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13. April 2020
Thomas Vorwerk
für satt.org


DC Graphic Novels für junge Leser*innen


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Grundsätzliche Infos zu dieser Rubrik findet Ihr nach wie vor auf unserer Erklärseite!

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Introduction (engl.)

Etwas weiter unten auch noch mal auf Deutsch!

Thrice a month DC publishes so-called graphic novels (under no circumstances call them comics, even if the publisher is called DC Comics) which for the most part use established characters but often at a younger age in a rebooted setting. This way younger readers can experience Wonder Woman or Batman without all the characters' histories or too much violence.

Some of these book are even for kids of eight years or more, e.g. Dear Justice League, Diana: Princess of the Amazons, Batman Tales: Once upon a Crime or Zatanna and the House of Secrets, with childlike adventures, important lectures and tiny hidden references to DC lore for the older readers who just can't live without these tomes in their collections.

For readers of 13 years or more there's more continuity content and more rebellious title characters. Traditional authority figures like butler Alfred Pennyworth have to earn their standing, grown-ups are for the most part suspicious, it's part of the coming-of-age to realize that grown-ups don't have to be antagonists. These approaches you'll see in titles like The Oracle Code, Batman: Overdrive, Green Lantern: Legacy, while Mariko Tamaki has a bit more respect for her readers in Harley Quinn: Breaking Glass.

There seem to be tiny differences between some of the books. Most can be bought for $ 9,99, some are more expensive and go for $ 16,99. Often there's a prominently featured New York Times bestselling author and an illustrator in smaller letters, other books recognize that traditionally comic writers and artists should be treated equally. In one case the product is even an adaptation of an existing novel, and I don't like it at all if the persons having done all the work of putting this novel into another medium are almost put into small-print. But I don't want to talk too much about these aspects of the works. Just explore these titles from the last three months.

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Introduction (dt.)

Das Thema dieser »Sondernummer« von TVODNCBD hat sich mir vor allem dadurch aufgedrängt, dass ich hintereinander durch die Panini-Vorschau und das aktuelle Alfonz auf die deutschen Auswüchse des DC-Booms im YA-Bereich aufmerksam gemacht wurde. Und mir dann mal anschaute, was da so als letztes erschienen war (nicht nur DC Ink, sondern auch Artverwandtes).

Ich gehe davon aus, dass meine Leser*Innen, da ich durchweg englischsprachige Produkte vorstelle, auch die englische Intro durchstehen können, und will hier nicht alles noch mal wiederholen (fieser Trick, wenn man jetzt faulerweise runtergescrollt hat und jetzt mit sich ringt, ob man wieder zurückscrollen sollte). Auf jeden Fall gibt es Harley Quinn: Breaking Glass (folgt dem Link), Mera: Tidebreaker (noch nicht zuende gelesen) und Batman: Nightwalker (noch nicht mal angefangen) mittlerweile auch auf Deutsch (sowie andere Bände für die ganz Kleinen), wer's tatsächlich für die Nichten und Neffen besorgen will...


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  The Oracle Code

The Oracle
Code

Writer: Marieke Nijkamp; Artist & Cover: Manuel Preitano; Cover: Patrick Gleason; Colorists: Jordie Bellaire, Manuel Preitano; Letterer: Clayton Cowles; DC Comics; VÖ: 04.03.2020 (Woche 10); $ 16,99

Einer der großen dramatischen Momente in der DC-Geschichte stammt zwar aus einem stand-alone, wurde aber eine Zeitlang in den Kanon aufgenommen: Der Moment in Alan Moores und Brian Bollands The Killing Joke, bei dem der Joker (mit implizierter zusätzlicher Brutalität) Barbara Gordon, die Tochter des Commissioners Gordon, querschnittsgelähmt zurücklässt - bzw. den Vater damit gezielt traumatisiert.

Im DC Universum konnte sich Barbara seinerzeit als rollstuhlfahrende Computerexpertin »Oracle« behaupten, aber bei all den Rebirths, Crises und sonstigen künstlichen Frischzellenkuren für Helden, die allesamt längst im Rentenalter sein müssten (der erste Auftritt von Batgirl alias Barbara Gordon war glaube ich 1966 - und da war die Figur kein neugeborenes Baby) hat man sich dann irgendwann dazu entschieden, Batgirl wieder ins Spiel zu bringen. Ob ihre Verletzungen geheilt wurden oder es aktuell womöglich sogar zwei Versionen von Babs gibt, habe ich nicht so genau verfolgt. Festzustehen scheint: Ähnlich wie bei Tick, Trick und Track (für die einst eine Mondlandung reine Zukunftsmusik war, während sie in neueren Geschichten häufig ein Smartphone zur Hand haben) ändert sich an Barbaras Alter kaum etwas. Ich mag mich irren, aber sie bleibt so zwischen 16 und 21 - oder so was um den Dreh.

