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Regisseur Nicolas Philibert beobachtete für einige Monate den Lehrer und die 13 Schüler einer kleinen französischen Dorfschule, die wegen der geringen Bevölkerungsdichte fünf Klassenstufen im selben Raum von Vorschulaktivitäten wie Malen bis zu Diktaten und ersten Bruchrechnen-Aufgaben nebeneinander ausführen. Hierbei geht es dem Regisseur nicht darum, Nutzen oder Schaden einer aussterbenden Erziehungsform vorzuführen, sondern er nimmt sich ebenso wie der Lehrer Zeit für seine Schüler. Und jeder, der Kinder mag (und die anderen sind es eh nicht wert, ihre Meinung zu berücksichtigen), wird an diesem Film seine helle Freude haben. Da ist etwa Jojo, der eigentliche Star des Films, der es sogar auf das Plakat gebracht hat. Ein kleiner Spitzbub, der lieber seinen Bleistift aus dem Nasenloch hängen lässt, als bis zur Pause seine durchaus zu bewältigenden Aufgaben zu erledigen. Wenn der Lehrer versucht, ihn trotz diverser Ablenkungen zum Waschen seiner Hände zu animieren oder Jojo auf eigene Initiative die Funktionsweise des Kopierers erkundet, ist dieser ca. 4-jährige Rabauke der lebende Beweis dafür, wie wichtig individuelle Beschäftigung mit den Kindern sie zumindest bei diesem Lehrer, der mit sanfter Autorität seinen ihm Anvertrauten auch viel Liebe entgegenbringt, trotz aller Unwilligkeit zu kleinen Menschen macht, die Respekt für andere entwickeln, was in der heutigen Zeit in überlaufenen Stadtschulen sicher nicht mehr so einfach zu vollbringen ist. Doch dem Film geht es weniger um solch erziehungspolitische Fragen als um seine kleinen Stars und das winterliche Landleben, das sie umgibt. Philibert gelingt es, selbst einer Routine-Busfahrt eine Bedeutung zu verleihen, der Film verkommt nicht zu einer "Dingsda"-Sendung, sondern Interviews mit dem Lehrer beleuchten zwischendurch auch wieder ganz andere Aspekte, und wenn er sich am Schluß von seinen Schützlingen verabschiedet, hat auch der eine oder andere Zuschauer eine Träne im Auge. Nicht der Trauer, sondern der Rührung, und der Verzückung über diesen wunderschönen Film. Man könnte jetzt auch noch über die Produktionsgeschichte, die Arbeitsweise Philiberts oder den Schnittrhythmus des Films nachdenken, und einiges bewundernswertes zum Vorschein bringen, doch eine der Errungenschaften des Films ist es, gleichzeitig die simplen, verspielten Gemüter als auch die höheren Klassen zu einer Lehrstunde über die Menschlichkeit einzuladen. Und ausnahmsweise vergesse ich mal, daß ich Filmwissenschaftler bin und fühle mich zurückgesetzt in eine Frühphase meiner Geschichte der Kinobesuche. Und dieser Film gefällt sogar dem kleinen Jojo irgendwo in mir drin. Und das ist viel mehr, als nur einen pseudointellektuellen Filmkritiker zufriedenzustellen.
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