen. »Parker, Band 1« wird hier angekündigt, aber niemand weiß, wann der wirklich kommt.
Eric Powells »Goon« läuft auf Deutsch leider nicht so gut, wie es sollte. Und das ist eine Schande, denn der »Goon« ist eine der lustigsten und bewegendsten Comicserien, die es gerade gibt. Wie Will Eisner, nur mit schlechter Laune und jeder Menge Zombies. Und weil es so klemmt wurde Band 8 verlagstechnisch vom Herbst auf »irgendwann im Frühjahr« verschoben. Eine kleine Warnung: Wenn erstmal David Finchers Animationsfilm zum »Goon« fertig und ein Welterfolg geworden ist, dann wollen alle den Comic haben, und dann ist die Serie vergriffen oder eingestellt und dann ist das Heulen groß. Also: Jetzt kaufen! Sofort! Appigallopi!
Im letzten Spätsommer gab es bereits eine Vorabveröffentlichung als daily strip in der »FAZ«, da konnte man schon erkennen, dass Reinhard Kleists »Der Boxer« seine beste Arbeit seit langem ist: Es geht um den polnischen Sportler Hertzko Haft, der die Konzentrationslager der Nazis überlebte und anschließend in den USA eine beispiellose Karriere als Boxer hinlegte. Erscheint im Mai als Sammelband, da ist wirklich alles drin!
Die deutsche Veröffentlichungsgeschichte der amerikanischen Serie »Hellblazer« um den kettenrauchenden Punk-Zauberer John Constantine ist eher traurig. Im Februar startet Panini eine chronologische Gesamtausgabe zumindest der von Garth Ennis geschriebenen Hefte. Da es sich hier um den Prä-«Preacher«-Ennis handelt, kann man versprechen: Das wird sehr morbide, ziemlich brutal, saukomisch und überaus antiklerikal. Bis heute gelten diese inzwischen 20 Jahre alten Hefte als DER Höhepunkt der gesamten Serie. Übrigens: Gerade angesichts dessen, was Ennis in den letzten Jahren so angestellt hat (»The Boys«) ist es schön zu sehen, wie gut der Ire mal war.
Von all den Gesamtausgaben, die seit Monaten den deutschen Comicmarkt überfluten (das ist ja fast so schlimm, wie die graphic-novel-Welle) ist die Gesamtausgabe von »Johann und Pfiffikus« bisher die schönste: schöne, altmodische Geschichten, vorbildlich restauriert und mit klugen Vor- und Nachwörtern versehen. Allerdings ist diese Serie, in der die Schlümpfe einst ihren ersten Auftritt hatten auch sehr lustig und total kindgerecht, ohne infantil zu werden. Ein Kleinod franko-belgischer Comic-Klassiker. Band 2 im Februar, Band 3 im Mai.
◊ ◊ ◊
Sven Jachmann
Chester Brown – Ich bezahle für Sex – Aufzeichnungen eines Freiers (Walde + Graf, erscheint im März)
In den amerikanischen Medien führte Chester Browns autobiographische Nabelschau »Paying for it« im letzten Jahr zu langen und moralisch aufgeheizten Diskussionen darüber, ob Brown nun zu weit oder zu kurz gedachte habe und wo das alles noch enden solle. In Deutschland wird der, gelinde gesagt, blamable deutsche Titel wohl dafür sorgen, dass auch die Bild ein Wörtchen mitzublöken hat.
Mathieu Bonhome/Lewis Trondheim – Omni Visibilis (Salleck Publications, erscheint im Frühjahr)
Für mich zählt Lewis Trondheim zu den besten humoristischen ComiczeichnerInnen und –autorInnen. Aber obwohl schon einige Gemeinschaftswerke aus seiner Feder existieren, kann ich immer noch nicht so recht entscheiden, wie wichtig Trondheims Zeichnungen für seine Komik sind. Vielleicht wird diese Zusammenarbeit mit Mathieu Bonhome weiterhelfen?
Guy Delisle – Aufzeichnungen aus Jerusalem (Reprodukt, erscheint im März)
Quasi aus dem Nichts hat Sarah Glidden mit »Israel verstehen – in 60 Tagen oder weniger« den bislang besten Comic über den Konflikt zwischen Israel und Palästina vorgelegt. Ich bin gespannt, was Guy Delisle als alter Hase der Comicreportage aus dem Thema machen wird.