Für das junge Publikum ab 13 Jahren bedurfte es einer neuen Backstory, die mit weniger Trauma zu ihrer Behinderung führt. Und wie in den meisten diese Jugend-Comics erleben wir als Lesende die Wandlung zur Heldin mit. Aber zunächst mal landet Barbara etwas verbittert im »Arkham Center for Independence« (auch dies eine harmlosere sowie politisch korrektere Variante eines etablierten Bestandteils des DCU), wo sie sich mit der veränderten Situation und neuen möglichen Freunden anfreunden muss.

»I don't want to make friends, because they all inevitably leave.«

Wie in den meisten dieser Bücher nimmt man klar die Position der jugendlichen Protagonistin ein, und in diesem Alter ist man in der rebellischen Phase, weshalb James Gordon trotz seiner guten Absichten anfänglich nicht so gut wegkommt. Wir erinnern uns alle daran, als unsere Eltern uns tierisch nervten, ehe wir eine neugewonnene Wertschätzung für ihre Bemühungen entwickelten.

The Oracle Code

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

Als visuelle Übertragung ihres Zustands arbeitet man bei den Kapitelüberschriften (die bei diesen DC-Büchern gern immer zwei Seiten einnehmen) mit Puzzleteilen. Babs ist »shattered« (mir fällt gerade kein passenderes deutsches Wort ein) und sie muss sich neu finden (wie die Puzzleteile vom Rand, dann vielleicht die grünen usw.). Nur ist sie sich dieser simplen Metapher allzu bewusst und bei einem Telefonat mit ihrem Vater bringt sie es auf den Punkt:

»I can't solve this puzzle, because I'm the puzzle now.
I can't crack the code, because I'm the code.«

Das Artwork ist von der Art, wie ich es mag: klassisch und einfach. Wie von David Mazzucchelli, Michael Lark oder Jorge Fornés. Aber bei Barbaras Gesicht koloriert wie bei den Paper Girls (die line art wird bunt gehalten - und die Palette ist übrigens auf wenige Farbtöne begrenzt, wie damals bei David Ajas Hawkeye). Ziemlich genial finde ich auch die Momente, wo die Kolorierung (von Jordie Bellaire und dem Zeichner Manuel Preitano - im Nebenjob Graphikdesigner - gemeinsam erarbeitet) so wirkt wie bei einem Fehldruck, wo die Farbflächen ein paar Millimeter zu weit rechts oder links landeten. Aber wohlgemerkt nicht für das ganze Bild, sondern nur für Teile. Man merkt, hier arbeiten wirkliche Profis mit tollen Ideen.

Aus dem vorherrschenden Zeichenstil heraus fallen die nächtlichen Geschichten, die A.C.I.-Patientin Jena Babs erzählt. Die wirken stilistisch deutlich kindlicher, sind aber nicht etwa auffällig therapeutisch, sondern vor allem gruselig. Und in der Herangehensweise sehr variabel. Das gefällt mir.

Was mir aber noch mehr gefällt: Der Geschichte wird Zeit gegeben, sich zu entwickeln (passend zum Reha-Thema). Wo man anderswo ziemlich schnell weiß, wie der Hase läuft, gelingt es Marieke Nijkamp, das obligatorische Geheimnis oder Verbrechen, was aufgelöst werden muss, für die Hälfte des Buches fast komplett zu verdrängen. Und die Stellen, wo man glaubt, der Erzählung ein paar Schritte voraus zu sein, erweisen sich dann als ambivalente Tricks. Da erkennt man eine gute Autorin.

Noch ein winziges Detail, das mich erfreut hat: Man versucht das DCU innerhalb der Geschichte wie Popkultur für Jugendliche zu behandeln. Da liegt mal ein Doom Patrol-Heft herum, eine Insassin trägt ein Amethyst- oder Crisis-Shirt und beim Rollstuhl-Basketball heißen die Teams »Robins« und »Wonders« (mit den Logos aus den 1990ern bzw. bei Wonder Woman sogar aus den Siebzigern). Irgendwie wirkt die Comic-Welt (die sich fast auf dieses Pflege-Internat beschränkt) dadurch authentischer und greifbarer (auch, wenn mich das Batman-Kartenspiel nicht überzeugt hat).

