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18. Juli 2016 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||||||||||||||||||||||||
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Schon letztes Jahr, nach meiner ersten Teilnahme an einem »Gratis-Comic-Tag« (in den Jahren zuvor besuchte ich jeweils meine Mutter, weil der GCT immer am Tag vor Muttertag stattfand), hatte ich mir vorgenommen, zu den Comics, derer ich habhaft geworden war (ca. 9), je eine Kritik zu verfassen, doch als ich nach zwei Monaten immer noch nicht alle durch hatte, habe ich es dann aufgegeben. Da man sich immer wieder selbst fordern muss, wenn man sich weiterentwickeln will, probiere ich es dieses Jahr erneut. Ein kleines Problem ist hierbei, dass ich diesmal tatsächlich früh aufgestanden bin (war 2015 nur der »Plan«), und dann auch recht lange durchgehalten habe ... und 30 der 34 Gratis-Comics ergattern konnte! (Und die fehlenden vier kann ich mir bei meiner Bewährungshelferin, die mitgelaufen war, ausleihen). Es ist also zu befürchtet, dass ich mir mehr in den Mund gestopft habe, als ich kauen kann. Aber immerhin kann ich zum jetzigen Moment schon mal behaupten, dass ich alle Comics (bis auf ein paar Seiten »Max & Maxi«) schon gelesen habe. Nur sind erst etwa weniger als die Hälfte der Kritiken geschrieben ... Also, hier schon mal die Kritiken zu sämtlichen »Comics für Kids«. Der Rest folgt dann (zumindest ist der Plan so) in zwei weiteren Teillieferungen. ◊ ◊ ◊
Mutts: Hund mit Katze
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28 Comic-Seiten, alles One-Pager (vermutlich aus unterschiedlichen bereits erschienenen Bänden), Carlsen Comics, Farbe
Aus unerfindlichen Gründen dachte ich, dass Titeuf eine französische Serie sei, doch der frühpubertäre Schüler mit der auffälligen Frisur stammt aus der Schweiz. Die einseitigen Gags erinnern an längere Zeitungsstrips, teilweise entwickelt sich auch mal eine längere Geschichte über mehrere Seiten hinweg - aber am Ende der Seite folgt immer eine Pointe, die öfters auch erstaunlich frech ausfallen kann (Lieblingsbeispiel: Titeuf wüsste gern genau, was bei diesen »Wachstumsschüben« passiert - und stellt sich vor, wie Teile seiner Anatomie plötzlich auffällig werden, darunter auch ein Körperglied, das man in Kindercomics eher selten sieht).
Für meinen Geschmack sind einige Gags zwar eine Spur zu infantil (nicht so witzig, einen am Pissoir stehenden Schüler nach hinten umzureißen), aber den Kids wird das besonders gefallen. Dass Titeufs großer Schwarm Tanja ihn (oft, aber nicht immer auf Grund von Missverständnissen) komplett schrecklich findet, ist auch eine Spur hart - aber so war und ist das halt in der Pubertät.
Die Kolorierung ist zwar mitunter etwas bieder oder an kindlichen Lieblingsfarben orientiert (nicht ganz so schlimm, wie es sich jetzt anhört), aber der Zeichenstil (und auch das, was abgebildet wird) wirkt mitunter fast wie ein »Underground-Comic für Kids«. So eine Art Der kleine Nick, aber teilweise so rotzig wie Bart Simpson. Wenn einem ein pummeliger Typ, der kaum aus seinem Rollkragenpullover rausschauen kann, für zwei Lollis einer Barbie unter den Rock schauen lässt und dann mit Kennermiener meint »Da spannt der Slip, was?«, dann ist das exakt die Art von Comic, die Kinder (und Kindgebliebene) lieben, während die Pädagogen und andere Spielverderber was zu meckern haben. Ich finde, jeder, der schon mal in der Kita zum »Opfer« degradiert wurde und seine Comics selbst lesen kann, hat sich auch die sittliche Reife erarbeitet, mit Titeuf konfrontiert zu werden.
Naja, oder sagen wir mal ab zehn oder elf ...
Titeuf ist allemal zwei Lollis wert!
