Anzeige: |
Der Unterschied zwischen Pirates of the Caribbean und Master and Commander zeigt sich am deutlichsten in den beiden Hauptdarstellern. Wo Johnny Depp mit der Rolle des effeminierten Edel-Piraten Jack Sparrow für eine komödiantische Glanzleistung sorgte, ist Russell Crowe ein Darsteller, der mit beiden massigen Beinen fest auf den Schiffsplanken steht. In Master and Commander gibt es weder einen verfluchten Schatz, noch wandelnde Skelette, und Weibsvolk hat an Bord eines Kriegsschiffs Seiner Majestät schon gar nichts verloren. Die HMS Surprise ist eine Männerwelt; hier herrschen raue aber herzliche Sitten, gelten Ordnung und Disziplin, und kleben die Kleider vor Blut und Schweiss. Wir schreiben das Jahr 1805, Frankreich und Grossbritannien liefern sich einen erbitterten Seekrieg; die Surprise hat den Auftrag, den französischen Freibeuter Acheron vor der Küste Brasiliens abzupassen. Kein einfaches Unterfangen, denn das gegnerische Schiff ist schneller, schwerer bewaffnet und scheint jeweils aus dem Nichts aufzutauchen. Eine erste Konfrontation endet mit einer Schlappe der Surprise, und nur der dichte Nebel verhindert die vollständige Niederlage. Aufgeben kommt für Aubrey freilich nicht in Frage, kaum ist sein Schiff wieder einigermassen fahrtüchtig, nimmt er die Jagd auf den überlegenen Gegner auf. Mit Peter Weir hat ein Hollywood-Aussenseiter die Regie übernommen und das hat dem Film gut getan. Unter der Regie des Australiers ist aus dem äusserst simplen Plot – gutes Schiff jagt böses Schiff – ein durchaus packender Abenteuerfilm geworden. Weir hat sich schon immer für abgeschlossene Gesellschaften interessiert, sei es das Riesenstudio in The Truman Show, die Amish People in Witness oder das Elite-Internat in Dead Poets Society. Es ist daher keine Überraschung, dass sein Augenmerk weniger der Handlung, sondern dem Mikrokosmos an Bord des Schiffs gilt. Der eigentliche Hauptdarsteller des Films ist nicht Crowe, sondern die Surprise, von einem kurzen Aufenthalt auf den Galapagos abgesehen, spielt Master and Commander vollständig auf hoher See. Man spürt, dass hier viel Aufwand betrieben wurde, um dem Zuschauer etwas von der klaustrophobischen Stimmung an Bord eines Schiffs zu vermitteln. Seien es die Vorbereitungen zur Schlacht, die halsbrecherische Arbeit in den Masten oder die Hektik während eines Sturms, Authentizität wird bei Master and Commander gross geschrieben. Und immer wieder klettert die Kamera in die Innereien des Schiffs hinab oder steigt in schwindelerregende Höhen, um die kleine Welt vollständig von oben zu erfassen. Der Organismus Schlachtschiff erwacht hier tatsächlich zum Leben; auch die zahlreichen, meist hervorragenden Effekte sind für einmal nicht reiner Selbstzweck, sondern tragen im Gegenteil viel zur dichten Atmosphäre des Films bei. Dass die Wahl eines actionunerprobten Regisseurs auch Nachteile haben kann, zeigt sich im grossen Schlusskampf, der so hektisch inszeniert und geschnitten ist, dass kaum noch zu erkennen ist, wer hier eigentlich wen niedermetzelt. Man haut sich gegenseitig kräftig die Rübe ein, und am Ende gewinnen – nicht ganz unerwartet – die Guten. Das ist als grosses Finale, nachdem die souveräne Inszenierung so lange über die dünne Story hinwegtäuschen konnte, ein wenig unbefriedigend. Immerhin: Zum Schluss gibt‘s noch einmal eine unerwartete Wendung, das Ende bleibt offen.
|
|