Gegen Ende wird es visuell (und in der Farbgebung) noch mal richtig spannend (auch, wenn mir der Showdown rein handlungstechnisch etwas überzogen erschien). Trotzdem auf jeden Fall empfohlen.


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  Zatanna and the House of Secrets

Zatanna and the
House of Secrets

Writer: Mathew Cody; Artist & Cover: Yoshi Yoshitani; Letterer: Ariana Maher; DC Comics; $ 9,99; VÖ: 12.02.2020 (Woche 7)

Je länger ich darüber nachdenke, umso deutlicher wird für mich, dass die Form des Fantasy-Genres, für die ich mich am ehesten erwärmen kann, wohl die Magie sein muss. Für Zatanna habe ich schon länger eine Affinität, auch wenn mich der Trick, für Zaubersprüche einfach Wörter umzudrehen, im fortgeschrittenen Alter nicht mehr wirklich verzücken kann. Obwohl mich ein jüngstes Beispiel aus Justice League Dark #21 schon reichlich amüsiert hat (»OELILAG!« ... »YREV YREV GNINETHGIRF.« ... »TLOBREDNUHT DNA GNINTHGIL!«).

Hier ist Zatanna noch sehr jung (jünger als Teenage Witch Sabrina) und bekommt ein sprechendes Kaninchen (statt der entsprechenden Katze) zur Seite, was irgendwie cute ist, aber schon eine Spur zu »kindgerecht«. Langjährige Kenner der DC-Geschichte mögen sich fragen, was Zatanna jetzt genau mit dem House of Secrets zu tun haben mag (in einem älteren run von Justice League Dark nimmt man sich ähnliche Freiheiten heraus), aber immerhin gibt es für die älteren Leser kleine Hinweise auf die Rolle dieses Hauses in der DC-Geschichte. Und Klarion the Witch-Boy taucht auch auf.

Zatanna and the House of Secrets

© 2020 DC Comics. All Rights reserved.

Bei einer Zatanna-Geschichte ist es irgendwie fast vorgegeben, dass sie lernen muss selbstständig zu sein. Ihre Mutter ist tot, ihr Vater Zatara hat Probleme, in die er sie nicht reinziehen will. Aber natürlich will sie ihm beistehen und muss dafür nach ihrem ersten unbeabsichtigten Zauberspruch (ein Palindrom) ihre Fähigkeiten trainieren (ähnlich, aber auch ganz anders wie in Green Lantern: Legacy.

Zatanna and the House of Secrets

© 2020 DC Comics. All Rights reserved.

Das Artwork hat einen ganz spezifischen, ebenfalls kindgerechten, aber auch immens ansprechenden Stil. Yoshi Yoshitani arbeitet viel mit Flächen (meistens einfarbigen), schafft es dabei aber, eine ungemein plastische Dreidimensionalität herzustellen. Alles sieht so simpel aus, ist aber bestens durchdacht. Es wirkt ein wenig wie ein Animationsstil, funktioniert aber großartig auf der Comicseite.

Die Story bleibt übrigens auch irgendwie simpel. Und, ich habe das Wort schon zu oft benutzt, kindgerecht. Beim großen Zauberduell besinnt sich Zatanna ausgerechnet an die Tricks aus kindlichen Fantasieduellen. Naja, solange es funktioniert...

Wer wie ich diese Affinität zu Vertigo-Titeln hat und kommenden Generationen früh den Weg dazu ebnen will (es muss ein toller Moment sein, wenn man Jahre später im Comic seiner Kindheit Cain und Abel entdeckt), dem sei Zatanna and the House of Secrets ans Herz gelegt. Wer es als Erwachsener für sich selbst kaufen will, sollte sich unbedingt lossagen von einer weit verbreiteten Niedrigschätzung von Kinderbüchern.


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  Wonder Woman: Warbringer

Wonder Woman:
Warbringer

Writer: Louise Simonson; Lit. Vorlage: Leigh Bardugo; Artist & Cover: Kit Season; Colorist: Sarah Woolley; Letterer: Deron Bennett; DC Comics; $ 16,99; VÖ: 01.01.2020 (Woche 1)

Auf Seite 1 erfuhr ich, dass Wonder Woman von ihrer Mutter aus Lehm gemacht wurde. (Falls das zur Standard-origin-story dazu gehört, war es mir zum Zeitpunkt, als ich die Kritik zu Diana: Princess of the Amazon abfasste, noch nicht bekannt.) Auf S. 2 dann eine Caption der jungen Diana: »Even then [...] I knew I had to prove myself. [...] That I am an Amazon. That I belong here.«

Wahrscheinlich hat man es nicht leicht, wenn man eine stand-alone-Geschichte über Wonder Woman schreiben soll, denn das zu erreichende Ziel (gerade bei einem jugendlichen Publikum) scheint vorgegeben.