28 Comic-Seiten, 3 abgeschlossene Geschichten (aus Band #1 & #2), Reprodukt, Farbe
Reprodukt ist nicht nur generell einer der besten deutschen Comicverlage, ich hatte auch letztes Jahr bei deren Gratis-Comic zu Ariol ein glückliches Händchen gehabt. Bei Kiste besteht mein größtes Problem mit dem Comic eigentlich darin, das die Titelfigur, eine Art sprechende Werkzeugkiste, die aber erstarrt, sobald Erwachsene sie sehen, nicht im geringsten wie eine »Kiste« aussieht, sondern eher wie ein (etwas ramponierter) Pappkarton. Aber da Bone ja auch nicht wie ein Knochen aussieht, muss man da einfach mal drüberwegsehen.
Gleich auf der Cover-Innenseite werden einem die Hauptfiguren in alter Asterix-Tradition vorgestellt, wobei man aber für die Geschichtenauswahl im eigentlichen Heft diese Informationen nicht nur nicht braucht - sie evozieren Abenteuer, die man dann wie in einer Mogelpackung gar nicht geboten bekommt. Denn die drei Storys im Heft erzählen eigentlich nur vom Kennenlernen und »gemeinsamen Spielen« von Kiste und seinem neuen Besitzer, dem jungen Mattis.
Wenn man hierbei von der »Zauber-«Backgroundstory nichts weiß, läuft das eigentlich ab wie bei Calvin & Hobbes: Man kann sich auch einfach vorstellen, dass der Junge eine ausgeprägte Fantasie hat und quasi Selbstgespräche mit der Kiste führt. Wobei das nicht komplett reibungslos funktioniert, weil Kiste nicht sehr aktiv ins Spielgeschehen eingreift, sondern auch bestimmte Gaben hat, die man mit ein wenig Fantasie nicht einfach - äh - »nachstellen« kann.
Die auffälligste dieser Gaben ist das Detail, dass man (oder Kiste selbst) aus ihrem Innern Dinge ziehen kann wie aus der Jackentasche von Harpo Marx. In den drei Geschichten etwa neben diversem Werkzeug auch einen schweren Amboss oder unzählige diverse Holzbretter, die ca. zehnmal größer sind als Kiste. Allerdings: Im Dienste der Geschichte kann es auch mal passieren, dass die Nägel alle sind.
Und zusammen mit Kiste bastelt Mattis dann außer in der Origin-Story immer irgendwas, was durchaus auch noch witzig ist, wenn man dem einstelligen Alter bereits seit jahrzehnten entwachsen ist. Meine Lieblingsgeschichte ist die in der Mitte, in der Kiste aus reiner Unfähigkeit (gepaart mit einer Spur Arroganz und Größenwahn) etwas erfindet, was sich dadurch auszeichnet, dass ein eigentlich simpel zusammenzubastelndes Spielzeug wie eine Wippe eben nicht funktioniert, wenn man die Hauptbestandteile zusammennagelt. Um diese kleine Mär zu erzählen, arbeitet man clever mit Bildformat-Wechsel und - et voilá! - die »Nichtwippe« wurde erfunden.
Ohne riesige Ansprüche, aber sehr liebenswert und wirklich nett koloriert ist Kiste einfach ein Kindercomic, wie man ihn nicht alle Tage geboten bekommt. Reicht für mich alten Sack jetzt nicht, um mir diverse Bände zu kaufen, aber wenn man einem 6-8jährigen Kind ein Geschenk machen will, gibt es sicher blödere Ideen. Unter Umständen würde ich aber vorher mit den Eltern abklären, ob das reale Werkzeug im Keller oder der Garage auch gut unter Verschluss ist ...
27 Comic-Seiten, 1 abgeschlossene Geschichte (aus gleichnamigem Band #46, im Original von 1986), Egmont Comic Collection, Farbe
Bei Asterix wie bei Lucky Luke ist es ja ein weit verbreiteter Grundsatz, dass die Alben des Autoren René Goscinny teilweise um Klassen besser sind als jene die nach dessen Tod entstanden (bzw. bei Lucky Luke auch mal vor dessen Beteiligung). Leider bestätigt diese späte Goscinny-Geschichte, dass nicht automatisch alles Gold ist, was Goscinny schrieb. Vermutlich hängt es auch mit der nicht immer überzeugenden Übersetzung (vor allem, wenn es sich reimen muss), dem lieblos in die Sprechblasen gequetschten Maschinenlettering und der eher kleinen Reproduktion zusammen, aber die Geschichte an sich ist schon reichlich episodenhaft und dümmlich. Der Humor besteht fast nur aus Running Gags, die auf der Intelligenz-Hierarchie der Figuren basieren: Lucky Luke ist den Daltons vermeintlich einiges voraus (gestattet aber zwischendurch, dass sie ein größeres Gebäude in die Luft sprengen oder einen Zug jenseits seiner Gleise kilometerweit durch die Gegend rasen lassen), Joe Dalton glaubt nur, dass er schlau sei, und ob jetzt Averell oder Rantanplan die dümmste Figur ist, wage ich gar nicht festzulegen.
