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Februar 2002
Thomas Vorwerk
für satt.org

Kleine Missgeschicke
(Små Ulykker)

Dänemark 2001

Kleine Missgeschicke (Små Ulykker)

Regie:
Annette K. Olesen

Buch:
Kim Fupz Aakeson

Kamera:
Morten Søborg

Schnitt:
Nicolaj Monberg

Musik:
Jeppe Kaas

Darsteller:
Jørgen Kill (John), Maria Würgler Rich (Marianne), Vigger Bro (Ulla), Henrik Prip (Tom), Jesper Hyldegaard (Anders), Jesper Christensen (Søren), Karen-Lise Mynster (Hanne), Jannie Faurschou (Eva)

Weitere Informationen:
www.berlinale.de



Berlinale-Wettbewerbsfilm:

Kleine Missgeschicke
Små Ulykker



Eine Familie beim Mittagessen: Die Tochter Marianne, Mitte Zwanzig, ist genervt von den Scherzen ihres Vaters John. Er stiehlt ihr die Fettstreifen vom Teller, sie weist ihn als Lebensmittelökonomin darauf hin, daß fetthaltige Speisen für sein schwaches Herz nicht gut sein. Er tut solche Gedanken spaßend ab, nur um kurz darauf mit dem Gesicht in seinen Teller zu fallen und reglos liegenzubleiben. Tochter und Mutter unterhalten sich ungerührt über den Tagesablauf, schließlich sieht John ein, daß er mit seinen makabren Spielchen ein neues Publikum braucht, um noch Eindruck zu schinden.

Am nächsten Tag stirbt tatsächlich ein Familienmitglied, aber die Mutter Ulla, die ihren Mann noch am Vortag darauf hingewiesen hätte, daß er nicht ohne sie leben könnte, weil ihm dann niemand etwas zu essen machen würde. Doch der Todesfall schweißt Vater und Tochter, die in den Eingangszenen noch recht gehässig miteinander umgingen zusammen, und Marianne, die noch weit entfernt davon ist, auf eigenen Beinen zu stehen, macht ihrem Vater in nächster Zeit das Mittagessen und verbringt auch sonst viel Zeit mit ihm.

Auch die anderen Mitglieder der Familie werden vorgestellt, auf der Beerdigung lernt der Zuschauer alle kennen. Søren, Johns Bruder, der wegen Athritis arbeitsunfähig ist, vegetiert nur noch vor dem Fernseher herum und wird in eine ernste Sinnkrise geworfen, als seine Frau ihm erklärt, sie habe sich in einen Lehrerkollegen verliebt. Hanne, Mariannes ältere Schwester, versucht sich mit dem Abfassen von Haikus zu ernähren, und geht dann zum Malen über, was zumeist dazu führt, daß sie mit einem von Farbe durchtränkten Pinsel vor einer leeren Leinwand posiert. Tom, der dritte Sohn, ist ein erfolgreicher Unternehmer, der aber dabei seine Familie vernachlässigt, und irgendwann feststellen muß, daß der Versöhnungssex allein seine Eheprobleme auch nicht beilegen kann.

Der Debütfilm der 26jährigen Kopenhagener Regisseurin Olesen erinnert an den Dogma-Stil, insbesondere an die Mischung zwischen Humor und Sozialdrama, die im letzten Jahr in skandinavischen Filmen wie "Tilsammans" oder "Italiensk for Begyndere" das Publikum begeisterten. Doch bietet ihr Film (wahrscheinlich absichtlich) nur wenige Identifikationsfiguren, der Zuschauer bleibt nur ein außenstehender Beobachter. Dies mag auch in der "Mike Leigh Method" begründet sein, die Frau Olesen im Presseheft eingehend erklärt, die aber nicht als Grund ausreicht, warum dieser Film zwar sehr unterhaltsam ist, ihm aber die mitreißende Kraft, die menschliche Anteilnahme und der Humor der zuvor genannten Filme nur zu etwa 70% gelingen. Der dickliche Verwalter mit dem Pferdeschwanz ist einfach kein Jørgen Mortensen, die Andeutungen nicht der "Norm" entsprechender Liebesbeziehungen sind weder so problematisch noch so humorvoll wie in der schwedischen Kommune. Nichtsdestotrotz bisher einer der gelungeneren Filme der diesjährigen Berlinale.