Das Artwork von Kit Season erinnert mich etwas an Jill Thompson, nur weniger cute. Auffällig ist, dass es fast schwarzweiß (mit vielen Grautönen) gehalten ist. Nur die Farbe Blau (wie Dianas Augen) bringt etwas Farbe ins Spiel. Ohne vorwegzuluken ist mir schnell klar, dass die Ergänzung anderer Farben auch etwas von Dianas Fortschritten und Erfolgen erzählen wird. Sie nimmt Teil an einem Rennen der Amazonen. Und schon sieht man einen Hauch von Türkis dazukommen. Dann entscheidet sie sich während des Rennens (das für sie immens wichtig ist) vom Pfad abzuweichen, weil sie von einem brennenden Schiff einen Hilfeschrei hört. Das Rot des Feuers als visuelle Ergänzung scheint schon zu beweisen, dass diese Entscheidung wichtiger für sie ist als das Rennen mit dem kaum auffallenden Türkiston.

Das Mädchen Alia, das Diana rettet, ist wie die Farbe Rot ein Eindringling. Die Gesetze von Themyscira sind unmissverständlich: Besucher sind nicht willkommen, und wer die Insel verlässt, kann ins Exil geschickt werden.

»Something is out of balance.« Diana überlegt noch, wie sie Alia helfen kann, ohne ihre (verbotene) Heldentat zu offenbaren, als die Farbe Rot bei einer Erkrankung (oder Vergiftung?) und einem Erdbeben wieder auftaucht. Wohlgemerkt, es sind vielleicht vier Stunden seit dem Rennen vergangen, die Ereignisse überschlagen sich und Diana wundert sich, ob sie das Unheil auf die Insel gebracht hat. Und nebenbei lässt sie einen Tonkrug fallen, ein überdeutlicher Hinweis auf Dianas Wurzeln und ihre vermeintliche Fragilität (die sie mit Alia zu verbinden scheint).

Die ganze Geschichte nachzuerzählen ist nicht mein Ding, aber die Befragung des Orakels befördert hervor, dass Alia ein »Warbringer« sein soll. Entweder wird die Insel sie vergiften oder Alia vergiftet die Insel. Diana will sie retten, doch das Orakel verbietet es. Naja, man kann sich denken, dass Diana noch einige Risiken auf sich nehmen wird und nicht einfach eine Unschuldige sterben lassen wird.

Wonder Woman: Warbringer

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

Später sieht man die Geschichte ohne die ganzen Mythen auch aus der Sicht von Alia (ihre captions haben einen roten Rand), wodurch die Geschichte komplexer und interessanter wird. Auch sie wollte ihre Stärke beweisen und hat quasi blaues Blut (ihre Eltern sind reiche Bioingenieure). Und die beiden Protagonisten bekommen so Ähnlichkeiten.

Wonder Woman: Warbringer

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

Die Sache mit der Farbsymbolik verläuft nicht ganz so, wie ich es erwartet hatte. Blau bleibt die vorherrschende Farbe, mit Rot als Farbe des Krieges öfters mal durchzogen. Eine Figur bekommt später subtil Gelb zugeordnet. Allerdings so subtil, dass man beim Lettering (hier und da in gelb) meines Erachtens die eigenen Regeln außer acht lässt.

Was bei dieser Romanadaption aber fast schon den inflationär benutzten Begriff »Graphic Novel« rechtfertigt ist die (auch im Comic erkennbare) Komplexität des Romans. Zwar folgt man einer typischen Spannungsdramaturgie mit heutzutage fast obligatorischer Diversität des Figurenensembles, aber jede der fünf Hauptfiguren bekommt Zeit sich zu entwickeln, und hier und da erkennt man im Comic, wo weitergehende Erklärungen, für die man im Roman auch mal eine Seite Zeit gehabt hätte, runtergekürzt werden. Das reicht zwar nicht ganz, um den Wunsch aufkommen zu lassen, jetzt auch den Roman zu lesen, aber immerhin erkennt man die guten Absichten. Louise Simonson macht ihren Job seit Jahrzehnten, sie weiß auch, wie man solche einer Vorlage gerecht werden kann, ohne dass die Adaption nebst des gewählten Mediums darunter leiden muss.

Ich gebe zu, ich hatte nicht viel erwartet, wurde aber eines besseren belehrt.