In einem fast durchgängigen twelve panel grid wird den Figuren oder der Atmosphäre kaum mal die Möglichkeit gegeben, sich zu entfalten. Stattdessen huscht man durch eine wenig inspirierte Geschichte, bei der die Daltons den letzten Willen ihres Erbonkels Henry erfüllen sollen (»An was ist Onkelchen Henry denn gestorben?« --- »Am Galgen.« --- »Ah, eines natürlichen Todes. Das ist ein großer Trost!«). Die Brüder sollen alle an Henrys Tod beteiligten (Richter, Geschworene) umbringen. Und Lucky Luke soll das bezeugen (sonst fällt das Erbe aus), sorgt aber stattdessen dafür, dass die Daltons die einzigen sind, die glauben, ihre Mordversuche wären gelungen. Das passiert im Verlauf der Geschichte neun Mal - und schon beim zweiten Mal ist es nicht mehr wirklich witzig. Die "erlegten" Figuren sind größtenteils schnell hingepfuschte Klischees wie der chinesische Betreiber einer Reinigung, nur eine Karikatur von W.C. Fields (hier als Säufer und Quacksalber, der Wasser als Medizin verkauft) ist halbwegs erheiternd.
Trotz minderer Qualität ist das Heft aber immer noch erträglich - und weit über dem Durchschnitt der anderen Gratis-Comics.
28 Comic-Seiten: 3 Kurzgeschichten (2 x zehn, 1 x acht Seiten); dazu zwei einseitige Illustrationen, Cross Cult / Nickelodeon, Farbe
Avatar kennt man vermutlich am ehesten über die erfolgreiche Anime-Serie, die M. Night Shyamalan auch mal so halberfolgreich in einen Film verwandelte, der dann aber The Last Airbender hieß, weil James Cameron beim Titel-Copyright schneller zugeschlagen hat (sein Avatar hat aber komplett nichts hiermit zu tun).
Die Geschichten spielen in so einem japanischen Fantasy-Setting mit altertümlichen Häusern, Ehrenkodizes und Martial-Arts-Training, aber zumindest die erste Geschichte erinnert mich auch stark an Pokémon, weil man hier skurrile Tiere (und davon scheint es eine Menge zu geben) miteinander kämpfen lässt. Allerdings nicht als sportlichen Wettkampf, sondern weil ein Wesen ein Dorf bedroht und ein anderes, den Protagonisten wohlgesinntes, sie verteidigt. Ach ja, die Protagonisten scheinen allesamt Teenager zu sein, die sich (vgl. Star Wars: Kanan) in den Geschichten auf unterschiedliche Art bewähren müssen.
Obwohl man hier durchaus mit Manga-Elementen arbeitet (etwa diese verniedlichten Chibi-Versionen der Figuren, die in bestimmten Situationen an ihrer Stelle auftauchen), fiel mir vor allem positiv auf, dass die offenbar in den USA produzierten Comics auf einem hohen erzählerischen wie künstlerischen Level ansetzen und dabei wirklich talentierte ZeicherInnen mit viel Liebe die eigentlich anspruchslosen Storys umsetzen. Vor allem Faith Erin Hicks in der mittleren Geschichte gefiel mir hier, ihren Zeichenstil kann man durchaus mit dem von Craig Thompson oder Jay Stephens vergleichen (und das sind zwei der wirklich Großen!).
Aber in allen drei Geschichten arbeitet man clever mit dem Medium (Seiten-Layout, Panel-Durchbrüche), die Kolorierung ist sehr ansprechend (ohne, wie in vielen modernen Marvel-Comics, die Line-Art komplett zu übertünchen) und das Ganze sieht einfach viel besser aus als eine seelenlose Auftragsarbeit.
Leider bin ich auf den wenigen Seiten mit den Figuren nicht wirklich warm geworden, sonst würde ich das Heft mit Inbrunst empfehlen können.
24 Comic-Seiten plus drei improvisierte »Titelseiten«, vier abgeschlossene Kurzgeschichten (zweimal acht, zweimal vier Seiten), Toonfish, Farbe
Kommen wir zu den Schlümpfen. Sie lassen sich ohne Probleme als Kinder-Comic verkaufen (und noch leichter verschenken). Aber als Purist bemängele ich dabei natürlich, dass das heutzutage mehr mit der Hanna-Barbera-Zeichentrickserie und die ihre Herkunft verratenden Neil-Patrick-Harris-3D-Filmen zusammenhängt.
