Ghost World
"Ghost World" ist ein ganz nettes Filmchen, das den durchschnittlichen Kinobesucher nett unterhält, aber wohl kaum zu den Höhepunkten des Filmjahres zählen wird.
Da "Ghost World" aber auch die meines Erachtens bisher beste Realverfilmung eines Comics ist (und ich habe immerhin "Rocketeer" (Joe Johnston nach Dave Stevens) und "Dick Tracy" (Warren Beatty nach Chester Gould) gesehen), kann sich satt.org als großer Verteidiger dieser zwei Kunstformen nicht verkneifen, einen relativ detaillierten Vergleich zur Vorlage zu bieten.
Terry Zwigoff fiel der
comic community bereits durch seinen Dokumentarfilm "Crumb" auf, und die gemeinsame Vorliebe des Underground-Zeichners und Zwigoffs für alte Schellack-Platten zeigt sich auch in "Ghost World", wo Steve Buscemi als dritte Hauptfigur (die im Comic nur für zwei Seiten auftaucht) die Rolle annimmt, die im Comic Josh zugewiesen wurde, und ganz nebenbei Enids musikalischen Horizont erweitert.
Im Film muß man eine Geschichte erzählen, die im Comic allenfalls angedeutet wird, ein Spannungsbogen entwickelt sich, die neuerfundene Kunsterzieherin sorgt für einige sehr witzige Momente (wie der ganze Film mir sehr viel witziger als der Comic erschien), aber andere Details wurden natürlich auch ausgespart, etwa die Andeutungen einer lesbischen Beziehung, der Päderasten-Fotograf oder die Schulfreundin, deren Gesicht von einem riesigen Krebstumor verunstaltet ist (allesamt Dinge, die in amerikanischen Filmen sauer aufstoßen oder sich nicht dazu eignen, dargestellt zu werden, weil es halt ein Riesenunterschied ist, ob man ein Comicbild sieht oder irgendwelche offensichtlichen Spezialeffekte. Auch auf den Gastauftritt des Zeichners Clowes wartet man vergeblich, weil man die "weirdness", die einem bei aller Lebensnähe aus seinem Portrait anstarrt, nur schwerlich bei einem unbearbeiteten Filmbild wiedergeben kann. Vielleicht hätte man stattdessen auch den Regisseur Zwigoff aufsuchen sollen …
Aber wo man einige Momente vermisst und anderes dazugedichtet oder vermengt wurde, gibt es auch einige Momente aus Comics, die nicht unbedenkt zu "Ghost World" gehören, etwa das politisch unkorrekte Bild aus "Gynecology" oder "Feldman".
Aber trotz aller offensichtlichen Unterschiede zwischen Vorlage und Verfilmungen, neben den unterschiedlichen Stärken, ist es geradezu meisterhaft, wie einige der schönsten Momente des Comics kongenial auf Zelluloid gebannt wurden, etwa "Weird Al", "Norman", Melorra, Enids Frisuren und Kopfbedeckungen, die Kinderplatte und der dazugehörige Plattenspieler, die Satanisten oder der
garage sale. Und allein dafür sollte man sich als Comicleser den Film anschauen oder als Kinobesucher den Comic besorgen, denn im Vergleich gewinnen beide Werke noch an Wert.