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  Shadow of the Batgirl

Shadow of
the Batgirl

Writer: Sarah Kuhn; Artist & Cover: Nicole Goux; Colorist: Cris Peter; Letterer: Janice Chiang with Saida Temofonte; DC Comics; VÖ: 29.01.2020; $ 16,99

»Cassandra Cain was one of the first Asian girl heroes I saw who actually got to be the hero. She wasn't a sidekick, she wasn't cannon fodder, she wasn't there to teach anyone a Very Important Lesson about racism. She was freaking Batgirl. And she was biracial, like me! I devoured every appearance, I obsessed over every story point, I adored the way creators Kelley Plunkett and Damian Scott envisioned her.«

Im Gegensatz zu Sarah Kuhn, der Autorin von Shadow of the Batgirl, war mir Cassandra Cain komplett unbekannt, und so kann ich auch kaum Statements darüber abgeben, inwiefern Kuhn sich bei Cassandras DC-Geschichte bedient. Ich weiß eigentlich nur, dass Kuhn eine neue asiatische Mentorin dazuerfunden hat. Und bin mir einigermaßen sicher, dass Barbara Gordon auch bei der ersten origin story des neuen Batgirls eine Rolle spielte. Es passt einfach zu gut zusammen, wie man auf diese Art Batgirl und Oracle zusammenarbeiten lassen kann.

Kuhns Story-Ansatz ist auch ziemlich interessant. Ein junges Mädchen wurde in ihrer Kindheit zum Killer ausgebildet, kennt aber kaum die Bedeutung der einfachsten Worte. In den captions spricht sie aus einer späteren Zeit, in der Geschichte selbst muss sie sich ihre Sprachkenntnisse erst aneignen (obwohl ihr Vokabular ab einem gewissen Punkt erstaunlich anwächst).

Shadow of the Batgirl

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

Das Artwork erinnert mich an Richard Sala, Craig Thompson und Lorenzo Mattotti, allerdings mit einer dezidiert weiblichen Sensibilität. Und einer Verspieltheit vor allem in den Gesichtern. Cassandra versteckt sich in einer Bibliothek und springt mit einer erstaunlichen Katzenhaftigkeit zwischen den Bücherregalen herum, wobei diese Bewegungen oft 1:1 auf die Comicseite übertragen werden. Das Wort »daughter«, das eine große Bedeutung in ihrer Geschichte hat, hört sie etwa Mal, als eine gewisse Barbara über Batgirl doziert - und sie erinnert sich, es irgendwo gesehen zu haben und macht sich auf die Suche danach. Inwiefern man auf diese Art eine Sprache erlernen kann (lange Zeit spricht sie mit nahezu niemandem), darf man skeptisch betrachten (wenn sie selbst schreibt, ist ihre Rechtschreibung auffällig fehlerhaft), aber als großes Abenteuer des Alphabetismus überzeugt dieser approach auf ganzer Linie.

Den eigenen Weg und Freunde zu finden, ist in diesem Buch noch wichtiger als in den meisten hier vorgestellten Büchern, ihre gewalttätige Vergangenheit und zur Unzeit wieder auftauchende Erinnerungen machen Cassandra das Leben schwer. Von allen freundschaftlichen Dreiergruppen, die diese Bücher bevölkern, sind Cassandra, Barbara und Jackie aber die sympathischste und interessanteste.

Shadow of the Batgirl

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

Ziemlich gut gelingt hier die Verbindung der Freundschaft mit dem Kampf für Gerechtigkeit, wobei Cassandras persönliches Trauma zwar bis zum letzten ausgespielt wird, die Blutspuren an ihrer Hand aber den Rest der Geschichte nicht »verfärben«. Mit dem Artwork und der Kolorierung wurde ich nicht völlig warm, aber die Geschichte hat hier umso besser funktioniert. Ich habe ja wirklich gedacht, dass ich zumindest ein oder zwei der Bücher so komplett misslungen finden würde, aber no such luck. Dann folgen halt (eingeschränkte) Lobgesänge aufeinander, damit müssen die Lesenden klarkommen... ;-)


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  Green Lantern: Legacy

Green Lantern: Legacy

Writer: Minh Lê; artist & cover: Andie Tong; colorist: Sarah Stern; letterer: Ariana Maher; DC Comics; release date: 15th of January, 2020 (week 3); $ 9,99

Green Lantern: Legacy is a bit like The Oracle Code. In so far as both are about adolescent friendships and crime fighting. For Tai Pham, the 13 year-old American-Vietnamese Green Lantern, who inherits great power from his grandmother, his established friends Tommy and Serena act as coaches, consciences and sidekicks. They don't share his powers, but they can help him to use them in the correct fashion. The trio even reminds of Harry Potter with the mischievous / clumsy redhaired Tommy and the almost wise Serena.