Ich bin ja noch vom alten (sehr alten) Schlag und lernte sie neben Vader Abraham über die Schleich-Figuren (ich hatte als Kind ca. 30 verschiedene, zwei Häuser, einen Brunnen und eine Schubkarre) und die Comics (in den Fix-und-Foxi-Heften aus den 1970ern) kennen.
Pierre Culliford wäre inzwischen vermutlich alt wie Methusalix und deshalb passt es nicht so perfekt, vom zu früh verstorbenen Künstler zu sprechen, aber Fakt ist, dass sich seine Marke nach seinem Tod verselbstständig hat und man im Gegensatz zu anderen Klassikern der École Marcinelle bei den nach seinem Tod entstandenen Comics keine »Künstler« angibt, sondern einfach seinen Künstlernamen Peyo wie einen Disney-Stempel als Gütesiegel auf alle Schlumpf-Comics setzt - egal wie derivativ und ideenlos sie manchmal daherkommen.
In Deutschland kommt erschwerend noch hinzu, dass man die Namen der Hanna-Barbera-Synchronisation übernommen hat, also größtenteils stark amerikanisierte Namen wie »Jokey« oder »Beauty«, aber auch deutschere Namen wie »Schlaubi« oder (ganz schlimm!) »Muffi« (der riecht nicht, sondern hat schlechte Laune, hieß damals glaube ich Grießgramschlumpf). Für mich, der sie noch als »Brillenschlumpf« etc. kennt und dem »der große Schlumpf« einfach mehr ans Herz gewachsen ist als »Papa Schlumpf« es je vermögen wird (ich habe sogar eine komplette Panini-Sammlung, aber weigere mich, die Sticker oberhalb dieser Fremdschäm-Namen einzukleben), bringt das immer eine gewisse Pein mit sich.
Noch übler wird es natürlich, wenn man auf Seite 24 vom »Tollpatschschlumpf« liest, der im Rest des Heftes eben »Clumsy« heißt. Nach dem alten Benennungsmuster vergibt man zudem noch weiterhin die Namen von Schlümpfen, die trotz der stabilen Anzahl von 100 blauen Wichten (bevor die »Schlumpfbabys« dazukamen) kein klares Profil entwickeln konnten, hier etwa der »Anglerschlumpf« oder der »Schleusenschlumpf«. Für mich stellt das schon ein Problem dar.
Das größere Übel ist aber vielleicht doch, dass die neueren Geschichten oft nur das selbe Erzählmuster abspulen (Gargamel aka Gurgelhals fängt einige oder viele Schlümpfe und muss überwunden werden), wo es früher echte Knallergeschichten gab wie »Die schwarzen Schlümpfe« oder »Rotschlümpfchen und Schlumpfkäppchen« (eine Art linguistischer Bürgerkrieg). Als Indiz einer anderen Zeit ist mir sogar die schwer frauenfeindliche Origin-Story von Schlumpfine sehr ans Herz gewachsen.
Die Kids von heute, die womöglich mit dem Gratis-Comic-Heft erstmals eine Comic-Version schlumpfen, wird eine enge Anbindung irgendwie schwieriger fallen (wenn sie nicht längst hoffnungslos verschlumpft sind). Die Geschichte der »Fußballschlümpfe« beginnt schwach mit Gags über zerbrochene Fensterscheiben und endet mit einem Gargamel, der die Schlümpfe vom Fußballfeld in seinen Sack klaubt und dann durch einen hilfreichen Maulwurf in dessen Gang »einstürzt« woraufhin er nur noch mit dem Kopf aus dem Boden schaut - natürlich direkt vor einem der kleinen Schlumpfballtore - und man dann Elfmeterschießen übt. Und im letzten Panel geht wieder ein Fenster zu Bruch!
»Das große Meerschwein-Rennen« oder »Die Schlümpfe gehen baden« (mit einem wirklich einfallslos gezeichneten Otter) sind auch nicht besser, und bei »Die Schlümpfe auf dem Eis« wird die Gargamel-Gefahr abermals so aufgelöst, dass man denkt, der »Autor« (die Berufsbezeichnung wird quasi beschmutzt durch diesen namenlosen Schreiberling) hätte in seiner Jugend klar zu viele Dumpfcomics vom Schlage »Clever & Smart« oder dem ärgsten Italo-Schrott aus den Lustigen Taschenbüchern gelesen. Jedenfalls endet die Geschichte damit, dass Gargamel mit einem Bären zusammen auf einer Eisscholle davontreibt, während der Bär ihm auf den Kopf boxt.
