Neben dem Kabuki und Nô ist das Bunraku eine der traditionalen japanischen Theaterformen, eine Mischung aus Puppenspiel und traditioneller Musik, bei der außerdem ein Erzähler unverzichtbarer Bestandteil ist. Wenn man bedenkt, wie sich der frühe Film in Japan entwickelt hat, bei dem der "Benji" (ein Filmerzähler) eine große Rolle spielte (weshalb es aus heutiger Sicht auch schwierig ist, die wenigen erhaltenen frühen japanischen Filme zu "verstehen"), so scheint ein vom Bunraku beeinflusster Film eine naheliegende Ehrerweisung an diese im Westen fast unbekannte Kunstform.
Takeshi Kitano, der in seinem neuen Film "Dolls" ausnahmsweise mal nicht mitspielt, benutzt seine Schauspieler wie Puppen und erzählt mit ihnen drei tragische Liebesgeschichten.
Ein Yakuza-Boss entdeckt eine Jugendliebe wieder, die jahrelang immer mit ihrem Mittagessen im Park auf ihn wartete, ihn jetzt aber nicht mehr wiedererkennt.
Nach dem Unfall des nunmehr einäugigen Popstars Haruna will ein Fan auch nicht mehr sehen.
Und wie als Klammer: ein junges Paar, dem durch gesellschaftlichen Druck eine glückliche Ehe missgönnt wurde, irrt als durch einen Strick verbundenes Bettlerpaar durch den Film.
Kitano beschwört dabei ein Fest der Bilder, das sich durchaus mit Zhang Yimous "Hero" messen könnte. Insbesondere das Bettlerpaar, das in opulenten, von Modeschöpfer Yamamoto designten Kostümen durch die Jahreszeiten wandert, ist eine gelungene filmische Entsprechung das mehrfach parallelisierten Bunraku-Spiels. Doch auch, wenn Miho Kanno die wohl traurigsten Augen der Filmgeschichte hat und die drei Geschichten ebenso wie ihre narrative Fragmentation den Zuschauer lange Zeit zu fesseln vermögen, sind doch die einerseits voraussehbaren und andererseits seltsam unmotiviert geschilderten tragischen Ausgänge dieser drei unmöglichen Liebesgeschichten sehr unbefriedigend. Im Kontext der Filmographie Kitanos ist etwa das blutige Ende einiger der Figuren vollkommen konsequent durchgeführt, doch wenn man als Zuschauer nicht wirklich nachvollziehen kann, woran Nukui stirbt oder weswegen Sawako und Matsumoto schließlich doch nur wie Marionetten an ihrem Faden hängen, geht ein Großteil der visuellen Kraft des Films durch seine lieblose Auflösung verloren, wahrscheinlich könnte man in wirkliche Puppen mehr Emotionen investieren als in das hölzerne Spiel der unterforderten Darsteller.
Und auch die Struktur des Drehbuchs überzeugt nicht, denn ausgerechnet die schwächste Episode wird an den Schluß gestellt, und beim Britney Spears-ähnlichen Auftritt von Haruna haben einige Zuschauer entnervt das Theater verlassen, was ich nachfühlen kann, auch wenn die letzten Szenen des Films noch einiges retten konnten.
Bis "Hana-Bi" hat Kitano seinen Stil immer mehr verfeinert, bei seinen Versuchen, sich immer wieder neu zu erfinden, dabei aber seinen Lieblingsthemen treu zu bleiben scheint er sich immer mehr zu verheddern, statt sich von den Fallstricken seiner filmischen Vergangenheit loszuschneiden.