In The Oracle Code most of the potential friends share the same gender, Barbara's »special« friend Benjamin may be a love interest in the making while the handicapped girls are of an equal power, it's also about feminist solidarity (with male villains). Tai's friends are also his confidants with whom he shares his spanking brand-new secret, while Babs from The Oracle Code still has to establish mutual trust.

Legacy, which has the younger teens as protagonists, is also full of funny moments while Barbara Gordon nearly seems to drown in worries and depression.

But the main difference lies in the speed of the build-up of the tales. Legacy has a lot of stuff to tell, everything develops very fast where The Oracle Code works with a very slow build-up and a fast finale. When Tai and his friends recognize who is their antagonist there's a fast showdown and the surprising realisation for me as a reader that there's no real closure but the tale ends like a first chapter of a longer narrative (again, like Harry Potter).

Green Lantern: Legacy

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

There's even a Voldemort-like supervillain somewhere at the horizon. And a »level adversary« (or whatever it is normally called) like in a video game. Legacy really feels like the beginning of a longer story (which is nothing bad, just something different).

Like in Harley Quinn: Breaking Glass by Mariko Tamaki writer Minh Lê doesn't just perform a diversity spiel but has something to say about her individual community (there's even a glossary of Vietnamese words at the end of the book). And thus you get a more intimate view of the described world (even though it keeps a strictly fictitious atmosphere).

The Oracle Code to me is more about comic art while Green Lantern: Legacy excels at reaching a teenage audience that doesn't have to know that Tai's cat Jordan has a name that also reeks of a legacy.

I may be wrong, but Andie Tong's artwork and the very colourful coloration by Sarah Stern also have a youthful and playful look. It's just my dilemma that I'm an old bastard who has some acquired tastes and preferences in comic styles.


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  Diana: Princess of the Amazons

Diana: Princess
of the Amazons

Writers: Shannon Hale & Dean Hale; Artist & Cover: Victoria Ying; Colorist: Lark Pien; Letterer: Dave Sharpe; DC Comics; $ 9,99; VÖ: 01.01.2020 (Woche 1)

Als einziges Kind auf der Insel Themyscira hat Diana keine gleichaltrigen Spielkameraden, wird aber gleichzeitig auch nicht als vollwertige Amazone von ihren nicht alternden Nachbarinnen wahrgenommen.

Um diese zwei Probleme geht es in Diana: Princess of the Amazons und das Autorenpaar Shannon & Dean Hale kombiniert die Themen narrativ. Zunächst findet Diana eine Spielkameradin, die ihr sehr gleicht und die aus einem großen Klumpen Lehm geschaffen wurde. Mona ist zunächst sehr schüchtern und voller Selbstzweifel, aber gemeinsam probieren die beiden Mädchen im Spiel vieles aus, und früher oder später testen sie auch, wie es ist, Regeln zu brechen.

Diana: Princess of the Amazons

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

Für erwachsene Leser ist kaum zu übersehen, dass Mona hier oft agiert wie die Art von Freunden, die Eltern ungern um ihre Kinder herum sehen. Da passt es auch gut, dass Mona (schüchtern) unbedingt vermeidet, mit anderen Personen als Diana zu interagieren.

Zunächst ist vielleicht die Option möglich, dass Diana sich Mona nur vorstellt. Doch als Diana Mona von ihrer Sorge berichtet, nicht als vollwertige Amazone akzeptiert zu werden (worüber sie natürlich nur schwer mit Erwachsenen reden kann), kommt Mona auf abstruse Ideen, wie Diana sich bewähren soll - und man ahnt, dass die absehbare Mutprobe Konsequenzen haben wird.

Die Zeichnungen sind kindgerecht, die vier Kapitel kann man schnell lesen, und die junge Leserschaft erlebt ein typisches Kinderbuch, das nur auf die DC-Figuren zugeschnitten ist. Die Art und Weise, wie man junge Leser so an Franchises heranführt, finde ich oft eher suspekt, man benutzt pädagogisch wertvolle aber nicht sehr ambitionierte Geschichten, um die DC-Leser der Zukunft an die Stoffe heranzuführen.

Hierbei arbeitet man hier mit sehr freundlichen Tieren wie Delphinen und Kängurus, ehe mythologische Wesen Spannung in die Geschichte bringen. Aber immer auf einem allegorischen Level, den man jederzeit auf Alltagssituationen herunterbrechen kann. Diana spielt im Grunde mit einem narrativen Feuerzeug und denkt im letzten Moment daran, die Erwachsenen wieder einzuschalten, um eine Katastrophe zu vermeiden.