Nachdem ich nun all meine Galle ausgespien habe, muss ich aber zugeben, dass ich die Schlümpfe trotz allem so sehr mag, dass es doch noch für einen Platz im Mittelfeld reichte. Manche uralte Gags wie das »Ich mag aber nicht schlumpfen« oder die typische Besetzung des Schiedsrichters beim Fußballspiel funktionieren einfach immer noch. Und selbst das Lesen eines Mistcomics mit den Schlümpfen erinnert einen ja an die anderen besseren Werke, die man nur aus dem Regal holen muss (bei Asterix ist das übrigens nicht so, da weigere ich inzwischen, die neuen Dinger auch nur eines Blickes zu würdigen - obwohl sie ja besser geworden sein sollen).
40 Comic-Seiten: 20seitiger Teaser, 2 Kurzgeschichten (12 bzw. 8 Seiten), mit doppelseitigem Poster, Panini Comics, Farbe
Vielleicht bin ich altmodisch, aber auch, wenn die Auswahl der Comics hier klar für junge Leser bestimmt ist, finde ich, dass »Kriegs«-Comics nicht unbedingt die beste Wahl als Kinderlektüre sin. Aber viele Kiddies werden mir hier widersprechen, weil Star Wars aus ihrer Sicht supercool ist und man ja mit den Clone Wars fürs Kinderfernsehen und den beliebten Legosteinen zum Lucas-Universum schon die kleinsten an das Franchise anbindet.
Kanan ist offensichtlich ein junger Jedi-Schüler (schon Annakin zielte ja auf jüngere Kinobesucher), und als »Appetithäppchen« (steht tatsächlich so drin) bietet man uns hier die ersten 20 Seiten von Kanan - Der letzte Padawan, Band 2. Kanan Jarrus (so der volle Name der Figur) wurde offenbar von hinten niedergestochen und hat eine Menge Blut verloren. Evtl. passierte das in Band 1, aber wahrscheinlicher erscheint mir, dass die Story dahinter als Flashback innerhalb von Band 2 erzählt wird. Kanan erinnert sich also an seine »Initiationsprüfungen«, wobei er sich den Kopf stieß und wegen einer Blutung zur Krankenstation sollte. Dort sieht er in einer Glassäule voller Wasser (genau wie die, in der man ihn auf der ersten Seite sieht) eine junge Frau »genesen«. Ein Moment, der auf fast zwei Seiten ausgewalzt wird inklusive Kanans Gedanken »Wieso habe ich das Gefühl ... dass ich sie kenne ...?«.
Dummerweise erfährt man das als Leser nicht, und zumindest ich war auch nicht interessiert genug daran, mir deshalb sofort Band 1 zu kaufen, in dem Kanan vermutlich eine Frau trifft, deren Gesicht er nicht zu sehen bekommt. Oder das sind mal wieder Geschwister, die aber nichts davon wissen ...
So oder so wird die Geschichte reichlich mysteriös vorangetrieben, und mich hat es schon ziemlich genervt, dass man hier offenbar das dritte Viertel einer Geschichte bekommt - und dafür noch dankbar sein soll. Das Storytelling ist eher suboptimal. Die genesene junge Frau namens Depa (sitzt bei einer Doppelseite von Initiationsprüfungen von Kanan und zwei weiteren Anwärtern irgendwie im Hintergrund und betet ähnliche Sinnsprüche herunter wie die anderen) offenbart sich plötzlich als »Meisterin Billaba«, die zum »Hohen Rat« gehört (wo auch Mace Windu, Yoda oder der junge Obi-Wan Kenobi sitzen). Und Kanan hofft nun darauf, von dieser Jedi-Meisterin als Padawan, also Schüler ausgewählt zu werden (sie scheint nur wenige Jahre älter und irgendwie drängt sich der Verdacht auf, dass Kanan in sie verschossen ist - aber letztlich bleibe ich bei meinem Verdacht einer familiären Verbindung).
