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Februar 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Golden Lemons
D 2002

Buch
und Regie:
Jörg Siepmann

Kamera:
Hajo Schomerus

Schnitt:
Benjamin Ikes

Musik:
Die Goldenen Zitronen, Grand Buffet, Wesley Willis

Die Goldenen Zitronen, Wesley Willis, Grand Buffet

Internationale Filmfestspiele Berlin

Forum

Golden Lemons



Hierzulande haben die meisten schon mal von der mitllerweile schon über zwanzig Jahre bestehenden Hamburger Band "Die Goldenen Zitronen" gehört, in Amerika kennt sie natürlich kein Aas. Sie heißen dort weder "Golden Lemons" noch texten sie ihre Songs auf Englisch um. Nein, sie touren einfach nur als Vorgruppe von Wesley Willis durchs Land und lassen sich dabei von Dokumentarfilmer Jörg Siepmann beobachten. Golden Lemons (R: Jörg Siepmann)

Wesley ist ein stämmiger Schwarzer, der unter Schizophrenie leidet (sein Tourmanager ist gleichzeitig sein Krankenpfleger), und der Musik macht, um nicht von den Dämonen, die er fast uninterbrochen in seinem Kopf vernimmt, dazu verleitet zu werden, irgendetwas zu machen, was ihn in den Knast bringen könnte.

Charmant, charmant. Die Lage wird auch nicht dadurch besser, daß Wesleys Fans (zur Hälfte "Freakshow-Besucher", zur Hälfte Leute, die wirklich zu schätzen wissen, daß er vielleicht nicht die spannendste, aber die wohl ehrlichste Musik im ganzen Business macht) natürlich keinen Bock auf irgendwelche Typen aus Nordeuropa haben, die auch noch stolz darauf zu sein scheinen, nicht an den Rock'n'Roll zu glauben …

Immerhin gibt es noch eine weitere Vorband, die schon länger mit Wesley unterwegs ist. Die zwei vergleichsweise jungen Mitglieder von "Grand Buffet" spielen mit gesunder Naivität einen Fun-Pop zwischen "James Kochalka Superstar" und "They Might be Giants", und es baut sich eine gewisse Freundschaft auf. Golden Lemons (R: Jörg Siepmann)

Doch die tägliche (Tor-)Tour fordert den Hamburgern einiges ab: Ein Truck Stop, der stolz darauf ist, "Nicht-Trucker" wenn überhaupt, herablassend zu bewirten; angebliche "Fans", die vor allem auf Randale aus sind; Dauerberieselung im Tourbus mit 70er-Pop, wobei die "Carpenters" schon positiv auffallen; und und und …

Der Film hält noch einige Überraschungen bereit: Die Zitronen philosophieren über ihre geänderte Lebens- und Karrierauffassung und die schiere Obszönität Amerikas, und natürlich gibt es auch hin und wieder Momente, die das Leben lebenswert machen, wie ein Gig in einem Keller, der ausstattungsmäßig aus den 80ern überlebt zu haben scheint (richtig "new wavig") oder eine große Kaktee, die man versuchen kann, umzuschmeißen.

Ein kurzweiliger Film, der auch Leuten etwas bietet, die keinen Song der Zitronen benennen könnten (c'est moi!).