Ich verstehe nur nicht ganz, warum man für solch eine simple Mär unbedingt DC-Figuren einsetzen muss. So richtig viel DC-Hintergrund wird in der Geschichte gar nicht eingebracht. Diana nebst Mutter und ein paar Nebenfiguren, eine klassische Schurkenfigur, das Setting und leichte Anspielungen auf Cheetah (hier ebenfalls ein kuscheliges Tier). Nur aus Sicht von DC sieht man da eine Notwendigkeit, das DC-spezifische in die Geschichte einzuarbeiten.


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  Batman: Overdirve

Batman: Overdrive

Writer: Shea Fontana; Artist & Cover: Marcelo DiChiara; Colorist: Hilary Sycamore; Letterer: Corey Breen; DC Comics; VÖ: 26.02.2020; $ 9,99

Ich bin raus aus meiner Auto-Phase und so war Batman: Overdrive die letzte DC YA GN, die ich las. Ich hatte zwei Drittel schon zwei Wochen vorher gelesen, aber wie man zu sagen pflegt: »So many comics, so little time.« Der erste Eindruck war noch ganz okay, aber beim zweiten Lesen hatte ich immer mehr den Eindruck, dass der 16jährige Bruce Wayne mit all seinen großen Plänen einfach ein bisschen arrogant wirkte.

Wie in den anderen hier besprochenen Werken sind es auch hier seine zu etablierenden Freunde (die für die Diversität wichtige Neuerfindung Mateo Diaz und eine gewisse Selina) und eine erwachsene Mentor-Figur (Butler Alfred), die ihn drauf hinweisen, wenn er sich in die falsche Richtung bewegt. Aber lange Zeit ist Bruce einfach zu sehr davon überzeugt, dass er auf jede Frage die richtige Antwort weiß.

Dann verrennt er sich auch noch in die Idee, dass Alfred mitschuldig am Tod seiner Eltern sein könnte, und als er dafür keine Beweise findet, Alfred aber gewisse Irrwege seines Lebens beichtet, entscheidet Bruce (der im Verlauf der Geschichte einige Gesetze bricht, dass er anhand einzelner »Verbrechen« treue Verbündete einfach hinter sich lassen muss. Alfred gibt dem Jüngling die Gelegenheit eines Geprächs und Bruce antwortet: »Talk? Ugh, you're not my grandpa! You're my employee. And you're fired.« Natürlich muss man Konflikte für eine Geschichte provozieren, aber das ging mir dann doch zu weit.

Und es wurde auch nicht besser dadurch, dass man mindestens drei mal während der Geschichte feststellt »Being rich is so cool!« Da habe ich einfach das Gefühl, dass ich weit entfernt bin vom adoleszenten Zielpublikum mit seinen Machtfantasien...

Vollends ausklinken muss ich mich aber beim Showdown. Bruce und seine Schmiermaxen wollen einen Oldtimer von 1966 wieder flottmachen. Zu Bruces Geburtstag. Fünf Tage vor diesem Tag heißt das Kernprinzip des sich selbst Beschenkenden noch, dass die Integrität des Originalwagens erhalten werden muss, doch dann gibt es doch ein paar enhancements, die aber nicht alle gleich offenbart werden. Und wenn es dann so weit ist, hat man ein Gefährt, dass nicht nur Batmobile genannt wird, sondern mindestens so viele Gadgets und Geheimwaffen hat wie anderthalb Bond-Autos.

Batman: Overdrive

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

Und weil all diese Sonderausstattungen, die ein paar Teens in wenigen Tagen zusammengebastelt haben, immer noch nicht reichen, hat der frühere Rennfahrer Alfred auch noch ein paar Tricks im Ärmel, und am Schluss taucht auch noch ein Hubschrauber mit darunter angebrachter Transportfläche für den Superwagen auf. Spätestens da erscheint mir selbst die Sechziger-Batman-TV-Serie noch realistischer und ich habe Overdrive abgeschrieben.

Natürlich darf so eine GN für Jugendliche auch einen gewissen Gehalt an fun haben, aber selbst die abgedrehtesten Effekte aus Green Lantern: Legacy konnte ich einfacher schlucken. Und die Zeichnungen von Marcelo DiChiara mögen Fans von The Fast and the Furious überzeugen, aber statt driftender Sportwagen mit Qualm und Funkenschlag hätte ich mir da in Sachen treffsicherer Mimik deutlich mehr gewünscht.