Mal ganz abgesehen davon, dass Kanan mir mit Sprüchen wie »Außerdem will ich noch die ganze Action erleben, bevor die Klonkriege vorbei sind!« nicht unbedingt ans Herz gewachsen ist (und junge Leser werden hier wohl kaum die Ironie des unangemessenen Wunsches erkennen), sind die 20 Seiten sehr fragmentarisch, die Story wirkt super-vorhersehbar, und die √úbersetzung (Franz Cong Bui) überzeugt mich auch nicht. Insbesondere die Zeichensetzung bei Yoda finde ich sehr seltsam und dadurch störend.
27 Comic-Seiten, 3 abgeschlossene Geschichten, Egmont Comic Collection, Farbe
Disney Comics sind in jeder Hinsicht wie geschaffen für das Gratis-Comic-Konzept, denn jeder halbwegs gelungene Disney-Comic sollte als Einstiegsdroge funktionieren, für die man kein detailliertes Vorwissen benötigt. Selbst wenn, wie hier, auch Nebenfiguren wie Gustav Gans oder MacMoneysac eine Rolle spielen, versteht man eigentlich sofort, dass Gustav ein eitler Fatzke und Nebenbuhler um Daisys Zuneigung ist (das Glück spielt hier mal keine Rolle) - und mehr muss man auch nicht wissen.
Außerdem geht es hier weniger um das Verhökern teurer Alben, sondern darum, dass Kinder das Medium Comic entdecken. Ob sie danach bei den Lustigen Taschenbüchern oder bei der Barks-Library einsteigen, ist den Verantwortlichen reichlich egal - die Marke Disney ist so bekannt und beliebt (und auch den Eltern vertraut), dass so ein Gratiscomic eigentlich immer seine Funktion erfüllt. Und viel stärker als alle anderen Hefte wird er auch Zweit- oder Drittleser erreichen. Und außerdem funktioniert das Heft auch für Sammler, weil Disney-Freaks auch die Hefte behalten, aus denen sie zwei von drei Geschichten bereits seit vier oder vierzig Jahren besitzen (und vielleicht sogar kennen).
Kommen wir also zur Auswahl der Geschichten, die beim schier unerschöpflichen Fundus an Disney-Comics längst nicht mehr mit sorgfältigen Abwägungen getätigt werden. Kurz gesagt hat man hier einen abenteuerlichen Dagobert-Zweiteiler (14 Seiten von Nordberg und Midthun, der Geldspeicher wird von gefräßigen Insekten bedroht, in Südafrika gerät man an Nashörner, Krokodile und einen Schmetterlingsjäger namens Prof. Paul Popenpingel, der Barks-Fans an Prof. Schratt-Schierling aus Der letzte Moribundus / In Darkest Africa erinnern wird), einen Donald-Zehnseiter (Mau Heymans' Strandwächter-Geschichte ist ebenfalls eher was für schlichte Gemüter) und zum Abschluss einen Dreiseiter mit Micky-Maus, bei dem die fade Story zwar kaum für einen One-Pager reicht, aber das tolle Zeichner-Team Jippes/Schröder immerhin den Augen etwas bietet.
Rein von der Abwechslung und den unterschiedlichen Formaten und Figuren eine tolle Mischung, aber leider sind die Geschichten allesamt so auf Zweitklässler-Niveau, im guten Sinne »donaldisieren« kann man damit sicher niemanden.
Mein ganz persönlicher Eindruck beim Donald-Heft ist einer, der mich an den FC Bayern München erinnert. Wenn man weiß, dass man in einer anderen Liga spielt als die Konkurrenz, ist das noch lange kein Grund, eine mit Amateuren aufgefüllte zweite Mannschaft spielen zu lassen. Da sollten die Jungs von Egmont sich mal die Mutts- oder Kiste-Heft anschauen und lernen, wie man durch gezielte Auswahl die Kampagne wirklich nutzen kann (mal ganz abgesehen davon, dass 27 Comic-Seiten für so einen großen Verlag schon etwas popelig wirken). Aber das Pochen auf Qualität (in der Auswahl) wird beim GCT leider nicht annähernd groß genug geschrieben.
All meine Vorwürfe werden übrigens noch durch die Auswahl der drei Werbeseiten am Schluss fundamentiert: »Onkel Dagoberts Sparbuch«, »11½ Orte, die Ente gesehen haben muss« und ein LTB Extra mit dem Titel »Und wir holen den Pokal!« mit einem anatomisch sehr waghalsigen Fallrückzieher von Donald im deutschen Nationaltrikot. Vulgärdonaldismus der untersten Kajüte!