Manu Larcenet – Blast (Reprodukt, erscheint im Mai)
Der Verlag verspricht »eine Etüde in Grau«, die in die Abgründe der Figuren führe. Seit »Der alltägliche Kampf« weiß man, dass sich Manu Larcenet zumindest mit Abgründen des Alltags bestens auskennt. Wenn sich diese Kennerschaft mit einem existenzialistisch-kriminalistischen Sujet und noch dazu mit einem farblich vollends entschlackten Zeichenstil verbindet, dürfen die Gelenke für den Kniefall bereits geschmiert werden.
Jeff Lemire – Sweet Tooth (Panini, erscheint im Mai)
Jeff Lemire hat mit seiner brillanten Essex County-Trilogie seinem kanadischen Heimatstädtchen ein deprimierendes Denkmal gesetzt. In der DC-Reihe »Sweet Tooth« geht es den Figuren in Nebraska, das aber nach wie vor dem defekten Traumfänger Essex County gleicht, keineswegs besser. Aber nun müssen sie sich in dieser postapokalyptischen Erzählung auch noch mit ihrer hybriden Erscheinung aus Mensch und Tier herumquälen.
◊ ◊ ◊
Gerd Ruprecht
Simon Schwartz – Packeis (Avant, März)
Ein Afro-Amerikaner am Nordpol.
Mark Long/ Jim Demonakos/ Nate Powell – The Silence of Our Friends (First Second, Januar)
Der neue Comic von Nate Powell.
Schwartz/ Yann – Gringos Locos (Dupuis, Januar)
Franquin, Jijé und Morris in Amerika.
Harvey Pekar – Cleveland (Top Shelf, März)
Das letzte Werk von Harvey Pekar.
François Schuiten – La Douce (Casterman, April)
Nach längerer Zeit wieder ein Solo-Album von Schuiten.
◊ ◊ ◊
Felix Giesa
Ich bin gespannt auf folgende deutschsprachige Titel:
Arne Jysch – Wave and Smile (Carlsen, Mai)
Man kann wohl getrost sagen, dass der Konflikt in Afghanistan in Deutschland, zumal die Beteiligung deutscher Soldaten daran, sehr unpopulär ist. Umso erfreulicher, dass es nun eine Auseinandersetzung mit dem deutschen Einsatz in einem populären Format geben wird. Wie sich Jysch mit diesem schwierigen Thema, zumal in seiner ersten Comicarbeit, arrangiert, dürfte spannend herauszufinden sein.
Camille Jourdy – Rosalie Blum (Reprodukt, Juni)
Ein lustiges Vexierbild mit jungen Leuten in Form eines Comics, gezeichnet von einer jungen Französin, die nun erstmals auf Deutsch verlegt wird. Wie gesagt, ich bin gespannt!
José Muñoz/ Carlos Sampayo – Carlos Gardel. Die Stimme Argentiniens (Reprodukt, März)
Mit Carlos Gardel kann man sicherlich eine Musiker-Biographie in der Tradition von Igort’s Fats Waller erwarten, die sich nicht auf den langweiligen Biographiepfaden aufhält, sondern einfach nur in hinreißenden Bildern menschliche Geschichten erzählt. Hier von Carlos Gardel, dem Musiker des Tango schlechthin.
Gipi – S. (Reprodukt, April)
Auch in Italien arbeitet man sich an biographisch-genealogischen Themen im Comic also ab. Gipi’s S. dürfte da eine spannende Ergänzung sein, kann man ihn doch getrost zu einem der wichtigsten italienischen Zeichner der Gegenwart zählen. Warum auch immer das Italien-Dossier der Reddition ihn ausgespart hat und sowieso mal wieder nur in der Vergangenheit lebte.
Marc-Antoins Mathieu – 3 Sekunden (Reprodukt, April)
Der Meister des Auslotens bildnarrativer Möglichkeiten im Comic erzählt uns heuer einen Thriller. Der Jury in Angoulême hat’s gefallen, dort steht der Band auf der Long List. Kann man wohl getrost als Qualitätsurteil so stehen lassen.
Ich freue mich richtig auf folgende deutschsprachigen Titel:
Osamu Tezuka – Buddha (Carlsen, April)
Während bei Vertigo Neil Gaimans Sandman in diesem Jahr in einer annotierten (fast möchte man historisch-kritisch sagen) Ausgabe erscheint, kann man froh sein, dass bei uns endlich einmal Klassiker von bedeutenden Zeichnern vorgelegt werden. Warum man aber schon wieder nicht die großartigen Cover der englischen Ausgabe für einen Tezuka-Band verwendet, ist mir ein Rätsel.