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  Batman Tales: Once upon a Crime

Batman Tales: Once upon a Crime

Writer: Derek Fridolfs; Artist & Cover: Dustin Nguyen; Letterer: Steve Wands; DC Comics; VÖ: 05.02.2020 (Woche 6); $ 9,99

Dustin Nguyen kennt man von seinen Comics wie Ascender, Descender oder Li'l Gotham, wobei der cartooneske Kinderbuch-Stil von letztgenanntem auch hier benutzt wird. Sogar seinen Co-Autor von Li'l Gotham, Derek Fridolfs, hat er hier wieder dabei - nur mit dem Unterschied, dass der hier den vollen Credit als Autor hat und Batman-Figuren mit Märchenstoffen verbindet, was unterschiedlich gut funktioniert und manchmal zum Aneinanderketten von Sparwitzen verkommt. Oft kann man auch von »Wortwitzen« sprechen, es wird dadurch nur nicht witziger oder anspruchsvoller.

In »Waynocchio« will die kleine Holzpuppe Damian gern ein echter Junge werden. Die Rolle der blauen Fee übernimmt Zatanna, Jiminy Cricket sieht aus wie Pan Tau (ja, ich habe verstanden, dass das Butler Alfred sein soll), und for good measure gibt es wie in alten Cartoons als Gegengewicht zum »Gewissen« auch noch ein Teufelchen, das quasi auf der anderen Schulter sitzt. Niemand geringerer als Bat-Mite.

Natürlich habe ich auch mal das Buch von Carlo Collodi gelesen, aber der Disney-Film gehört zu meinen All-Time-Top-Three (zusammen mit Beauty and the Beast und The Jungle Book - und ich meine dezidiert die Zeichentrickfilme, nicht diesen blöden Realschmonzes). Anyway, worauf ich hinaus wollte: das Aufeinandertreffen von Catwoman und Figaro hat eine Saite in meinem Herzen angerührt - auch, wenn die Katze kein Stück aussieht wie im Film, sondern eher wie Garfield in Grau.

Zwei Beispiel-Panels zeigen hier, wie sich ein Großteil der Geschichte abspielt: Ein Sparwitz jagt den nächsten. Hier und da durchaus mal mit ein bisschen Genialität, etwa, wenn das Bat-Signal durch das »Wasserspritz-Loch« im Rücken eines Wals scheint, aber die eigentlichen Geschichten hangeln sich wirklich nur von Gag zu Gag.

Batman Tales: Once upon a Crime

© 2020 DC Comics. All rights reserved.

Was in den nächsten beiden Geschichten »The Princess & the Pea« und »Alfred in Wonderland « nur noch schlimmer wird. Gerade bei der Sache mit der Prinzessin auf der Erbse, wo aus der Erbse ein geraubtes grünes Juwel wird, kommt auch noch dazu, dass die Zeichnungen zum Teil krude und lieblos hingeschmissen wirken. Erst bei der vierten und letzten Geschichte »The Snow Queen« verlässt man sich zwar abermals zu sehr darauf, die Anderson-Geschichte mit Batman-Figuren nachzuerzählen, aber diesmal strahlt die Geschichte so etwas so etwas wie Würde aus, weil Nguyen sich bei den Winterlandschaften tatsächlich viel Mühe gegeben hat und zumindest ich nicht schon zwanzig Seiten vorher erahnt habe, welche Batman-Parallele man hier heranzieht.

Immerhin ist der mittlerweile erwachsene und sexuell recht aktive Bruce geistesgegenwärtig genug, sich trotz seines persönlichen Interesses für Robins Fall nie persönlich mit Robin zu »beschäftigen«.

Weil ich nicht immer nur Virus-Bilder als aktuellen Bezug einstreuen will, hier mal ein hübscher Ausschnitt aus einem Panel, bei dem man im Hintergrund Batman mit jemand anderem aus dem Geschehen entweichen sieht. An dieser Stelle mal Frohe Ostern aus dem low key home office! (Normalerweise sortiere ich die Kritiken ein wenig nach der Qualität der beschriebenen Produkte, aber den Ostergruß wollte ich ganz unten haben - eigentlich hätte Overdrive dieses TVOD beenden müssen...)

Batman Tales: Once upon a Crime

© 2020 DC Comics. All rights reserved.


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Für die nächste Ausgabe (innerhalb einer Woche) sind anvisiert:

Rezensionen zu Alienated #1, Basketful of Heads #4 (of 7), Black Panther #20, The Clock #1 (of 4), Giant-Size X-Men: Emma Frost & Jean Grey (one-shot), Hawkeye: Freefall #1, Olympia #3 (of 5) und X-Men #7.