12 Comic-Seiten (plus 13 Seiten pädagogisch vermeintlich wertvolle Aktivitäten), 1 abgeschlossene Geschichte, Stainless Art ComicVerlag, Farbe
Wie Donald Duck hatte auch Jommeke bereits letztes Jahr ein eigenes Heft beim CGT. Das habe ich um einiges besser in Erinnerung als das diesjährige Produkt. Zunächst mal sind 12 Seiten Comics etwas mager, wenn man nicht darauf erpicht ist, etwas über Obst, Gemüse, richtige Ernährung und Verkehrserziehung zu lernen. Vor allem, wenn der streng pädagogisch ausgerichtete Teil (ich habe tatsächlich alle gelesen und bis auf das Birnensuchspiel auch bei den Rätseln mitgemacht) rein editorisch nicht wirklich überzeugt. Beim großen Verkehrsquiz ist schon eine vorgegebene (sonst leere) Seite durchnumeriert, in die man die Fehlverhalten (oder auch mal die korrekten) der acht Verkehrteilnehmer eintragen soll. Nur fehlen auf dem Bild diese Zahlen und es sind eben auch nicht acht Verkehrsteilnehmer, denn man sieht zwar sieben Fußgänger und einen Radfahrer, aber die korrekte Lösung zählt auch einen der mindestens fünf Autofahrer mit, lässt einen der Fußgänger links liegen und zählt den Hund (sehr gut erzogen!) gar nicht mit. Und so ähnlich läuft das auch bei den Unterscheidungen zwischen Obst und Gemüse etc.
Der eigentlich Comic hat zwar immerhin auch was mit dem Straßenverkehr zu tun, ist aber ansonsten ziemlich simpel gestrickt. Wenn der bestens erkennbare Bösewicht sich exakt so verhält, wie man es von ihm erwartet, dabei aber dennoch kindgerecht harmlos bleibt, und sich die ganze Spannung aus dem nicht sehr glaubwürdigen Luftmobil zieht, wirken selbst zwölf Seiten manchmal zu lang, und weder das eher lahme Artwork im ligne-claire-Stil noch das reichlich große Lettering (da braucht man nicht mal als alter Sack seine Brille) konnten mich wirklich ansprechen. Aber es gibt tatsächlich noch zwei schlimmere Hefte unter den »Comics für Kids«.
24 Comic-Seiten (plus 4 S. Illustrationen), 2 abgeschlossene Geschichten à 12 S., Teaser aus gleichnamigen TPB mit 96 S., Dany Books, Farbe
Garfield ist ja so ein bisschen wie Mickey Mouse: Zu Beginn der Strips von Jim Davis war er nicht nur um einiges fetter und hässlicher, sondern auch viel gemeiner. Inzwischen ist das »filosofische« Fellknäul reichlich harmlos und verniedlicht worden. Und im Gratis-Comic gibt es tatsächlich »neue« Abenteuer, die nicht nur nicht von Jim Davis stammen, sondern auch (auf unschöne Weise) vom Comic-Strip-Format mit meist vier Panels abweichen und stattdessen zwei längere Geschichten, die aber ziemlich langweilig und doof sind, im Heftformat auswalzen.
In der ersten Story soll Garfield wegen 3 Kilo Übergewicht (bei Katzen ist das eine Menge) auf Lasagne-Diät gesetzt werden. Dabei ahnt man viele Gags nicht nur mit zwei Seiten Vorsprung, auch funktioniert die Figur Garfield für mich nur sehr eingeschränkt, wenn einem die Geschichte weismachen will, dass er mit verschiedenen Lasagne-Gastronomen interagiert. Der seine Ansichten immer nur in Denkblasen an den Leser richtende Vater wird ja in den berühmten »Garfield without Garfield«-Strips so behandelt, als wäre er nur eine Halluzination des Cartoonisten Jon - und komplett »ausradiert«. Die sensible Balance zwischen dem Katzenbesitzer, der seinem Liebling menschliche Charaktereigenschaften zuschreibt und dem mit einem immensen Intelligenzquotienten beseelten Kater, der sich aus nur schwer nachvollziehbaren Gründen mit seinem tieferbegabten Umfeld abgibt ist in diesem Heft nicht nur überschritten worden, sondern in Vergessenheit geraten.
Die zweite Geschichte zeigt zwar auch wieder ein klar erkennbares pädagogisches Konzept, aber verrät dafür alles, was man an Garfield interessant finden könnte. Hier hilft er einem Mädchen mit einem selbstgemachten Limonaden-Stand gegen einen rücksichtslosen Geschäftsmann, der dessen übelschmeckende und nur aus Chemikalien bestehende Brühe (zunächst erfolgreich) an den Mann bringen will. Was zum Teufel hat das noch mit den Abenteuern einer Katze zu tun???