Simon Schwartz – Packeis (Avant, März)
Wie man sich auf dem Packeis-Workblog überzeugen kann (und ebenso in der aktuellen Comix), kommt da etwas historisch fundiertes, erzählerisch und zeichnerisch Ausgereiftes auf uns zu. Was hat man früher eigentlich ohne das Internet gemacht?
Paul Hornschemeier – Mein Leben mit Mr. Dangerous (Carlsen, Juli)
Life with Mr Dangerous war eine meiner Lieblingsfortsetzungen in Mome, die Komplettausgabe erscheint nun dankenswerter Weise sehr zeitnah bei Carlsen. Hoffentlich inklusive des dialogischen Epilogs zwischen Zeichner und Figur, in welchem die Figur ihren Schöpfer mit psychoanalytischem Gespür zu nahe kommt. Splendid!
Aisha Franz – Brigitte und der Perlenhort (Reprodukt, Mai)
Aisha Franz‘ Alien war für mich das Comic-Debut des Jahres 2011. Damit hat Frau Franz ordentlich vorgelegt und entsprechend hohe Erwartungen kann man wohl an Brigitte und der Perlenhort haben. Nicht, dass ich hier Druck aufbauen wollte ...
Charles Burns – Die Kolonie (Reprodukt, Juni)
Der zweite Teil von Charles Burns hergéesker Version eines Beatromans. Der erste Teil fand leider auch auf satt.org zu wenig (keine) Beachtung. Das heißt aber nicht, dass er nicht gut war!
Ich freue mich richtig auf folgende englischsprachigen Titel:
Pat Grant – Blue (Top Shelf, März)
Ist Pat Grant die Independent Comicversion des Australiers Shaun Tan? Man könnte es fast meinen, so ungewöhnlich gestaltet der Australier Grant seine youth-gone-wrong-Geschichte.
Brendan Leach – The Pterodactyl Hunters (in the Gilded City) (Top Shelf, Frühjahr)
Schon vor einigen Jahren als Eigenproduktion erschienen und mit einem Xeric-Award ausgezeichnet, erscheint The Pterodactyl Hunters nun auch in einem Verlag. Wer den letzten Best American Comics-Band gelesen hat, konnte sich in einem längeren Ausschnitt überzeugen, was für ein erzählerisches und zeichnerisches Talent Brendan Leach ist. Diese Aquarell-Tusche-Zeichnungen sind wirklich verzaubernd ...
Shigeru Mizuki – NonNonBa (Drawn & Quarterly, April)
Fast noch mehr als der Comic wurden Manga immer massiv als Kinderkram marginalisiert. Linderung erfuhr dieses Vorurteil lediglich durch Jiro Taniguchi, der gleichsam als westlich anmutender, also untypischer Mangaka, den Manga auch Erwachsenen näher brachte. Titel des Mainstream, wie Urasawa Naokis Pluto, oder der nun auch endlich auf Deutsch erscheinende Gegen den Strom von Yoshihiro Tatsumi, werden aber nach wie vor kaum würdigend wahrgenommen. Im englischsprachigen Raum hingegen kann man sich schon seit Jahren darauf verlassen, dass Drawn & Quarterly wundervoll gestaltete, atemberaubende alternative Comics aus Japan (Gekiga) mit schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht. Shigeru Mizuki, der im vergangenen Jahr mit Onward to Our Noble Death, einem Manga zum Pazifikkrieg, wie man ihn noch nicht gesehen hat, für einiges Aufsehen sorgte, legt nun einen Band über die Welt der japanischen Dämonen vor und dürfte erneut ein Juwel geschaffen haben.
Tom Gauld – Goliath (Drawn & Quarterly, Februar)
Eine zentrale Geschichte des Alten Testaments in hinreißender Graphik neu und zeitgenössisch interpretiert. Allein schon vom kurzen Preview wird klar, dass sich Crumbs Bibel-Adaption hier gleich mehrere Scheiben hätte abschneiden können.
Kolor Klimax: Nordic Comics Now (Fantagraphics, Frühjar)
Internationale Anthologien sind immer auch eine großartige Gelegenheit, einen Haufen hierzulande unbekannter Künstler kennenzulernen. Das aus dem skandinavischen Raum bei uns kaum etwas bekannt ist über die dortige Comicszene, erkennt man immer wieder an einzelnen Veröffentlichungen etwa in Orang oder Tommi Musturis Unterwegs mit Samuel. Kolor Klimax könnte da einer Offenbarung gleichkommen.