Über den Zeichenstil (selbst den eher formelhaften Jim Davis kann man noch »weichspülen«) und die superbunte Kolorierung mag ich keine Worte verlieren. Das noch ansatzweise positivste, was ich über das Heft verlauten lassen könnte, ist, dass man sich beim Seitenlayout hier und da von einem rigiden six panel grid gelöst hat. Für mich aber nur ein Indiz dafür, dass der Zeichner versuchte, bei diesem stupiden Job irgendwie noch wach und guter Laune zu bleiben.
26 Comic-Seiten (plus 1,5 S. Illustrationen), 2 so semi-abgeschlossene Geschichten (»Kapitel« trifft's eher), Teaser aus gleichnamigem Manga - vermutlich in kleinerem Format, Panini Manga, schwarz-weiß
Kurze CGT2016-Anekdote: In unserem letzten Laden, dem Thalia im Gesundbrunnen-Center, gab es tatsächlich fünf Hefte (zumindest zu dem Zeitpunkt, als wir dort ankamen, so kurz vor 15 Uhr), allerdings war nicht mehr alles vorrätig. Es gab noch neun Hefte, die ich mir noch nicht unter den Nagel gerissen hatte - und sechs davon hatte man im Angebot. Eigentlich waren ich und meine Begleitperson sich einig, dass uns Pokémon am allerwenigsten interessierte, aber ich ließ dann doch Die Überlebende zurück - auch, weil man so zumindest zu zweit die komplette Sammlung beisammen hatte. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das seitdem bereut habe - aber schlimmer Murks ist dieses Heft ganz sicher.
Ich habe ja immerhin Jahre bis Jahrzehnte selbst diverse Sammelkartenspiele gespielt - aber das waren dann immer Franchises, die mich auch generell interessierten: Star Trek, Harry Potter, Star Trek, Star Wars - oder zur Abwechslung auch mal Star Trek (ja, da gibt es drei verschiedene Spiele - wenn man die Tribbles mitzählt, sogar vier). Aber Pokémon - ob auf dem Gameboy oder in welcher Form auch immer - hat mich nie angesprochen. Dieses »Schnapp' sie dir alle« auf virtuelle Fantasie-Kampf-Tiere bezogen fand ich blöd, die reichlich dümmliche Promotion-Anime-Serie ebenso. Und, wer hätte es gedacht, die Comic-Serie funktioniert genau so: der Junge »Rot« will »Pokémon-Trainer« werden und erklärt dem geneigten Leser, was Pokémons sind, wie man mit ihnen umgehen sollte (oder auch lieber nicht), eingebettet in eine dümmliche Backgroundstory, die in den »ersten Abenteuern« nicht einmal genug Raum hat, sich auch nur ansatzweise zu entwickeln. Das Kreativste am ganzen Werk sind noch die deutschen Soundwords, die zwar rein textlich niemanden vom Hocker hauen (»segel«, »fessel«, »kraul«, »blend«), die man aber immerhin dem Möchtegern-Action-Stil angepasst hat - mit teilweise erahnbarem asiatischen Einschlag.
Ist ansonsten aber ziemlich unerträglich. Und, wen es interessiert: der auf dem Cover gefeaturete Pikachu (neben X-Männin Rogue eine der zwei Figuren mit Copyright, die ich einst als »Comiczeichner« während einer Signierstunde zeichnen durfte) kommt im Heft natürlich gar nicht vor. Nur Mew, Quaputzi, Nidorino, Glumanda, Maschock, Bisasam und diverse andere, die mir nicht namentlich vorgestellt wurden...
Demnächst in Teil 2 (Empfehlungen):
Corto Maltese: Die Leopardenmenschen von Rufidschi (Hugo Pratt), Dickie (Pieter De Poortere), Ei8ht: Gestrandet (Rafael Albuquerque & Mike Johnson), Fight Club 2 (Chuck Palahniuk & Cameron Stewart), Happy Birthday, Monster von Frankenstein (diverse), Isaak der Pirat: Amerika (Christophe Blain), Jiro Taniguchi, Love Addict (Koren Shadmi), Mezolith (Ben Haggarty & Adam Brockbank), Rat Queens (Kurtis J. Wiebe & Roc Upchurch) und We Stand on Guard (Brian K. Vaughan & Steve Skroce).
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